[60] Vorige. Zriny Juranitsch.
ZRINY.
Mein teures Weib! Mein Kind!
EVA UND HELENE.
Willkommen, Vater!
JURANITSCH.
Helene![60]
HELENE.
Juranitsch! So finden wir uns hier?
EVA.
Ihr habt gesiegt, der Sturm ist abgeschlagen,
Den sie in trunkner Raserei gewagt?
ZRINY.
Diesmal war's Ernst. Solch ungeheuer Blutbad
Hab' ich in allen Schlachten nie gesehn.
Dem Lorenz dank' ich 's Leben.
JURANITSCH.
Ich dir auch!
Es hielt dein Schild des Türken Streiche auf,
Die rachedurstig meinem Haupte galten,
Als ich den Janitscharen niederstieß,
Den Bluthund, der auf dich schon angeschlagen.
EVA.
So hatten sie die Mauern schon erklimmt?
ZRINY.
In trunknem Taumel stürmten sie die Wälle,
Und mancher Waghals schwang sich kühn herauf
Und pflanzte schon den Roßschweif auf die Zinne;
Da rief ich schäumend meine Ungarn an
Und warf wich wütend unter die Barbaren;
Wir stürzten sie hinab, und Tausende
Zerschmetterten am Felsen ihre Glieder.
Ein Fürst des Heeres fiel, die Türken flohen,
Wir sandten unsre letzten Donner nach
Und jauchzten Gott den Siegesdank entgegen!
JURANITSCH.
Der Sieg ist unser, aber schwer erkauft!
Der Edlen viele zahlten mit dem Leben.
ZRINY.
Heut oder morgen, Sohn! Sie starben doch
Im Jubelrausch des vaterländ'schen Sieges.
Beneide sie! die Klage wäre Sünde.
JURANITSCH.
Den schönsten Tod sah ich den Batha sterben.
Der alte Held war, ganz erschöpft vom Kampf,
Ins Knie gesunken, eine türk'sche Lanze
Hatt' ihm die rechte Achsel schmer verletzt;
So lag er da und wehrte des Verbandes
Und schaute seines Blutes Rieseln zu.
Da riefst du, Zriny, neuen Sturms gewärtig,
Und eh ich mir den Helm aufs Haupt geworfen
Und kampfgerüstet nach dem Säbel griff,
Sah ich ein paar verwegne Janitscharen,
Die mit dem Roßschweif in verfluchter Hand
Sich auf des Walles Mauern schon geschwungen;
Rasch spring' ich auf sie los; doch Batha war,
Der greise Held, schon vor mir, packte sie
Mit beiden Fäusten an der Brust und stürzt sich
Den Wall hinab und reißt sie mit hinunter.
ZRINY.
Ein solcher Tod ist tausend Leben wert! –
Nun, Herr und Gott, du wirst mich nicht vergessen![61]
EVA.
Wie lange noch kannst du dich halten?
ZRINY.
Weib,
Du fragtest nie mich um ein schlimmer Wort!
HELENE.
O sag's uns frei: wie lange noch?
ZRINY.
Bis morgen.
HELENE.
Gott! Morgen schon? Mein Juranitsch!
JURANITSCH.
Helene!
Wo ist der Mut, den du mir zugesagt?
ZRINY.
Ich hab' in diesen Tagen viel verloren,
Nur noch sechshundert zählt sich meine Schar.
Der Hunger wühlt schon unter unsern Brüdern,
Der ganze Vorrat ist in Feindes Hand,
Er ging uns mit der Altstadt längst verloren;
Zwei Stück Geschütz befehl' ich hier, mehr nicht,
Die Mauern drohen uns den Einsturz, Feuer
Hat schon das alte Schloß ringsum ergriffen;
Denn unaufhörlich schleudert Ali Portuk
Die Brandraketen zündend uns herauf.
Hier in dem neuen Schlosse fehlt's an allem;
Bald, – denn wir halten's keine Stunde mehr, –
Wenn sie noch einmal stürmen, ist das alte
In Feindes Hand, wir sind zurückgeworfen
In diese engen Mauern, können uns
Kaum noch zween Tag' mit Glück verteid'gen, müssen,
Auch wenn der Feind uns nimmer drängen möchte,
Zuletzt verhungern und verbrennen! Nein,
So sterb' ich nicht! Drum fall' ich morgen aus,
Will Bart an Bart und Brust an Brust noch kämpfen;
Tod um mich schmetternd, such' ich mir den Tod!
EVA.
Und wir? Dein Weib und deine Tochter?
ZRINY.
Kinder,
Für euch hab' ich gesorgt. – Tritt näher, Scherenk! –
Der alte Franz hat einen Pfad erkundet:
Ein Kellergang führt hier aus dem Gewölbe
In dunkler Windung bis zum See hinab;
Von da habt ihr nur hundert Schritt zur Waldung.
Und während hier der Türke rasend stürmt,
So eilt ihr ungesehn beim Morgengraun
Auf sicherm Pfad zu eures Kaisers Heer
Und sagt ihm: Zriny sei als Mann gefallen,
Und das erstürmte Sigeth sei sein Grab. –
Befürchtet nichts, 's ist alles gut bereitet;
Der Juranitsch begleitet eure Flucht.
JURANITSCH.
Nein, Graf, das thut er nicht![62]
ZRINY.
Wie, Sohn? Du wolltest
Die Mutter nicht, die Braut dir nicht erretten?
JURANITSCH.
