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[592] Kirchhof. Mondnacht.
FAUST am Grabe seiner Mutter.
Eh das ersehnte Meer
Mich grenzenlos umtrauert,
Der Wolken trübes Heer
Auf mich herunterschauert
Und Stürme mich umwehen,
Will ich zum letztenmal
Das heimatliche Tal,
Dein Grab, o Mutter! sehen.
O, daß der Tod von hier
So früh dich fortgenommen!
Es wäre wohl mit mir
Sonst nicht so weit gekommen. –
Von deinem treuen Lieben
Ist keine Spur geblieben,
Es schwand in tiefe Nacht.
Groß ist des Todes Macht,
Daß er die Mutter kann
Von ihrem Kinde reißen.
Wie fabelhaft zerrann
Das fröhliche Verheißen
Vom ewigen Wiedersehn,
Als ich dich sah vergehn!
Als sie den Sarg verschlugen
Und dich begraben trugen,
Da hattst du ausgelitten;
Mir ward im Herzen eben,
Ob sie mein junges Leben
Von seiner Wurzel schnitten! –[592]
Als mich dein weicher Arm
Einst liebevoll umfing,
Als froh und segnend warm
An mir dein Auge hing,
Da freuten dich wohl Träume
Der Hoffnung für dein Kind?
Wie einst durch diese Bäume
Hinzog der Frühlingswind?
Nun steht im Mondenstrahl
Der Strauch so dürr und kahl
Der einst so grün, getroffen
Vom kalten Herbsteswind;
So welkte all dein Hoffen,
O Mutter, für dein Kind. –
Derweil du hier zu Staube
Im stillen Grund gemodert,
Ist in mir, seinem Raube,
Das Böse aufgelodert! –
Die Nächte ohne Schlummer,
Die Tage voller Kummer,
Die ungezählten Zähren,
Und deine frommen Lehren,
O Mutter, deine Schmerzen,
Womit du mich geboren,
Womit du unterm Herzen
Mich trugst – sie sind verloren! –
Doch wills mein Sinn nicht leiden,
Daß ich im letzten Scheiden
Mit einer frommen Zähre
Dir danke und dich ehre,
Und daß ich dir die Reue
Als Grabesrose streue.
Welch wunderlicher Klang
Traf plötzlich mir das Ohr?
Wars nicht wie Klaggesang,[593]
Was sich im Strauch verlor?
Zog nur das Trauerstöhnen
Vorbei der Herbstesluft?
Begann das Kreuz zu tönen
So bang auf deiner Gruft?
MEPHISTOPHELES von ferne.
Komm! laß im Mondenschein
Uns wandeln durch den Hain,
Statt weichlich hier zu klagen,
Wo nur das dürre Laub
Heimrauscht zum andern Staub
Und taube Würmer nagen.
Sie entfernen sich.
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