Siebender Brief

[285] An ebendenselben


Sehen Sie, mein Herr, daß Sie noch rachgieriger sind als ich? Ich wollte nichts als eine Verzögrung mit der andern vergelten; Sie aber bestrafen meine Neckerei durch die boshafteste Auslegung, die nur kann erdacht werden. Ich lasse Sie auf meinen Hurenkrieg warten, weil uns Ihre Jungfer Schwester auf ihren Besuch warten läßt. Ein artig Kompliment! setzen Sie hinzu; und Sie haben recht. So geht es einem Pedanten, wenn er galant tun will. Aber wo Sie diese Anmerkung nicht bei sich behalten haben, und wo Sie mich noch weiblichen Spöttereien deswegen aussetzen; so sehen Sie sich vor! Doch vielleicht drohen Sie mir nur, um einem längern Aufschube vorzubauen, und Ihre schon beleidigte Neubegierde vor fernern Beleidigungen zu sichern. Wenn das ist, so mag es sein. Es wird mir ohnedem zur Last, eine besondre Nachricht länger alleine zu wissen, und Sie würden sie nunmehr lesen müssen, wenn Sie auch keine Lust dazu hätten – – Unser Hurenkrieg also ist eine kleine Schrift in Oktav auf drei Bogen, und hat folgende Aufschrift: Lutii Pisaei Juvenalis Monachopornomachia. Wo und wann sie gedruckt worden, finde ich anders nicht, als mit den Worten: Datum ex Achaia Olympiade nona, welche gleichfalls auf dem Titel stehen, angemerkt. Schon hieraus sehen Sie, daß sie Matthesius selbst vielleicht nicht gesehen hat, weil er sie schlechtweg den Hurenkrieg nennet, anstatt daß er sie den Mönchshurenkrieg hätte nennen sollen. Diese Aufschrift, sollte ich meinen, und der Zusatz des Matthesius, daß es eine Schandschrift wider den heiligen Ehestand, und besonders wider die Ehe der Priester sei, wird Ihnen den Inhalt ungefähr erraten lassen; eben wie Sie aus der Erbitterung des Lemnius, ungefähr auf den Ton und den Ausdruck werden schließen können. Schon die Zueignung, welche an Luthern gerichtet ist, könnte schwerlich giftiger sein: Ad celeberrimum, et famosissimum Dominum, Dominum Doctorem Lutherum, sacrarum ceremoniarum renovatorem, causarum forensium administratorem, Archiepiscopum Witebergensem, et totius Saxoniae Primatem, per Germaniam[285] Prophetam. Den Vorwurf den er ihm hier unter andern wegen der gerichtlichen Angelegenheiten macht, in die er sich, anmaßlicher Weise, gemischt habe, diesen, sage ich, hat Lemnius in seiner Apologie nach seiner Art bewiesen, durch ein Paar schändliche Erzählungen nämlich, die mir das Zeichen der Erdichtung gleich an der Stirne zu tragen scheinen. In einer davon will er uns unter andern bereden, daß Luther durch eine gewisse sträfliche Hand lung zu dem bekannten Sprüchworte: Hier liegt der Hund begraben, Gelegenheit gegeben habe. Doch davon ein andermal, damit wir von der »Monachopornomachie« nicht zu weit abkommen. Ihnen in wenig Worten einen Begriff davon zu machen, muß ich sagen, daß sie eine Art einer Komödie ist; ich sage eine Art, und noch dazu eine der allerschlechtesten Arten: oder sollte ich sie nicht vielmehr einen Mischmasch unzüchtiger Gespräche nennen, die ungefähr den Schein einer Verbindung haben? Die Personen, welche darinne aufgeführet werden, sind: Venus, die Liebesgötter, der Gott verbotner Ehen, Luther, Jonas, Spalatin, die Weiber dieser drei Männer, Catta, Elsa und Jutta, einige Freunde des Luthers, verschiedene Liebhaber der benannten drei Matronen und andre Nebenpersonen; wie es denn der Dichter auch nicht an ein paar Chören hat fehlen lassen. Die Handlung läuft ungefähr dahinaus: Anfangs sucht sich Luther von seiner Käthe, die er schon im Kloster unter Versprechung der Ehe, soll gebraucht haben, auf alle mögliche Art los zu machen. Doch da er eben am eifrigsten daran arbeitet, und schon im Begriff ist, eine andre zu heiraten, kömmt ihm seine alte Liebste aus dem Kloster über den Hals, und weiß ihn so feste zu fassen, daß er sie notwendig zur Frau nehmen muß. Als seine Freunde, Jonas und Spalatin dieses sehen, wollen sie ihn in der Schande nicht alleine stecken lassen, sondern nehmen ein jeder eine von den geistlichen Nymphen, welche Käthe aus ihrem Kloster mit gebracht hatte. Doch alle dreie finden ihre Männer hernach ziemlich ohnmächtig, so daß sie sich notwendig auf auswärtige Kost befleißigen müssen. Hier findet Lemnius Gelegenheit die Frau des Spalatin fein mit dem Worte Spado spielen zu lassen, und durchaus solche Dinge anzubringen, welche[286] Ärgernis und Ekel erwecken. Die kleinen Gedichte, welche an der Bildsäule des Priapus sollen gestanden haben, sind bei weiten nicht so schmutzig, und ungleich sinnreicher. Ich glaube nicht, daß Sie mir es zumuten, etwas daraus anzuführen: damit Sie aber doch nur einigermaßen urteilen können, so will ich Ihnen die Anrede an Luthern, welche gleich auf die oben angeführten Worte folgt, abschreiben. Wann sie Ihnen ihrer eignen Schönheiten wegen nicht gefallen will, so bedenken Sie nur, daß sie aus einer, mit dem Herrn Janotzky zu reden, ganz entsetzlich raren Schrift genommen ist, vielleicht gefällt sie Ihnen alsdann besser. Denn an dem raren, mein Gott! muß doch wohl etwas sein.