Du hast mich aufgezogen neben dir,
Hast mich gelehrt, des Säbels Wucht zu führen,
Hast Pflicht und Ehre mir ins Herz gegraben,
Hast mir dein Teuerstes, dein Kind, geschenkt,
Und willst mich jetzt zur feigen Schande zwingen?
Willst nicht das Schönste, deinen Heldentod,
Mit deinem Lorenz, deinem Sohne, teilen?
Nein, Vater nein! Das kannst du nicht, bei Gott!
Das darfst du nicht! Ich bin Soldat des Kaisers
Geschworner Hauptmann; wo der Führer fällt,
Darf ich nicht leben!
ZRINY.
Wackrer Held! Und doch,
Doch mußt du fort! Sieh jene Weinende!
's ist deine Braut, sie hat von dir ein Leben
Voll Freudenglanz und Liebesglück zu fordern.
Sohn, du mußt leben und die Schuld bezahlen,
Die du an dieses Herz verpfändet hast.
JURANITSCH.
Zuerst muß ich die größre Schuld bezahlen,
Mit der ich meinem Volk verfallen bin.
Mein Herz, mein Lieben, mein Gefühl und Denken,
Das, süße Braut, ist dein und soll es bleiben;
Doch, was man Leben nennt, die Spanne Zeit,
Die ich auf dieser Erdenwelt veratme,
Das ist des Vaterlandes Eigentum.
Mein Lieben ist ja ewig, drüben kann ich
Dein sein, dein ungestört, dein ganz allein;
Doch dies Gefühl für mein verwandtes Volk,
Es endigt sich mit meinem letzten Kampfe.
Was ich ihm also danke, das muß ich
Noch hier in diesem Leben ihm bezahlen
Und will es auch! – dort find' ich meine Braut
Und darf ihr freudig dann entgegentreten,
Denn keine Schuld ließ ich hier ungetilgt. –
Flieht ohne mich und denkt – seid ihr gerettet –
Im sanften Schmerz der Thränen auch an mich,
Der euch so heiß, so warm geliebt und doch
Den ganzen Traum des Glückes hingeworfen,
Weil es das Wohl des Vaterlandes galt. –
Ihr weint? – Ich kränkte euch? – Ich wollt' es nicht.
Glaub' mir, ich liebe kälter nicht wie du,
Doch eben darum bring' ich dieses Opfer.
Daß ich dem Tod mich weihte, gilt nicht viel,
Mein Leben schlug ich oft schon in die Schanze;[63]
Doch daß ich's that mit diesem Recht an Glück,
An Seligkeit und höchste Erdenwonne,
Das war des Kampfs, das war des Preises wert;
Mein Vaterland sei stolz auf dieses Opfer!
ZRINY.
Du bleibst, mein Juranitsch! Wir gehn vereint,
Der Sohn an seines Vaters Hand, zum Tode! –
Du hältst dich fertig, Scherenk, wähle dir
Noch zween handfeste Knechte aus; sobald
Der Morgen graut, sei zu der Flucht gerüstet.
SCHERENK.
Herr, ich gehorche!
EVA.
Nein, mein teurer Mann!
So tief wirst du dein Weib nicht sinken lassen.
Ich weiche nicht von dir! Ich sterbe mit dir!
An deinem Herzen ist mein Platz, da soll
Des Janitscharen Kugel mich durchbohren.
Glaub' nicht, ich sei zu schwach; gib mir ein Schwert,
Und neben dir will ich als Heldin fallen!
ZRINY.
Und deine Tochter?
EVA.
Liebt sie nicht wie ich?
Liebt sie nicht diesen kühnen Heldenjüngling?
Kann sie nicht sterben? Ist sie nicht mein Kind,
Dein Kind? Und Zriny fragt noch, was sie sollte?
HELENE.
Ja, sei barmherzig, Vater! Dieser Tod,
Dem du mit froher Brust entgegentrittst, –
Kannst du ihn grausam deinem Kind verweigern?
Freut dich's, uns noch durch jahrelange Qual
In jammerndem Verschmachten hinzuwürgen,
Gemartert von der wilden Sehnsucht, euch
Als Sieger bald dort oben zu begrüßen,
Bald die Genossen eures Lichts zu sein?
EVA.
Zriny, sei nicht zum erstenmale grausam!
Verstoß uns nicht aus deinem schönsten Siege
Und nimm uns zur Verklärung mit hinauf!
HELENE.
Ja, laß uns sterben! Was gilt uns die Sonne?
Um Thränenaugen ist's doch ew'ge Nacht!
Was dich begeistert, soll uns nicht entzücken? –
O laß uns mit dir sterben! – So vereint
Ziehn wir der bessern Heimat freudig zu
Und tragen aus der Nacht, in der wir schweben,
Die ew'ge Liebe in das ew'ge Leben!
JURANITSCH.
Gott! welche Frauen, welche Herzen! – Vater,
Du kannst nicht widerstehn, du kannst es nicht! Laß uns
Zusammen sterben, Vater!
EVA UND HELENE.
Laß uns sterben![64]
ZRINY verklärt.
An meine Brust! Kommt an des Vaters Brust!
Ihr habt gesiegt! – Mag mich die Welt verdammen,
Gott wird es nicht! – Jetzt sterben wir zusammen!
Der Vorhang fällt während der Gruppe.
Ausgewählte Ausgaben von
Zriny
|
Buchempfehlung
Die Geschichte des Gaius Sempronius Gracchus, der 123 v. Chr. Volkstribun wurde.
62 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro