Der Kamin

[301] »Wenn der Morgen in dem May mit der Blüthen

Erstem Geruch erwacht;

So begrüsset ihn entzückt vom bethauten

Zweige des Waldes Lied;

So empfindet, wer in Hütten an dem Walde

Wohnet, wie schön du bist,

Natur! Jugendlich hellt sich des Greises

Blick, und dankt! lauter freut

Sich der Jüngling; er verlässt mit des Rehes

Leichterem Sprung den Busch,

Und ersteigt bald den erhöhteren Hügel,

Stehet, und schaut umher,

Wie der Wecker mit dem röthlichen Fuss

Auf die Gebirge tritt,

Und den Frühling um sich her durch das Wehn

Der frühen Luft sanft bewegt.

Wenn der Morgen des Dezembers in des Frostes

Düften erwacht, und glänzt;[302]

So begrüsset ihn, mit Hüpfen von dem Silber –

Zweige der Sänger Volk,

Und ersinnet für den künftigen May

Neue Gesänge sich;

So empfindet, wer in Hütten auf dem Lande

Wohnet, wie schön du bist,

Natur! Munter erhellt sich des gestärkten

Greises Blick! mehr noch fühlt

Sich der Jüngling; er enteilt mit des Rehes

Leichterem Sprung dem Heerd',

Und im Laufe zum besternten Landsee

Blickt er umher, und sieht,

Wie der Wecker mit dem röthlichen Fuss

Halb im Gewölke steht,

Und der Winter um sich her das Gefilde

Sanft schimmernd bedeckt, und schweigt.

O ihr Freuden des Dezembers! er rufts,

Säumt nicht, betritt den See,

Und beflügelt sich mit Stahle den Fuss.

Ein Städter, sein Freund, verliess

Den Kamin früh. Er entdeckt von dem hohen

Ross in der Ferne schon

Den Landmann, wie er schwebt, und den Krystall

Hinter sich tönen lässt.[303]

O ihr Freuden des Dezembers! so ruft

Der Städter nun auch, und springt

Von dem Rosse, das in Wolken des Dampfes

Steht, und die Mähne senkt.

Jetzt legt auch die Beflüglung des Stahls

Der Städter sich an, und reisst

Durch die Schilfe sich hervor. Sie entschwingen,

Pfeilen im Fluge gleich,

Sich dein Ufer. Wie der schnellende Bogen

Hinter dem Pfeil' ertönt,

So ertönet das erstarrte Gewässer

Hinter den fliegenden.

Mit Gefühle der Gesundheit durchströmt

Die frohe Bewegung sie,

Da die Kühlungen der reineren Luft

Ihr eilendes Blut durchwehn,

Und die zarteste des Nervengewebs

Gleichgewicht halten hilft.

Unermüdet von dem flüchtigen Tanze,

Schweben sie Tage lang;

Und musiklos gefällt er. Wenn am Abend

Rauschender Winterkohl

Sie geletzt hat, so verlassen sie schnell

Die sinkende Glut des Heerds,[304]

Und beseelen sich die Ferse, die Ruh

Der schimmernden Mitternacht

Durch die Freuden des gewagteren Laufs

Zu stören. Sie eilen hin,

Und verlachen, wer noch jetzo bey dem Schmause

Weilet, und schlummernd gähnt.

Die gesünderen, und froheren wünschet

Der kennende Zeichner sich,

Und vertauschte das gelohnte Modell

Gern mit dem freyeren.«

Da der Weichling Behager so gesprochen,

Gürtet er fester noch

Sein Rauchwerk! und die Flamme des Kamins

Schwinget noch lermender

In dem neuen Gehölze sich empor!

Dicker und höher steigt,

Aus der vollen unermesslichen Schale,

Duftend von weissem Rak,

Der Punschdampf! An des schwatzenden Stahlen

Naget indess der Rost.


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 1, Leipzig 1798, S. 301-305.
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