Die Grazien

[110] Dir, Pasithea, opferte

Vor den Schwestern Homer, zündete

Blumen, Blumen erkohr Orpheus, wie er,

Opferte, Nossa, dir.


Beyde kohren mit scharfem Blick.

Wer blind wählet, dem schlägt Opferdampf

In die Augen, und ihr, wallet er weg,

Göttinnen, seyd entflohn.


Blinde Wähler verscheuchen schnell;

Schwätzern seyd ihr nicht da: dennoch lallt,

Lispelt zierlich ihr Mund: Grazien, o hört,

Hört uns, wir liebeln euch?
[111]

Auch der furchtbaren Grazie

Flamt es von dem Altar. Göttin, dich

Nent kein Name, geheim knospet es dir,

Tochter Eurynoma's.


Wackre, schwer zu verblendende

Finden Opfer. Die Glut quillt vom Rauch

Rein, und bläulich, und hell, sprudelt empor

Wölkenden Wohlgeruch.


Und die Göttinnen fliehen nicht,

Lächeln ihnen. Es folgt, kehren sie,

Guter Vögel Geleit, flötend ein Chor

Von Philomelen nach.


Nicht der Dichter allein besucht

Diesen Tempel; auch die nimt er auf,

Welche sich die Musik weihet, auch sie

Bringen der Blumen dar.


Da Windeme, die Säumerin,

Spät vom Opfer einst kam, hatte sie

Einen ihres Geleits kirre gemacht,

Kam mit der Nachtigall.


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 2, Leipzig 1798, S. 110-112.
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