3. Auftritt.

[7] Soliman. Mehmed Sokolowitsch.


MEHMED.

Mein Herr und Kaiser rief nach seinem Diener,

Und seines Winks gewärtig steh' ich hier.

SOLIMAN.

Gib den Befehl zum Aufbruch, Großwesir!

Die Zeit ist kostbar, der Entschluß ist reif;

Die frische That soll ihre Kraft bewähren!

MEHMED.

So schnell, mein Kaiser?

SOLIMAN.

Ist man je zum Sieg

Zu früh gekommen? – Wer am Ende steht

Wie ich, der weiß der Stunde Glück zu schätzen.

Auch an des Großherrn heil'ge Majestät

Wagt es die Zeit die starke Hand zu legen,

Auch eines Kaisers Heldenlocke bleicht! –

Drei Dinge will ich noch vollendet wissen,

Und ist mir sonst das Schwerste wohl gelungen,

Es gilt mir wenig, wenn des Schicksals Spruch

Und meines Lebens abgelaufne Kette

Die letzten Wünsche tückisch mir versagt. –

Der Tempel Gottes muß vollendet stehn,

Den ich in meiner Kaiserstadt gegründet;

Gleichwie der Wasserleitung kühner Bau,

Ein Werk, das große Namen schon verherrlicht

Und späten Enkeln sagt: wie sich der Bogen

Verwegen über seine Thäler schlägt,

So warf der Held, des Name ihn bezeichnet,

Das Los der Kriege über Völkerschictsal,

Den Weg sich bahnend zur Unsterblichkeit!

MEHMED.

Wenn dich sonst nichts an dieses Leben knüpft,

Das du mit deiner Thaten Glanz erfülltest,

So weint die Welt bald um den größten Mann,

Den sie in ihren Kreisen je bewundert;

Denn die Moschee wölbt schon ihre Kuppel,

Ein achtes Wunder, der Vollendung zu,

Und wenig Sonnen wirst du nur begrüßen,

Bis dir die Nachricht kommt, der Riesenbau

Der stolzen Aquädukte sei geendet. –

Doch, Herr, dein dritter Wunsch? – O, nicht so klein

Begrenze das Gelüste deines Herzens![7]

Erdenke dir das kühnste Heldenwerk,

Wo Menschenalter noch verwesen müssen,

Bis es vollendet in das Leben tritt –

Du hast des Schicksals Donner dir gewöhnt,

Du hast dem Glücke Achtung abgezwungen:

Mach' das Unmögliche zu deinem Ziel,

Die Zeit wird deinen Heldenstarrsinn ehren

Und reißt dich nicht aus deiner Siegerbahn,

Bis du auch diese Lorbeern dir errungen.

SOLIMAN.

Mein dritter Wunsch ist das erstürmte Wien!

Mit seinen Mauern ist der Weg gebrochen,

Der in das Herz der deutschen Christenheit

Den halben Mond durch blut'ge Siege führt.

Dann tret' ich willig aus dem Heldenleben,

Den Söhnen öffn' ich eine stolze Bahn.

Das kommende Jahrhundert will auch Thaten.

Nur halb bezwungen erben sie die Welt,

Die andere Hälfte mag ihr Schwert erkämpfen. –

Jetzt gilt es Wien! Ruf mir des Heeres Fürsten,

Daß ich mit euch den Siegerzug berate;

Denn schneller That bedarf die flücht'ge Zeit.

MEHMED.

Sie harren, deines Herrscherwinks gewärtig,

Im Vorgemach auf ihres Kaisers Ruf.

SOLIMAN.

Wer alles?

MEHMED.

Mustafa von Bosnien,

Der Ali Portuk, Ibrahim.

SOLIMAN.

Die ruf mir! –

Versuchte Helden sind's durch lange Zeit.

Die Stimmen zählt man nicht in solcher Stunde.

Man wägt die Stimmen nach dem innern Werte;

Der Starke nur spricht ein entscheidend Wort. –

Ruf mir die Fürsten!


Mehmed geht ab.


SOLIMAN allein.

Alter, kühner Geist! –

So lange nur bleib deinem Helden treu,

Und mit dem Siegesdonner magst du scheiden! –


Quelle:
Theodor Körner: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 3, Stuttgart [o.J.], S. 7-8.
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