[388] Vorige – Adolph stößt in der Türe auf die Abgehenden.
ADOLPH. Ha! Mein Vater hier?
Zugleich.
HENRIETTE. Sein Vater?
STEIN. Sein Vater?
GRAF beiseite. Da haben wir's!
ADOLPH. O ich errate, warum er hier ist. Gewiß kam er auf meine Bitte.
GRAF beiseite. Nichts weniger.
ADOLPH. Um sich selbst von Henriettens hohem Werte zu überzeugen, um zu sehen, ob nicht bloß Leidenschaft mich blende?
GRAF. Ja, ja – allerdings!
STEIN. Herr Graf! Wir sind arme, ehrliche Leute, durch Geburt und Herz Ihrer Verbindung würdig; durch Rang und Reichtum tief unter Ihnen.
GRAF. Ich weiß, – ich weiß. Beiseite. Da bin ich schön in der Klemme!
ADOLPH. O Sie kennen meinen Vater nicht, wenn Sie seinen Edelmut bezweifeln.
HENRIETTE. Herr Graf! – ich bin so beschämt!
GRAF. Nun ja, das fehlte noch!
HENRIETTE. Ich sehe nun wohl ein, daß Sie mich bloß prüfen wollten –
GRAF. Ich bitte Sie, mein Fräulein, kein Wort mehr davon!
HENRIETTE. Der Ton, welchen Sie gegen mich erkünstelten –
GRAF. Vergessen sei alles, wozu die väterliche Besorgnis mich verleitete!
HENRIETTE. Ich Törin konnte glauben –
GRAF. Hören Sie auf, mein Mißtrauen zu bestrafen![388]
STEIN. Ich will nicht hoffen, Schwester, daß dein Betragen gegen den Herrn Grafen einer Entschuldigung bedarf?
GRAF. Keinesweges! Wir haben uns nur wechselseitig nicht gekannt.
ADOLPH. O mein Vater! Sie sind die Güte selbst. In dem Augenblick, wo Sie Ursache hatten, über mich zu zürnen –
GRAF. Schon gut; es ist vergessen.
ADOLPH. Da ich auf der Bastei –
GRAF. Genug, mein Sohn! Ich will nichts weiter davon hören.
ADOLPH. In dem nämlichen Augenblick faßten Sie den Entschluß, mein Glück zu befördern –
GRAF. Es freut mich, wenn du das erkennst!
ADOLPH. Sie kamen hierher mit dem edelsten Vorsatz –
GRAF. Nun, nun, laß es nur gut sein!
ADOLPH. Sie scheuten sich nicht in Ihrem Alter vier Treppen hoch heraufzusteigen.
GRAF. Da siehst du, was ein Vater für sein Kind tut.
ADOLPH. Mit der Wärme eines Vaters, und der Vorsicht eines Greises erforschten Sie das Herz meiner Henriette.
GRAF. Ja, ja, ich habe es erforscht.
ADOLPH. Und was fanden Sie? Liebreiz des Körpers und Adel der Seele?
GRAF. Beides! Beides!
ADOLPH. Die Art, wie Henriette Sie empfangen, gestehen Sie, mein Vater, Sie hatten das kaum erwartet.
GRAF. Du hast recht! – ich zweifelte.
ADOLPH. Aber nun, – verschwunden ist jeder Zweifel – ich darf hoffen, – bester Vater – ich hoffe!
GRAF beiseite. Was soll ich machen? Verdammte Situation!
ADOLPH. Sprechen Sie das Glück meiner Zukunft mit einem Worte aus! Nennen Sie dies holde Mädchen Tochter!
GRAF geht auf Henrietten zu und bietet ihr die Hand. Wollen Sie mich zum Vater? Henriette will ihm die Hand küssen, er zieht die Hand weg. Einen Kuß!
HENRIETTE. Von ganzer Seele!
GRAF wirft sie Adolph in die Arme. Da! Küssen Sie den da von ganzer Seele! Stumme Umarmung der beiden Liebenden. Stein dankt Gott gerührt und umarmt sie beide. Graf beiseite. Ein alter Fuchs wird auch zuweilen gefangen.
EINE MAGD bringt Stein ein Billett. Ein Bedienter brachte dies! Ab. Stein öffnet es und liest heimlich.
ADOLPH. Und nun, bester Vater. Meine Braut darf hier nicht[389] länger wohnen. Es ist weder bequem, noch schicklich. Ihre künftige Schwiegertochter muß mit Anstand in der Welt erscheinen. Nicht wahr?
GRAF. Allerdings!
ADOLPH. Der linke Flügel Ihres Hauses ist leer.
GRAF. Ich verstehe dich!
ADOLPH. Darf ich? Darf ich sie hinbringen?
GRAF. Nein, das muß ich tun. Ich muß das schöne Kind in mein Haus einführen, und zwar noch diesen Abend, wenn ihr es anders gefällig ist.
ADOLPH. Liebe Henriette!
HENRIETTE. Das Andenken an diese kleine Wohnung wird mir doch immer sehr wert bleiben.
GRAF. Aber ich bin zu Fuße.
ADOLPH. Mein Wagen ist hier.
GRAF. Desto besser! Er ist nur zweisitzig. Ich fahre, und du trabst zu Fuße nebenher.
ADOLPH. Was gilt die Wette, ich bin doch früher zu Hause? Meine Henriette aus dem Wagen heben, sie die Treppe herauftragen, das lasse ich mir nicht nehmen.
GRAF. Aber habt ihr auch bedacht, was daraus folgt?
ADOLPH. Freude und Fröhlichkeit.
GRAF. In acht Tagen muß eure Hochzeit sein.
ADOLPH. Vortrefflich!
HENRIETTE. So früh?
GRAF. Kind, wenn wir unter einem Dache wohnen, und es länger dauert, so stehe ich Ihnen weder für diesen Buben, noch für mich selbst. Kommen Sie!
Faßt Henrietten unterm Arm und geht.
ADOLPH zu Stein. Komm, Bruder!
STEIN der über das Billett in Nachdenken geriet. Nur noch einen Augenblick! Ich habe da ein Billett empfangen, – ich weiß nicht – geh nur – geh nur! ich folge sogleich!
ADOLPH. Ich bin trunken, berauscht! Wenn ich nur die Treppen nicht hinabpurzle! Ab.
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