[142] Camillo Rota, Schriften in der Hand. Der Prinz.
DER PRINZ. Kommen Sie, Rota, kommen Sie. – Hier ist, was ich diesen Morgen erbrochen. Nicht viel Tröstliches! – Sie werden von selbst sehen, was darauf zu verfügen. – Nehmen Sie nur.
CAMILLO ROTA. Gut, gnädiger Herr.
DER PRINZ. Noch ist hier eine Bittschrift einer Emilia Galot – – Bruneschi will ich sagen. – Ich habe meine Bewilligung zwar schon beigeschrieben. Aber doch – die Sache ist keine Kleinigkeit – Lassen Sie die Ausfertigung noch anstehen. – Oder auch nicht anstehen: wie Sie wollen.
CAMILLO ROTA. Nicht wie ich will, gnädiger Herr.
DER PRINZ. Was ist sonst? Etwas zu unterschreiben?
CAMILLO ROTA. Ein Todesurteil wäre zu unterschreiben.
DER PRINZ. Recht gern. – Nur her! geschwind.
CAMILLO ROTA stutzig und den Prinzen starr ansehend. Ein Todesurteil, sagt' ich.
DER PRINZ. Ich höre ja wohl. – Es könnte schon geschehen sein. Ich bin eilig.
CAMILLO ROTA seine Schriften nachsehend. Nun hab' ich es doch wohl nicht mitgenommen! – – Verzeihen Sie, gnädiger Herr. – Es kann Anstand damit haben bis morgen.[142]
DER PRINZ. Auch das! – Packen Sie nur zusammen: ich muß fort – Morgen, Rota, ein mehres! Geht ab.
CAMILLO ROTA den Kopf schüttelnd, indem er die Papiere zu sich nimmt und abgeht. Recht gern? – Ein Todesurteil recht gern? – Ich hätt' es ihn in diesem Augenblicke nicht mögen unterschreiben lassen, und wenn es den Mörder meines einzigen Sohnes betroffen hätte. – Recht gern! recht gern! – Es geht mir durch die Seele dieses gräßliche Recht gern![143]
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Emilia Galotti
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