[1540] Julius. Aspermonte. Guido.
GUIDO. Du läßt mich lange nach dir aussehen, und ich habe doch wichtige Dinge mit dir zu reden.
JULIUS. Um Verzeihung.
GUIDO. Bruder, der Ton, der unter uns herrscht, gefällt mir nicht.
Ich kann hassen, hassen wie ein Mann! – aber es gibt einen gewissen dumpfen Haß, da man nicht gestehen will, daß man sich nicht mehr liebt, den verabscheu ich; – da machen sie denn ohne den Geist der Vertraulichkeit noch immer ihre Gebräuche,[1540] und begegnen den Körper der verstorbenen Freundschaft, als wenn sie noch lebte, führen ihn zu Tisch und zu Bett. Wahrhaftig diese Freunde sind ein liebliches Bild, oben die Augen voll Groll, und unten den Mund in einer so natürlich freundlichen Miene, als wenn hölzerne Muskeln am Draht gezogen würden.
JULIUS. Laß uns davon aufhören.
GUIDO. Da triffst du einen neuen Charakter. – Sie fürchten immer im Gespräch zusammen auf den streitigen Punkt zu kommen, gehen immer hundert Meilen um ihn herum, reden eher von ostindischen Wundertieren, als von sich. Aber ich will lieber einen frischen Schnitt durch das Geschwür, als daß es unter sich eitere.
JULIUS. Wenn nun aber kein Geschwür da wäre.
GUIDO. Du willst mir antworten, Bruder. Gut, so laß mich erst reden. Du weißt meine Rechte auf Blanka; – das vermindert sie nicht, daß mich mein Vater wegen unsers Streites über sie vor fünf Monaten in den kandischen Krieg, und sie ins Kloster schickte. Ich gebe meine Rechte nicht auf; das mußte ich dir nach meiner Rückkunft von neuem sagen.
JULIUS. Deine Rechte – – –
GUIDO. Laß mich ausreden. Ich habe ihr eher als du meine Liebe angetragen, vor einer großen Versammlung angetragen, in diesem ganzen Feldzuge, selbst bei königlichen Mahlen sie meine Geliebte genannt; – oft hab ich bei Turnieren die Weiber zischeln hören – »Guido von Tarent! – und sie heißt Blanka.«
Wie ich im Sturm von Kandia die Mauren zuerst erstieg, rief ich ihren Namen laut aus, und das ganze Heer rief ihn nach. Siehe meine Ehre steht zum Pfande, aber ich will sie lösen.
JULIUS. Aber Blanka selbst –
GUIDO. Schweig davon, Bruder. Schönheit ist der natürliche Preis der Tapferkeit; – und dabei haben die Weiber keine Stimme. Fragt man die Rose, ob sie dem, der Geruch hat, duften will? – und wodurch hast du sie verdient, glaube mir, wenn man dich wie ein liebeskrankes Mädchen im Pomeranzenwalde irren sieht, man sollte dich eher für den Preis, als für den Kämpfer halten.
JULIUS. Bruder, du wirst unausstehlich beleidigend.
GUIDO. Gut, laß mir meine Rechte auf Blanka – und denn mache was dir gefällt. Sei die Puppe eines erwachsenen Mädchens,[1541] komm wie eine zahme Wachtel, wenn sie pfeift, wehr ihr die Fliegen ab, wenn sie schläft! – Sei empfindsam, pflücke Violen, freue dich, wenn die Sonne aufgeht, und wenn sie untergeht. Laß deinen Aspermonte da unterdessen die Tarentiner regieren, was geht's dich an, ob sie glücklich sind oder nicht, genug du weißt dein Mädchen zu lieben; und Trotz sei jedem Sperling geboten.
JULIUS. Bruder, halt ein und laß dir sagen.
GUIDO. Und wenn du in ihrem Schöße stirbst, so laß dir dein Grabmal neben den Trophäen unsers tapfern Ahnherrn Theodorichs aufrichten – Laß es den Bildhauer mit Rosen und Weinreben zieren, ein paar schnäbelnde Tauben darauf setzen, unten einen weinenden Amor und eine schlafende Geschichte – aber vor allen Dingen laß ja darauf hauen: »Hier liegt ein Fürst von Tarent«; das kann seinen Nutzen haben, und wenn das Grabmal auch mitten in unserm Erbbegräbnisse stünde. Freilich – – –
JULIUS. Bruder, ich höre, du willst, ich soll gehen; – ich gehe schon. Ab.
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Julius von Tarent
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