[25] Die Vorigen. Franz von Sickingen.
FRANZ schnell eintretend.
Guten Morgen, Kind!
MARIE ihm an den Hals springend.
Geliebter Vater!
FRANZ sie betrachtend.
Blitzmädel das! Wie hübsch sie ist! Gib mir
'nen Kuß, du muntres Ding.
MARIE küßt ihn.
Wie gern! Ihr schaut
Ja heute sehr vergnügt. Wie freut mich das!
FRANZ.
Ich habe einen tüchtgen Morgenritt
Getan, da hat der Wind mich frisch gekühlt.
Guten Morgen, Balthasar!
BALTHASAR.
Schön Dank, gestrenger Herr!
Franz. Ich hört' euch ja gar heftig perorieren.
Zu Balthasar.
Du hast gewiß dir wieder gütlich mal
Getan und mich so recht herausgestrichen.
MARIE schalkhaft.
Darüber, Vater, könnt Ihr dieses Mal
Euch eben nicht grad allzusehr beschweren!
Wir spielten Reichstag, Vater. Balthasar
Verklagt' Euch hart, und ich – ich war der Kaiser!
FRANZ lachend.
Ja, von dem Tribunal, wo du, mein alter Slör,
Zum Kläger wider mich erstehst, da werd ich
Wohl schwerlich je etwas zu fürchten haben.
BALTHASAR.
Ihr irrt, Herr! Wüßt ich nur ein Tribunal,
Das Euch zu ändern Macht hätt' – wollte schon
Euch Kläger werden! Eben war ich dran,
Im besten Zuge schwer Euch anzuklagen
All Eurer sieben Todsünden, die ich
So oft vergeblich schon an Euch bekämpft,
Unzeit'ger Großmut, übertriebener
Uneigennützigkeit, wo Hand in Hand
Eu'r eigner Nutz mit dem gemeinen ginge,
Zu viel Vertraun, als wären andre auch wie Ihr,[25]
Und wie die Sünden alle heißen, die
An Euch noch mal gar schwer sich rächen können.
FRANZ.
Versteh ich recht? Wahrhaftig, Balthasar –
Ich glaube gar, hast mit – dem Mädel da
Politisiert?! Schämst dich nicht, alter Graukopf?
BALTHASAR.
Mitnichten, Herr. – Margreth von Parma
Ist 'ne Regentin, die fürwahr so weise,
Wie kaum ein Fürst uns in Europa lebt!
Wo würde sie das herbekommen haben,
Wär' es ihr früh nicht tüchtig eingeschult?
FRANZ.
Ja, Balthasar, ich sehe wohl – mit dir
Wird nie ein Mensch im Leben recht behalten.
Ich weiß, es ist ein kaiserlicher Rat
An dir verdorben!
BALTHASAR mit Betonung.
Eure Schuld nur, Herr,
Wenn ich's nicht jetzt schon bin.
FRANZ.
Aha! Ich merke,
Willst wieder hoch hinaus!
Er setzt sich.
Von etwas anderm!
Der hochgelehrte würdige Reuchlin,
Der Wissenschaften Wiederhersteller,
Hat mir nun schon den zweiten Brief geschrieben.
Die Kölner Pfaffen, jene Dunkelmänner,
Die scheiterhaufengier'gen Glatzköpfe,
Sie lassen ihn noch immer nicht in Ruh.
Sie pein'gen, quälen ihn, sie wollen ihm
Die Kosten nicht ersetzen des Prozesses,
Vielmehr nach Rom jetzt appellieren, um
Ihn doch als Ketzer noch verdammt zu sehn! –
Schreib doch dem Provinzial nach Köln, es ließe
Franziskus sich gehorsamst ihm empfehlen,
Und wollte, daß er endlich – Ruhe hielte.
Auch wünsch ich, daß du ihnen deutlich schreibst!
Sag ihnen, daß ich hoff, sie würden hören,
Wo nicht, so würd' ich Sprachröhr' brauchen müssen;
Du weißt –
BALTHASAR.
Versteh Euch, Herr! Versteh vollkommen!
