Zweiter Auftritt

[119] Sickingens Lager vor Trier. Es treten auf Graf Wilhelm von Fürstenberg, Graf Eitelfritz von Zollern und Hartmuth von Kronberg. Bald nachher Frowin von Hutten.


EITELFRITZ.

Ich sage Euch, es gibt noch heute Sturm!

Seit dreien Stunden reitet schon Franziskus

Die Mau'rn der Stadt im Halbkreise entlang.

FÜRSTENBERG.

's wär' frühe Wiederholung. Deucht Euch nicht?

EITELFRITZ.

Ei, 's ist nur, daß die Pfaffenwänste drin

Des Spiels Gewohnheit nicht verlernen sollen.

Mir ist es nie zu früh, geht es zum Sturm.

HARTMUTH.

Dem Streiter für die Sache seines Gottes

Wird nur im Sturm das volle Herz so leicht.


Fanfaren hinter der Szene.


FÜRSTENBERG.

Horch! Hört Ihr das?


Nochmaliges stärkeres Fanfarengeschmetter.


Das klingt wie Kriegesgruß,

Als zögen neue Fähnlein lustig ein.

FÜRSTENBERG.

Seht, starken Schritts naht dort ein Ritter sich.

HARTMUTH.

Es ist Frowin!


Frowin von Hutten tritt auf.


Grüß Gott, Frowin!

ALLE ihm entgegen.

Grüß Gott,

Frowin von Hutten!

FROWIN.

Dank und Gruß Euch, Herrn!


Sie schütteln sich die Hände.
[119]

FÜRSTENBERG.

So kommt Ihr endlich! Bald kamt Ihr zu spät

Und doch zu beßrer Stunde noch.

FROWIN.

Wie nehm ich das?

FÜRSTENBERG.

Je nun!

Wenn seine Ordre nicht der Sombreff brach,

Fandet Ihr im Besitz der Stadt uns schon.

Es war ein dummer Streich.

EITELFRITZ.

Pah! macht nichts aus.

Wie's Liebchen sich auch sperrt, es muß dran glauben.

FÜRSTENBERG.

Das geb ich zu. Doch hätt's viel Blut erspart.

HARTMUTH.

Blut, das zu Gottes Ehre fließt, befruchtet

Der Erde Schoß, gibt erst dem Leben Weihe!

EITELFRITZ.

Und wie hätt' es Frowin gegrämt, kam er

Zu spät zum Tanz!

FROWIN.

Ich konnte früher nicht;

Der Fähnlein Rüstung hielt mich lange hin.

Doch wie steht's hier? Stillt meine Neugier, sprecht!

FÜRSTENBERG.

Habt Ihr Franziskus selbst noch nicht gesehn?

FROWIN.

Doch! Auf dem Hügel traf ich ihn, der Stadt

Genüber. Seiner Lanzknecht' Hauptleute

Umgaben ihn. Er hörte eilig ab,

Was ich ihm meldete, doch fürs Erzählen

Verwies er mich an Euch. So ließ ich denn

Den Vetter ihm zurück und sprengte her.

EITELFRITZ.

Kurz statt ich Euch Bericht. Zwei Probestürme

Gab es bereits, und trügt mich alles nicht,

– Kommt Ihr zum dritten grade heut zurecht.

FROWIN.

Der Bischof hält sich gut?

EITELFRITZ.

Ein ganzer Mars

Steckt in dem Pfaffen. Schade ist's um ihn!

Er schwingt das Schwert, als wär's ein Weihwedel.

FÜRSTENBERG.

Ja, und nicht minder gut die Brandfackel,

Brennt Klöster nieder grad wie ein Hussit!

FROWIN.

Klöster, der Pfaff? Wie das?

EITELFRITZ.

Ihr kennt die prächtige

Abtei St. Maximin, die Trier gegenüber[120]

Auf einer Anhöh' sich erhebt; vom Erzstift

Unabhängig und unter Reiches Schutz,

Erregte sie der Trierer Neid schon lang.

FROWIN.

Wohl kenn ich sie. Es ist ein günst'ger Ort,

Belagerungsgeschütz dort zu postieren,

Durch ihre Mauern und Gehöft gedeckt

Die Stadt von ihrer Höh' aus zu beschießen.

EITELFRITZ.

Ja wohl, es ist! Sagt nur, es war! Zwei Tage

Vor unsrer Ankunft langt, von Sombreff durchgelassen,

Der Erzbischof in Trier an. Das erste,

Was er beginnt – sagt selber Euch, wie süß

Klugheit und Haß sich da dem Pfaffen einten! –

Ist, daß er, achtlos auf das Schrein der Mönche,

Niederzureißen die Abtei befiehlt.

Geplündert wird sie, freigestellt den Glatzen,

Nach Trier zu ziehn. Gepanzert und geharnischt,

Den Feuerbrand schwingend mit eigner Hand,

Leitet der Pfaff selbst das Zerstörungswerk.

FÜRSTENBERG.

So war's. Von seinen eignen Reis'gen einer

Reißt voll Verehrung ihm die Fackel fort.

Hochwürd'ger, ruft er, laßt das mir, dem besser


In Lachen ausbrechend.


Mordbrennen ziemt als also frommem Herrn!

EITELFRITZ.

Ha, ha! So war's, verlaßt Euch drauf. Und was

Das Feuer nicht verschlang, zerbrach die Hacke.

Grad wie wir mit der Vorhut anlangten,

Da zog er ab. Nur Trümmer fanden wir.

FROWIN.

Daran erkenn ich Richard!

FÜRSTENBERG.

Jetzo habt

Ihr Neuigkeit von uns; doch jetzt gebt selber Nachricht.

Wie steht's mit Albrecht, mit dem Mainzer? Sprecht,

Will er mit offner Macht Franz unterstützen?

FROWIN.

O ganz unmöglich wär' das noch für jetzt!

Was heimlich kann geschehn, das tut er gern

Und wird es ferner tun; doch öffentlich –

Noch wär's zu früh. Ich selbst, als ich die Qual sah,

In welcher er schwer sinnend sich verzehrte,

Ich trat vor ihn und sagte: Hoher Herr,

Zurück leg ich die Siegel, die ich führe,[121]

In Eure Hand. Ich habe mitgefochten

Des Franzens Fehden alle, will's auch diesmal tun,

Doch nicht als Eu'r Großhofmeister und Rat. –

Mit seinen großen Augen sah er mich

Gar gütig an und sagte mir: Frowin,

Ihr habt ganz Recht, und wisset, offen halt ich

Euch Euern Platz an meinem Hof und Herz!

FÜRSTENBERG.

Weiß es schon Franz? Es wird ihn schier verdrießen.

FROWIN.

Das tat es nicht. Wir haben sein nicht not,

Rief er gleichmütig aus.

EITELFRITZ.

Da hat er recht!

Das mein ich auch: wir haben sein nicht not.

FROWIN.

Dann lächelt' er in seiner list'gen Weise

Und sprach: Der Mainzer will mitessen, aber

Mitkochen nicht! Hm! Seine Schüssel werde

Ich dennoch ihm verehren von dem Schmaus.

HARTMUTH nach dem Hintergrunde zeigend.

Da naht sich Franz.

EITELFRITZ.

Ja wohl, und wicht'ge Kunde

Bringt er, wie's scheint; denn es geleiten ihn

Des Heeres Hauptleute.


Quelle:
Ferdinand Lassalle: Franz von Sickingen. Stuttgart 1974, S. 119-122.
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Franz von Sickingen
Franz von Sickingen; a tragedy in five acts (1910)
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