Das Fest

[271] Öfn', o Teutona's Genius, dem Deutschen die Augen,

Dass er sehe den Gränzungskreis,

Den du machtest für ihre beneidete Bildsamkeit, liebend

In den gemessenen Raum sie riefst.

Weise massest du ihn; und mit Seele schaute dein Blick hin,

Da du führtest den goldnen Stab.

Hörst du mein Flehen; so feyr' ich dir ein Fest an dem Tage,

Welcher den Deutschen Luthern gab;

Lasse des Auslands Sprachen vor dir in Tänzen vorüber

Muthiger fliegen, oder gehn,

Wenn ihr Leben sich senkt. Sie tanzen dann alle mir ihrer

Haltung und Mine, mit ihrem Schwung,[272]

Ingles, und Hesperide, und Galliett', und Teutona's

Schwestern, mit ihr gleichaltes Stams.

Flöten ertönen! Ich seh den Genius schon in der Halle

Stehn, und der Tänzerinnen Flug

Mit dem Blicke begleiten. Den Sinn des Blickes bespähet

Manche gewendete Tänzerin.

Denn sie haben gehört von Teutona's strömenden Fülle,

Und der lebenden tiefen Kraft,

Die sie beseelet, gehört von dem Gränzungskreis', und dass weit sich

Schwingen dürfe die Bildsamkeit!

Aber sie hörten es halb nur; und vor dem bemerkenden führen

Sie mit Stolze den Reigen fort!

Guter Genius, edler, ich weiss, wenn du lächelst, und weiss es,

Wenn auf der Stirne du Tadel wölkst:

Aber ich schweige. Die Zeit thut einst des bemerkenden Spruch kund;

Und dann schwindet, was Blendung war.


Quelle:
Friedrich Gottlieb Klopstock: Oden, Band 2, Leipzig 1798, S. 271-273.
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