Vierte Szene.


[288] Koch. Die Vorigen.


KOCH schon hinter der Tür links, aus welcher er eilt; er trägt zwei Pistolen. Frisch auf, Kamerad! Das ist der Jagdschluß, der von der Solitude herabdringt, der Herzog kommt! Die Sonne geht unter, Riegers Regiment beginnt, nimm deinen Hut und diese Waffe, Er holt den Hut rechts von der Steinbank und reicht ihn Schiller mit einem Pistol. auf und davon!

LAURA in größten Schmerz ausbrechend. Mein Friedrich!

SCHILLER. Laura!

LAURA sich wendend und nach der Bank rechts schwankend. Auf Nimmerwiedersehn!

GENERALIN Schiller umarmend. Mein Sohn, mein Sohn, Gott segne dich!

SCHILLER. Meine Mutter!

GRÄFIN mit herzlichstem Enthusiasmus und rasch. Auch an mein Herz, Schiller! Sei ein Mann, mach deinem Schwabenlande Ehre und verherrliche das deutsche Valerland! Er sinkt vor ihr aufs Knie. Ich weiß, du kannst es, und du wirst es, ja ich ahne, daß kommende Geschlechter Deutschlands uns noch segnen werden, den Friedrich Schiller freigemacht zu haben. Links in mäßiger Entfernung bei den Worten »ja ich ahne« gedämpfter Gesang der Schüler »Ein freies Leben führen wir« mit diskreter Begleitung der Klarinette.

KOCH. Unser Signal! Endigt!

SCHILLER aufspringend. In deine Arme werf' ich mich, o deutsches Vaterland! Nimm ihn auf den aus Heimat und Liebesglück verstoßenen Schwärmer, nimm mich auf an dein großes Herz! Und kannst du's nicht, weil meine Kraft zu schwach und zu gering[288] erfunden wird, und kannst du's nicht! o so schenke mir, mein Vaterland, doch einen frühen Tod und widme mir zur Grabschrift doch die Worte.


Der arme Schwabe trachtete nach Großem,

Wir segnen ihn für das, was er geträumt!


Schiller und Koch eilen hastig bis ans Ende des Bogenganges. Dort hemmt Koch einen Augenblick Schillers Schritt, indem er rechts hinauf nach der Schildwache – welche übrigens seit der ersten Szene nicht mehr sichtbar gewesen ist – blickt. Dann gehen beide durch die Lücke des Rasenwalles und verschwinden links. Die Gräfin und Generalin sehen ihnen nach in gespannter Angst mit ausgebreiteten Armen. Laura bleibt zusammengesunken auf der Bank. Man hört immer aus der Ferne das Lied »Ein

freies Leben führen wir«. Sobald Schiller und Koch etwa bis in die Kulisse links gelangt sind, knallt rechts hinter dem Walle ein Schuß dem unmittelbar in gleichmäßiger Entfernung ein zweiter, dritter, vierter und in äußerster Entfernung ein fünfter folgt. Im Hintergrunde sieht man Raketen und Leuchtkugeln aufsteigen. Das Lied, welches von seinem Beginn an ununterbrochen gesungen worden ist, hört plötzlich auf.


GENERALIN. Barmherziger Gott, man schießt auf sie!

GRÄFIN. Allmächtiger Gott! Das ist entsetzlich – das ist nicht möglich.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 25, Leipzig 1908–09, S. 288-289.
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