3. Auftritt

[67] Klapproth. Bernhardy.


BERNHARDY sehr vergnügt durch die Mitte in Reisekleidung, Tropenhut mit Schleier, Feldstecher usw., Reisetäschchen usw. usw., schlägt Klapproth auf die Schulter. Guten Morgen, alter Schwede, da bin ich!

KLAPPROTH ist entsetzt aufgesprungen und starrt, sich die Augen reibend, als sähe er ein Trugbild, sprachlos Bernhardy an.

BERNHARDY. Sie erlauben doch, daß ich ablege? Legt, ohne die Antwort abzuwarten, im Hintergrunde Mantel, Hut usw. ab.

KLAPPROTH entsetzt. Allbarmherziger! Der Kerl ist aus der Anstalt entsprungen! Oder sollte er als geheilt entlassen sein? – Jetzt gilt's vor allen Dingen, sich nichts merken lassen. Rafft sich mühsam zusammen, um unbefangen zu scheinen.[67]

BERNHARDY. Sie haben mich gewiß bereits mit Ungeduld erwartet?

KLAPPROTH. Ich? – Sie? – Na natürlich!

BERNHARDY. Das ist ja prächtig! Da können wir also heute noch unsere Reise antreten.

KLAPPROTH beiseite. Er ist richtig noch immer verrückt.

BERNHARDY. Also wie verabredet, heute abend mit dem Schnellzug 8 Uhr 30 geht es fort nach Hamburg. Sie freuen sich doch auch auf unsere gemeinschaftliche Reise?

KLAPPROTH. Oh, wie ein Kind. Aber wissen Sie, heute wird es beim besten Willen nicht möglich sein.

BERNHARDY. Halt, halt, Freundchen, keine Ausflüchte, heute müssen wir fort, sonst erreichen wir den transatlantischen Steamer nicht mehr, und unser Reiseplan leidet unter dieser Verzögerung. Nein, es bleibt bei dem, was wir verabredet haben, und wenn ich Sie mit Gewalt mitschleppen müßte.

KLAPPROTH beiseite. Der wäre es imstande! Das sind schöne Aussichten. Was fang' ich nur mit dem Kerl an?

BERNHARDY. Künftigen Mittwoch sind wir bereits auf hoher See, und drei Wochen später durchkreisen wir bereits mit einem mir befreundeten cow- boy zu Pferd die Prärie.

KLAPPROTH. Ich kann ja gar nicht reiten.[68]

BERNHARDY. Das lernt sich rasch. Wenn Sie erst so einige dutzendmal heruntergefallen sind, werden Sie es schon können.

KLAPPROTH. Das beruhigt mich.

BERNHARDY. In Hamburg müssen Sie sich übrigens auch noch Ihre Reiseausrüstung besorgen.

KLAPPROTH. Verlassen Sie sich drauf. Beiseite. Er bildet sich wahrhaftig ein, ich fahre mit.

BERNHARDY. Einen gediegenen Revolver müssen Sie sich auch verschaffen.

KLAPPROTH. Einen Revolver?

BERNHARDY. Gewiß. Man weiß ja nie, ob man ihn unterwegs nötig hat, und wäre es auch nur, um seinen Worten den gehörigen Nachdruck zu verleihen. Was glauben Sie, wie wirksam das ist, wenn man so einem widerspenstigen Patron einen solchen Puffer so unter die Nase hält. Hat seinen Revolver aus der Tasche gezogen und hält ihn Klapproth unter die Nase. Ich sage Ihnen, die größten Flegel werden dadurch lammfromm.

KLAPPROTH erschrocken. Ich glaube es ja und bin mit allem einverstanden, aber bitte, tun Sie das Ding weg!

BERNHARDY. Seien Sie doch nicht so ängstlich. Steckt lachend den Revolver ein. Also heute abend 8 Uhr 30 dampfen wir ab.

KLAPPROTH ganz geknickt. Wir dampfen ab![69]

BERNHARDY. Treffen Sie inzwischen Ihre Vorbereitungen, nehmen Sie Abschied von Ihren Angehörigen.

KLAPPROTH. Die haben noch keine Ahnung davon. Wenn die es aber nun vielleicht nicht leiden?

BERNHARDY. Bah! Dann machen Sie es, wie ich es mit dem guten Schöller gemacht habe, der hat auch noch keine Ahnung davon, daß ich nicht mehr bei ihm bin, denn da ich seine Eigenheit kenne, habe ich eine kurze Abwesenheit von ihm benutzt und bin abgereist, er hätte sonst sicher in seinem Eigennutz sich bemüht, mich zurückzuhalten.

KLAPPROTH beiseite. Also richtig entsprungen! O meine Ahnung!

BERNHARDY. Sie erlauben also wohl, daß ich ihm von hier aus noch rasch einige Abschiedsworte schreibe.

KLAPPROTH. Bitte, hier ist mein Zimmer.

BERNHARDY. Ich bin so frei.

KLAPPROTH. Machen Sie es sich bequem, ruhen Sie, schreiben Sie, lesen Sie, rauchen Sie, bis – bis ich nachher zu Ihnen komme.

BERNHARDY. Auf Wiedersehen also, lieber Reisegefährte. Ab vorn rechts.

KLAPPROTH dreht rasch und vorsichtig den Schlüssel um, rückt einen Tisch vor die Tür, auf den er sich verzweifelt und erschöpft. Da haben wir den Salat! Brennt der Racker in der Anstalt durch und kommt in seiner Verrücktheit zu mir. Was[70] fang ich nur mit dem Kerl an? Widerspreche ich ihm nur im geringsten, dann ist er imstande und hält mir seinen Revolver unter die Nase. Du lieber Gott, was ist für solch einen Geisteskranken ein Menschenleben? Mir klappern die Zähne, wenn ich nur daran denke. Mit Gewalt ist also da nichts auszurichten, sondern es gilt, ihn mit List und Versprechungen hinzuhalten bis Hilfe kommt. Ich werde sofort an Schöller telegraphieren. Reißt ein Blatt aus seinem Notizbuch und schreibt auf den Knieen, vor sich hinsprechend. »Direktor Schöller, Privatheilanstalt, Berlin, Chausseestraße 198einhalb. Kommen Sie so schnell wie möglich, Gefahr im Verzug, bringen Sie Zwangsjacke mit. Gruß, Klapproth.« Aber wie diese Depesche befördern? Meine Angehörigen dürfen doch um alles in der Welt nicht ahnen, in welcher Gefahr wir schweben. Wenn die wüßten, daß wir es mit einem Geisteskranken zu tun haben, die würden sich in ihrer Herzensangst verraten und die Lage noch verschlimmern. Ich muß also die Depesche selbst besorgen, und dabei kann ich nicht fort von diesem Posten.


Quelle:
Carl Laufs: Pension Schöller. Berlin 11[o.J.], S. 67-71.
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