[401] SABINE allein. Sie liest flüchtig. »Neues Schauspiel –« – was kümmerts mich? – »Die Schleppen werden jetzt sehr lang getragen« – wer will das wissen? – »englische Strohhüte« – wer hat darnach gefragt? – Wie? – schon zu Ende? – Keine Silbe von ihm? – Freilich hab' ich ihm[401] verboten, mir selbst zu schreiben, das schickt sich nicht. Aber er versprach doch durch die Cousine – und auch die Cousine versprach – warum hat denn keines Wort gehalten? – bin ich schon vergessen? – er wollte ja selber kommen, mit Empfehlungsschreiben vom Minister? und nun kömmt er nicht, und schreibt auch nicht. Er weiß doch, daß ich den Sperling heiraten soll. Der Vater quält mich, die Großmutter quält mich, und nun werd' ich auch noch von ihm gequält! – Sie zerreibt den Brief zwischen den Händen. Es geschieht dir schon recht. Man hat dich genug vor den jungen Herren aus der Residenz gewarnt. Sie verlieben sich in einem Tage dreimal, und wenn sie abends in die Komödie gehn, wissen sie schon nichts mehr davon. – Aber Karl! Karl! auch du ein Alltagsmensch? auch du nur ein Schönschwätzer? Sie zieht ein Portrait aus der Tasche. Können diese edlen Züge täuschen? – mit diesem Blicke schwur er mir, in wenig Wochen selbst zu kommen, und meinen Vater zu gewinnen. Sind fünf Wochen wenig? muß ich ihm vorrechnen, daß sie aus fünfunddreißig ewig langen Tagen bestehn? – O Karl! eile! sonst bin ich für dich verloren. Sie betrachtet wehmütig das Bild.
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Die deutschen Kleinstädter
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