Ad Lutherum

Pacis pernities, et causa Luthere tumultus,

O et Saxonicae perfide Praeses aquae,

Qui regis indoctum fallax sine jure popellum,

Quique tuo clarurm crimine reddis opus,

Saxonicasque tenes urbes, et cogis ad arma,

Et tibi Leucorium subjicis ipse tuum,

Qui vacuos culpa damnas, solvisque nocentes,

Quique reos falsa judicis arte premis,

Persequerisque pios insigni fraude poetas,

Et qui castalias pellis ab urbe Deas;

Qui toties captos jugulasti mille colonos,

Et toties reparas horrida bella manu;

Cujus et auspiciis sudarunt sanguine fossae,

Et rubeos fluctus unda cruenta dedit,

Ac toties patriis arserunt ignibus arces,

Pertulit et tantum Teutonis ora malum!

Si tibi paulisper cessant convitia linguae,

Et vacat a cunno mentula forte tua,

Accipe non laeto precor haec mea carmina vultu.

Quosque dedit lusus Pieris ipsa lege.

Tristia cum dederint nostrae solatia Musae,

Et poterint versus displicuisse mei;

Tum meliora tibi, tum candida crimina nosces,

Incertusque leges pignora chara tua.[287]


Ich will es einem neuen Cochläo überlassen, alle diese Vorwürfe durch nötige Erdichtungen, wann er keine wahrhafte Begebenheiten finden kann, zu unterstützen. Ich begnüge mich, Ihnen meinen Abscheu gegen solch lüderliches Zeug zu bezeigen, und zu versichern, daß dieses noch das allerzüchtigste ist, was ich aus den ganzen drei Bogen habe aussuchen können. Es ist aber auch nur der Anfang, von welchem man, in Ansehung des Endes, noch mit Recht sagen könnte:


Desinit in piscem mulier formosa superne.


Dieses Ende ist ein Chor von Babyloniern, und fängt sich folgender Gestalt an:


Lusus, delitias, Cupidinesque

Et cunnos dedimus, vale Luthere,

Appelles aliter licet Luthere.

Refert nempe parum, nihilque refert,

Seu dicas veteris dies Priapi,

Seu festum vocites tibi Lupercal,

Seu floralia, quae semel Catoni

Olim visa fuere – – –


Doch ich komme wieder in das Abschreiben, und bedenke nicht, mit was für Niederträchtigkeiten ich mir diese Mühe gebe; ich habe nur immer bloß ihre Seltenheit vor Augen. Kurz vor dieser Stelle wird noch ein gewisser Valens von Bibra, als der Liebhaber der Käthe, eingeführt. Ich vermute, daß er ein Tischgenosse wenigstens ein Hausgenosse des Luthers gewesen ist, von welchen, wenn ich nicht irre, Götze eine historische Dissertation geschrieben hat. Ich habe sie zwar vor langer Zeit einmal gelesen, ich kann mich aber nicht besinnen, diesen Namen darinne bemerkt zu haben. Ei! Ei! Wie wird die gute Käthe geschimpft haben! Man sagt ihr ohnedem nach, daß sie ein wenig stolz und unleidlich gewesen sei. Und wenn – – – Eben jetzt überfällt mich unser gemeinschaftlicher Freund, Herr B**. Die Freude über einen so seltnen Besuch macht, daß ich nicht einmal den angefangenen Perioden ausschreiben kann. Ich habe alles vergessen. Trösten Sie sich nur; es wird nicht viel besonders gewesen[288] sein. Wir empfehlen uns beide Ihrer Freundschaft. O wie wollen wir schwatzen! Leben Sie wohl. Ich bin etc.

Quelle:
Gotthold Ephraim Lessing: Werke. Band 3, München 1970 ff., S. 285-289.
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