[415] Frau Morgenroth – Die Vorigen.
FRAU MORGENROTH. Gehorsame Dienerin, meine teuerste Frau Muhme! sehn Sie nur wie ich schoffiert bin. Ich komme doch nicht zu spät? Mit Erlaubnis zu reden, ich war fast noch im Hemde, singe mein Morgenlied und kämme den Mops. Beim dritten Verse stürzt Ihre Magd herein, je du mein Gott! ich denke, das Haus brennt. Da bin ich aufgesprungen, der Mops ist mir vom Schoße gefallen, das Gesangbuch in die Kohlpfanne, wo ich meinen Kaffee wärmte, der Kaffee ist in die Kohlen geflossen, und von dem Liede, Wach auf mein Herz und singe sind zwei Verse verbrannt.
FRAU STAAR. Ich bedaure unendlich, wertgeschätzte Frau Muhme –
FRAU MORGENROTH. Hat nichts zu bedeuten. Ich weiß schon alles. Draußen im Steinbruche liegen drei oder vier Prinzen, der eine ist tot, der andere schnappt nur noch ein bißchen. Der Kutscher hat den Hals gebrochen, und die Pferde strecken alle viere von sich. Der Herr Amtsadvokat Balg ist mir auf der Straße begegnet, der hat es von seiner Köchin, die weiß es von der Frau Lotterieinspektorin, der hat ihres Mannes Balbier alles umständlich er zählt.
FRAU STAAR. Nun, nun, so gar gefährlich ist es doch nicht. Vor einer kleinen Weile kam ein Bauer von Rabendorf –
FRAU BRENDEL. Ich weiß, der hat einen harten Taler zum Trinkgelde bekommen.
FRAU MORGENROTH. Nicht doch, Frau Gevatterin, ein Louisd'or soll es gewesen sein.[415]
FRAU STAAR. Der war gelaufen was er konnte –
FRAU BRENDEL. Er soll das Milzstechen bekommen haben.
FRAU MORGENROTH. Auch Nasenbluten.
FRAU STAAR. Ein vornehmer Herr hat den Wagen gebrochen.
FRAU BRENDEL. Ein Graf –
FRAU MORGENROTH. Etliche Prinzen.
FRAU STAAR. Das wissen wir noch nicht. Vornehm muß er sein, denn er logiert nicht in der goldenen Katze, sondern bei uns, auf ausdrückliches hohes Begehren. Nun, da mein Sohn, der Bürgermeister auch Oberälteste, die Erste Person in der Stadt gleichsam repräsentiert, so begreifen Sie wohl, liebwerteste Frau Muhme, daß er seinem Range Ehre machen muß.
FRAU BRENDEL. Ein Schmaus auf dem Rathause –
FRAU MORGENROTH. Ein Tanz auf der Schützengilde.
FRAU STAAR. Morgen ist das große Fest wie Sie wissen.
FRAU BRENDEL. Ach ja das Weib, das vor neun Jahren die Kuh stahl! –
FRAU MORGENROTH. Morgen steht sie am Pranger. Ich freue mich ungemein darauf.
FRAU BRENDEL. Ich habe mir eine ganz neue Roberonde dazu machen lassen.
FRAU STAAR. Da ist nun ohnehin schon allerlei zu dieser Feierlichkeit veranstaltet. Aber heute ruht die Ehre der Stadt auf uns allein; heute müssen wir traktieren, und das wollen wir denn auch mit Gottes Hülfe. Die Tische sollen sich biegen unter Gottes Segen. Meine wertgeschätzten Frau Muhmen sind auch dazu eingeladen.
FRAU BRENDEL. Ist mir eine große Ehre –
FRAU MORGENROTH. Werde nicht ermangeln.
FRAU STAAR. Nun wünscht' ich aber doch den fremden Herrn mit den Honoratioren unserer Stadt bekannt zu machen. Da hab' ich mir denn nun Ihren guten Rat erbitten wollen, wer etwa noch einzuladen wäre?
FRAU BRENDEL nachdenkend. Je nun, ich dächte –
FRAU MORGENROTH. Sie könnten etwa –
FRAU BRENDEL. Den Herrn Geleits- und Landakziskommissarius Kropf –
FRAU STAAR. Nein, Frau Muhme, der hat neulich an seiner Mutter Geburtstage einen Schmaus gegeben, und hat uns nicht dazu gebeten.
FRAU BRENDEL. Ah so![416]
FRAU MORGENROTH. Etwa den Herrn Supernummerarius-Rentkammerschreiber Wittmann?
FRAU BRENDEL. Nein, Frau Muhme, mein seliger Mann hatte einen Prozeß mit seinem Schwiegervater wegen einer Dachrinne.
FRAU MORGENROTH. Ah das ist ein andres.
FRAU STAAR. Ich denke den Herrn Generalpostgüterbeschauer Holbein?
FRAU MORGENROTH. Um Gottes willen nicht Frau Muhme! der hat eine unausstehliche Frau! fast alle Sonntage ein neues Kleid. Das rauscht an den Kirchenstühlen vorüber –
FRAU BRENDEL. Das trägt die Nase so hoch –
FRAU MORGENROTH. Und man kennt sie doch noch recht gut –
FRAU BRENDEL. Jawohl, wie sie das graue Leibchen mit der grünen Schürze trug.
FRAU MORGENROTH. Man munkelt auch allerlei, woher sie es nimmt.
FRAU BRENDEL. Nein, da möcht' ich lieber den Herrn Kreistrank- -schock- und -quatembersteuer- auch -imposteinnehmer Runkel vorschlagen.
FRAU STAAR. Mit dem bleiben Sie mir vom Leibe, Frau Muhme; der ist ein Grobian! Glauben Sie wohl, daß er uns ordentlich besucht hat? Der Naseweis! eine Karte hat er abgegeben, eine Visitenkarte. – Eher könnte man den Herrn Floßstrafbefehlshaber Weidenbaum bitten.
FRAU BRENDEL. Ja nicht, Frau Muhme, ums Himmels willen nicht! Sie wissen doch, daß der böse Mensch dreimal mit meines Schwagers Stieftochter gesprochen hat, und daß er sie folglich heiraten wollte? Nun ist er weggeblieben, und hat das arme Mädchen ins Gerede gebracht.
FRAU STAAR. Ja du lieber Gott! wen sollen wir denn aber bitten?
FRAU MORGENROTH. Da kömmt der Herr Vetter Sperling.
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