Siebenter Auftritt


[106] Der Major – die Vorigen.


MAJOR welcher im Hereintreten den Namen der Madam Müller hat nennen hören. War hier nicht die Rede von Madam Müller?

BITTERMANN in einiger Verlegenheit. Ja, so vel quasi.

MAJOR. Lotte, sage Sie meiner Schwester, ich wünschte mit ihr zu sprechen, sobald der Teetisch abgeräumt worden.

LOTTE ab.

MAJOR. Darf man erfahren, was gesprochen wurde?

BITTERMANN. Wir sprachen so hin und her, dies und jenes, herüber und hinüber.[106]

MAJOR. Bald sollt' ich vermuten, es stecke ein Geheimnis dahinter.

BITTERMANN. Ein Geheimnis? Behüte der Himmel! Da müßt' ich Briefe haben. Nein, es bleibt alles in den Grenzen der Publizität.

MAJOR. Um so eher darf ich bitten, teil am Gespräche zu nehmen.

BITTERMANN. Viel Ehre, Hochwohlgeborner Herr Major, viel Ehre! Je nun, wir machten anfänglich einige ganz alltägliche Bemerkungen. Die hochedle Mamsell vermeinte, jeder Mensch habe seine Fehler, und da sagte ich ja. Bald darauf merkte ich an, daß auch der beste Mensch auf der Welt seine kleinen Schwachheiten habe, und da sagte die Mamsell ja.

MAJOR. Ist das eine Einleitung in die Fehler und Schwachheiten der Madam Müller, so bin ich begierig mehr zu hören.

BITTERMANN. Ja, lieber Gott! Madam Müller ist wohl eine kreuzbrave Frau, aber sie ist doch auch noch lange kein Engel. Als einem alten treuen Diener des Hochgräflich Winterseeischen Hauses, liegt es mir ob, der gnädigen Herrschaft allerlei ins Ohr zu raunen, was den Einkünften merklichen Schaden und Nachteil bringt.

MAJOR neugierig. Nun?

BITTERMANN. Der Herr Graf zum Beispiel wird denken, er habe da zum wenigsten noch ein vierzig bis funfzig Bouteillen von dem alten sechsundzwanziger Rheinwein im Keller liegen. Ja prosit die Mahlzeit! Kaum zehn oder funfzehn mögen noch übrig sein. Über meine Zunge ist nicht ein Tropfen gekommen, nicht einmal an hohen Festtagen.

MAJOR lächelnd. Madam Müller wird ihn doch wohl nicht ausgetrunken haben?

BITTERMANN. Sie selbst nun wohl eben nicht; denn sie trinkt keinen Wein. Aber wenn ein Kranker im Dorfe ist, der sich doch wohl mit einem Schluck Branntewein behelfen könnte, da schickt sie flugs eine Flasche von dem köstlichen Sechsundzwanziger hin. Ich habe ihr verschiedentlich und wiederholentlich Vorstellungen darüber gemacht; aber sie antwortet mir immer ganz schnippisch: »ich will es schon verantworten.«

MAJOR. Ich auch, lieber Herr Bittermann.

BITTERMANN. In Gottes Namen! Mich geht es nichts an. Ich habe dem Keller zwanzig Jahre lang vorgestanden; von mir[107] haben die Armen nicht einen Tropfen bekommen. – Und wenn sie auf der einen Seite verschwendet, da knausert sie wieder auf der andern zur unrechten Zeit. Als ich im vergangenen Herbst einen Brief aus Ungarn erhielt, in welchem man mir die Einnahme von Novi durch den Feldmarschall Laudon meldete, da wollt' ich, als ein Mitglied des heiligen römischen Reichs, meine Freude an den Tag legen. Ich bat den Herrn Pfarrer und den Herrn Gerichtshalter zu mir, um in Fröhlichkeit des Herzens ein paar Flaschen alten Wein mit ihnen auszustechen. – Denken Sie nur, Hochwohlgeborner Herr Major, da speis'te sie mich mit Frankenwein ab.

MAJOR. Unerhört!

BITTERMANN. Man kann überhaupt gar nicht aus der Frau klug werden. Der Umgang der Frau Pastorin und der Frau Gerichtshalterin ist ihr nicht gut genug, und dann sitzt sie doch zuweilen wieder mitten unter den Bauerweibern. Wir beide vertragen uns noch so ziemlich; denn, unter uns, sie hat ein Auge auf meinen Peter geworfen.

MAJOR. Ei, ei!

BITTERMANN. Ja, der Peter ist ein vertrackter Junge; er lernt vom Schulmeister schreiben. Wenn der Hochwohlgeborne Herr Major Belieben tragen, ein Pröbchen zu sehen; er malt seine Buchstaben, daß es eine Art hat.

MAJOR. Ein andermal, lieber Herr Bittermann, ein andermal. Für jetzt empfehle ich mich Ihnen. Bittermann verbeugt sich ohne zu gehen; der Major blättert in einem Buche, das auf dem Tische liegt. Ich finde da eben ein sehr interessantes Buch. Wirklich, das muß ich lesen; leben Sie wohl!

BITTERMANN ohne den Wink zu verstehen. Untertäniger Diener.

MAJOR. Das ist zu arg. Herr Verwalter, ich wünschte allein zu sein.

BITTERMANN. Der gnädige Herr haben zu befehlen. Wenn Ihnen einmal die Zeit lang werden sollte, und Sie wünschten, die neuesten Neuigkeiten vom ungarischen Kriegstheater zu erfahren, so dürfen Sie sich nur an mich wenden. Ich habe Briefe –

MAJOR. Schon gut.

BITTERMANN indem er mit vielen Verbeugungen abgeht. Briefe aus dem Banat, Briefe von der türkischen Grenze, Briefe aus Rußland, Briefe vom Pacha von Scutari – Ab.[108]

MAJOR. Unerträglicher Schwätzer! – Doch nein! Sprach er nicht von Madam Müller? Verziehen sei ihm seine politische Wut!


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 106-109.
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