Zwölfte Szene

[414] Frau Staar und Frau Brendel.


FRAU BRENDEL. Da bin ich liebwerteste Frau Muhme. Ich bin gelaufen, ich habe keinen Atem mehr – ich war eben erst bei meiner siebenten Tasse Kaffee, aber ich habe alles stehn und liegen lassen –

FRAU STAAR. Sehr verbunden, hochgeschätzte Frau Muhme. Wissen Sie schon –

FRAU BRENDEL. Ach ich weiß alles! Meine Magd war im Fleischscharren, da hat der Fleischer erzählt, sein Nachbar, der Leineweber, habe gehört, wie der Ratsbote zu seiner Tochter gesagt hat: Mieke, hat er gesagt, draußen im Steinbruche[414] liegen ein paar Grafen, die haben Arme und Beine gebrochen und werden gleich hier sein. Der Türmer wird blasen, die Kinder werden Blumen streuen, der Magistrat in corpore wird ihnen entgegenziehn, und die Glocken werden geläutet.

FRAU STAAR. Es ist nur einer, Frau Muhme, nur einer liegt draußen im Steinbruch, vermutlich ein vornehmer Herr. Bei uns wird er logieren. Der Minister hat selber geschrieben, und hat meinen Sohn um Gottes willen gebeten. Nun können Sie denken, Frau Muhme, was für ein Rumor hier im Hause ist. Und alles liegt auf mir! Alles auf mir!


Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 414-415.
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