Dritte Szene.


[240] Rieger tritt ihr entgegen von rechts ein, hinter ihm Grenadiere, jeder einen Ballen Räuberexemplare mit Stricken oder Riemen geschnürt auf der Schulter. Generalin. Schiller. Koch. Rieger.


GENERALIN zurückprallend. Ach mein Gott, immer wie der böse Feind –

RIEGER ein Paket Manuskripte in der Hand haltend. Und ob einer entflöhe vor dem Geschrei des Schreckens, so wird er doch in die Grube fallen, und kommt er aus der Grube, so wird er doch im Strick gefangen werden.

[240] Sehr schnell.


KOCH zur Generalin. In den Stricken hängen lauter Räuber!

SCHILLER. Es ist der ganze Rest der Auflage.

GENERALIN ringt die Hände.

KOCH. Die Papiere in seinen Händen sind das Fieskomanuskript.

SCHILLER. Ich entreiß es ihm. Will auf ihn zu.

GENERALIN. Um Gottes willen nichts Gewaltsames –

SCHILLER. Nun ist auch meine Flucht gelähmt. Ich kann nicht mit leeren Händen hinaus und kann nicht mein Werk, die Arbeit eines Jahres, im Stiche lassen. O Gerechtigkeit!

GENERALIN. Rieger! Laß die Leute im Korridor warten! Hierher kommen die höchsten Herrschaften.

RIEGER. Hierher lautet der Ruf, hier ist die Stätte des Gerichts – es ist keine List über Frauenlist.

GENERALIN. Rieger, du machst einen hoffnungsvollen jungen Mann unglücklich, den Gott selber begabt hat.

RIEGER. Ist er Gottes, so wird ihm mit der Wahrheit gedient, aber es ist ein gefährliches Ding in einem Regiment um einen Schwätzer, und ein jäher Wäscher wird zuschanden werden.

KOCH. Nur ein kindisch gewordenes Gedächtnis schwatzt und wäscht!

SCHILLER. Und der Geist wohnt nicht in nachgeplärrten Worten!

RIEGER. Wer sich gewöhnt zu schwätzen, der bessert sich sein Lebtage nicht.

SCHILLER. Und wer sich gewöhnt, die Menschen, Gottes Ebenbilder zu quälen, der schändet Gott in dessen schönsten Werken. Musik von links in der Ferne. Wer ein Organ des Weltgeistes, wie Schubart eins war, zugrunde gerichtet hat mit frechen Henkershänden, den wird die Hand Gottes in den Abgrund werfen, wenn es am jüngsten Tage schallen wird: »Allen Sündern sei vergeben, nur den Mördern meiner Apostel nicht!«

RIEGER. Jerobeam! – –

GENERALIN. Nun auch das noch – der Rieger ist voll Wein und nun gar fürchterlich!

RIEGER außer sich vor Zorn und Entsetzen. Vorlauter Schreiber – ich bin der Hüter der Löwengrube, in welche Er vielleicht heute noch geworfen wird, und dann wird Er erfahren –

[241] KOCH. Wie ein Wolf in Schafskleidern außen die christliche Liebe predigt und innen vor Zorn und Wut zittert und auf die Stunde der Rache sich freut. Ist das Christentum? Henkertum ist's!

GENERALIN. Kinder! Kinder!


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 25, Leipzig 1908–09, S. 240-242.
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