Kenn Eure Sprachröhr'! sind ganz eigner Art,
Taub müßte sein, wer da nicht hören wollte!
Könnt' sie Euch alle nennen. Erst: die Nachtigall,
Sodann: der Hahn, und wie sie alle heißen,
Die trefflichen Kartaunen, Hauptstück', Falkonette,[26]
Feldschlangen, welche Euch der Meister Stephan
Von Frankfurt zierlich hat gegossen. – Hab Euch
Damit vor Worms und Darmstadt sprechen hören.
Philipp von Hessen hat es heute noch
In allen Gliedern stecken, wie Ihr damals
So deutlich mit ihm spracht!
FRANZ.
Schreib denn, ich wolle binnen Monatsfrist
Die Sache gänzlich ausgeglichen sehn,
Und wär's genau nicht auf den Tag geschehn,
So sollten sie den Ritter Sickingen
Vor Köln dann kennenlernen.
BALTHASAR.
Herr, Ihr könnt
Unmöglich mir 'nen liebern Auftrag geben.
Ich wollte nur, die Glatzköpf' achteten
Sich nicht darnach. Wie sollten sie gar bald
Zu ihrem Schutzpatron, dem heiligen
Dominikus, zu beten kriegen! Doch –
Die Freude muß ich mir vergehen lassen;
Sie kennen Euch zu gut.
FRANZ.
Nun will ich mal
Ein ernstes Wort hier mit dem Mädel sprechen.
Indem er sich zu Marie umwendet, tritt ein Diener ein.
DIENER zu Franz.
Ein Ritter hält vorm Tor, Einlaß begehrend,
Ulrich von Hutten nennt er sich.
FRANZ freudig auffahrend.
Was? Ulrich?
MARIE errötend für sich.
Ulrich von Hutten!
FRANZ.
Schöner Tag! Nie ritt
Ein beßrer Gast ein auf die Ebernburg.
Zu Marie.
Du wirst den besten Mann in Deutschland sehn!
Zum Diener, der noch dasteht.
Was stehst du, Bursche, noch? Eil dich, nimm Flügel
Und führ ihn schleunigst her.
Diener ab.
Wieder zu Marie gewendet.
Siehst du, mein Kind,
Als Deutschland noch im tiefsten Schlafe lag,
Als keine Brust noch aufzuatmen wagte,
War er der erste, der es mächtig weckte!
Vor Luther noch hat er das Wort ergriffen
Und mutig seinen Handschuh hingeworfen[27]
Dem mächtigen Rom, in seines Herzens Drang
Aller Gewaltherrschaft den Krieg verkündet,
Der eine Mann! Mit seinem stolzen Wahlspruch
»Ich hab's gewagt!« hat er sich frei erhoben.
»Wach auf, du edle Freiheit« war der Ruf,
Den kühn er schallen ließ ins deutsche Land,
Gewaltig der geknebelten Nation
Das Männerherz im tiefsten Busen regend,
Ein Auferwecker der Nation, wie keiner! –
Schau dir ihn merklich an, mein Kind, damit
Du lernst, wie große Männer aussehn.
MARIE befangen.
Vater,
Ich kenn ihn schon. Ich sah ihn ja am Hof
Albrechts von Mainz, wo ich vier Monde weilte.
Halb zögernd.
Bei dem Turniere, das der Kurfürst gab,
Da trug der Ritter meine Farben.
FRANZ.
So?
Hat er vielleicht ins Auge dir geschaut?
MARIE.
Ich weiß es nicht. Beinah kam es mir vor,
Als wär's mehr Euch zu Ehren, Vater – Seht,
Er war gar nicht so wie die andern Herren
Hinter uns Fräuleins stets einher, gab sich
Im ganzen wenig mit uns ab.
FRANZ.
Glaub's gern!
Hat eben mehr zu tun!
MARIE schnell.
Doch wenn er bei uns war,
Da hat er stets mich sichtlich ausgezeichnet.
FRANZ.
So? Freilich, bist 'ne wichtige Person!
Ich glaube gar, er hat dich stolz gemacht.
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Franz von Sickingen
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