Der Genügsame

[252] »Forschung des Wahren, geb' ich dir mich ganz hin:

Ernt' ich Kentniss, die mir den Geist erhellet,

Löscht des Herzens Durst; zwar nicht Garben ernt' ich,

Aber doch Halme.


Lass mir den Stern, der dir auf deinem Scheitel

Funkelt, Hesperus gleich erscheinen, dass ich

Froh im Suchen bleibe, und nicht zu wenig

Finde der Hahne.


Sende mir deinen Blutsfreund, den, o theure

Du mit Innigkeit liebst, dass er mir treuer,

Wacher Leiter sey, dass er streng mir sey, der

Warnende Zweifel.
[253]

Ihm ist ein Wechselbalg, der Tiefsinn lüget,

Jetzo untergeschoben, der Gedanken

Spinnwebt, der das Licht, das herab du strahlst, kunst-

Wörtelnd umdünstet.


Weise! beschütze vor dem blauen Balge,

Wer selbst denket, und nicht grossäugig anstaunt,

Schülert; wer die Kentniss nicht nur, das Gut' auch

Liebt, und das Schöne.«


Also erscholl im deutschen Eichenhaine,

Mit Begeisterung, eines Jünglings Stimme,

Und mit Kälte; leuchtender ward ihm da, ward

Röther die Frühe.


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 2, Leipzig 1798, S. 252-254.
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