Dritte Szene.


[193] Guldberg aus der offnen Tür der Königszimmer tretend. Die Vorigen.


KÖLLER. Ist der König überzeugt und entschlossen?

RANZAU. Zur Entlassung Struensees entschlossen?

KÖLLER. So sprecht doch![193]

RANZAU. Ihr schweigt?

GULDBERG. Herr Graf, wenn der König von Dänemark überzeugt und gegen Struensee entschlossen wäre, dann wäre das Wort »Entlassung« ein mattes, des Königs von Dänemark unwürdiges Wort –

KÖLLER. Er ist also nicht entschlossen? –

GULDBERG. Denn Struensee, der Gnade des Königs entrückt, hätte Anklage auf Leib und Leben zu bestehn.

KÖLLER. Der König ist also noch nicht entschlossen?

RANZAU. Der König hält ihn also noch?


Kurze Pause.


GULDBERG. Der König ist noch nicht entschlossen.

KÖLLER. So wird er's nie, und wir müssen allein handeln, oder wir selber sind verloren.

GULDBERG. Oberst Köller wird in des Königs Angelegenheit nicht ohne unsers Königs Willen handeln, solange Ove Guldberg es verhindern und ein dänischer Mann die heilige Achtung für seinen König aufrecht halten kann.

RANZAU. Das ist ganz richtig.

KÖLLER. Was ist das, Guldberg! Ihr verlaßt uns im entscheidenden Augenblicke, nachdem Ihr vor kaum einer Stunde hier auf derselben Stelle als Verbündeter zu uns getreten – o Herr Ove Guldberg, das ist dänisch!

GULDBERG. Wißt Ihr, was dänisch ist, Herr Edelmann aus Pommern, der sein Glück in Dänemark sucht? Lernt es erst, um Euer Glück zu finden. Ich schwieg und warnte Euch, ehe Struensee reif war zum Sturze; denn ich bin vorsichtig und wortkarg, weil ich ein Däne bin, und ich liebe das hohle Stürmen und Phrasenmachen nicht, wie – Ihr! Aber, mein Herr, wo ich hintrete nach reiflicher Überlegung, da bleib' ich stehn, stieg' die Gefahr bis an mein Haupt.

RANZAU. Das tut der Deutsche auch, mein Herr.

GULDBERG. So zeigt, daß er's politisch tut. Die Sache liegt, wie folgt: der König schritt hastig in sein Gemach, und warf sich in einen Sessel. Halb schien er erschöpft, halb schien er aufgeregt zu sein, aber sein leidender Kopf war merkwürdigerweise ungewöhnlich frei: im Laufe einer halben Stunde verließ ihn nur zweimal und immer nur eine Minute lang die rüstige Kraft des Geistes. Sein[194] ganzer Sinn war offenbar auf den Herzenspunkt, auf die Königin und Struensee gerichtet; aber nicht mit einem Worte sprach er ihn aus, nur sein Blick war oft minutenlang unverwandt auf das gegenüber hängende Bild der Königin gewendet, und seinen Sohn, den Kronprinzen, ließ er holen. Er betrachtete ihn lange Zeit, und richtete Fragen an ihn. Dadurch wurde sein Herz auffallend erweicht; was ich nie erlebt: – der König weinte und preßte sein Kind in tiefer Rührung an sein Herz. Seine gute Meinung für die Königin schien gesiegt zu haben, und als der Kronprinz das Zimmer verließ, und der König ihm Grüße auftrug für seine Mutter, da gab ich unsre Sache verloren. Es entstand eine Pause. Endlich stand der König auf, und ich erwartete, entlassen zu werden. Er befahl aber, daß die Königin Witwe Juliane zu ihm gerufen werde, und gebot mir, ihm Struensee zu schildern, wie er mir und den Dänen erschiene. Dies war der entscheidende Augenblick: die Königin Witwe, Todfeindin der Königin Mathilde und Struensees, war erwartet, die nachteiligste Schilderung unsrer Gegner stand also dem Könige bevor. Meine Schilderung brauchte nur eine einleitende und andeutende zu werden. So hielt ich sie. In Sachen der Politik klagte ich Struensee unumwunden an, im – übrigen wagte ich nur vorsichtige Worte, und Worte, die immer nur Struensee trafen. Aber selbst diese wurden oft von einer unwilligen Handbewegung des Königs unterbrochen. Ich konnte nicht unterscheiden, ob der Unwille Struensee galt, oder meiner Bemerkung. Da ward die Königin Witwe gemeldet, und der König entließ mich mit den Worten: Beweist oder schweigt! – Dies ist der Hergang, und wo sind unsre Beweise? Pause. Guldberg geht an des Königs Eingangstür und blickt hinein. Zurückkommend sagt er. Die Königin Witwe ist noch bei ihm; aber sie wirkt schwerlich günstig für uns, denn der König mißtraut den Beweggründen ihrer Feindschaft. Während dieser Worte ist Lorenz eingetreten.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 24, Leipzig 1908–09, S. 193-195.
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