Erste Szene.


[192] Ranzau allein.


RANZAU links auf einem Sessel sitzend, halb nach hinten gewendet, so daß er den Eingang zum Könige und zur Königin beobachten kann. Alle zögern! Ahnen sie alle, daß die Entscheidung nahe rückt, und daß die Äußerung jedes einzelnen den Ausschlag geben kann? Und wenn ich aufrichtig gegen mich selbst bin, so kann ich mir eine unbequeme Stimmung nicht fortleugnen, ja, es tut mir leid, daß ich nicht daheim in Holstein geblieben bin. Bei vorgerücktem Alter mag man wohl noch gegen Grundsätze kämpfen, nicht gegen Personen, am wenigsten gegen Personen, die man lieb gehabt. Mein Herz vergißt es nicht, daß Struensee einst sein Liebling gewesen! Und was wird aus uns, wenn persönliche Anhänglichkeit nichts mehr gilt! Grundsätze sind ja wie die Jahreszeiten, sie müssen einander ablösen. Aufstehend. O Struensee, warum hörst du nicht! Eine peinliche Stimme warnt mich vor diesem Guldberg, diesem eingefleischten Dänen. Kaum weiß ich, was er will, wem er dient, wie weit er's wagt! Und doch weiß ich, daß er Feind meiner Vorfahren, Feind der deutschen Herren – weh mir, wenn ich in meinen alten Tagen das Werk deutscher Bildung und Herrschaft untergrübe! – Endlich, Köller! Warum so spät?


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 24, Leipzig 1908–09, S. 192.
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