[Verstreute Bemerkungen]

Leute, die viel auf der Straße lesen, lesen gemeiniglich nicht viel zu Hause.

[VB 3]
[550]

Auch selbst den weisesten unter den Menschen sind die Leute, die Geld bringen, mehr willkommen, als die, die welches holen.

[VB 4]


Man hat so viele Anweisungen, den Wein recht zu bauen, und noch keine, ihn recht zu trinken. Er wächst nur gut unter dem Schutz eines sanften Himmels, und ähnliche Seelen müssen diejenigen haben, die ihn am besten trinken. Derjenige, der mehr als eine Bouteille trinkt, ohne entweder französisch, oder von seinem Mädchen zu sprechen, ohne mich seiner Freundschaft zu versichern, ohne zu singen, ohne irgend ein kleines Geheimnis zu verraten usw., und der, der beim vierten Glas mich hitzig fragt, ob ich ihn nicht für einen braven Kerl halte, alle kleinen Scherze krittlich abwägt, kurz der Unglückliche, der beim Wein immer Schläge haben will, und sehr oft auch bekommt, täten beide weiser, wenn sie Wasser tränken.

[VB 5]


Es wäre vielleicht gut, wenn Redner sich Einen hohen Absatz am Schuh machen ließen, um im Fall der Not sich auf einmal viel größer zu machen. Diese Figur müßte, zur rechten Zeit gebraucht, von unglaublicher Wirkung sein.

[VB 6]


Ein Mensch, der mit einem Fluch andern die Herzhaftigkeit nimmt und sich gibt – ein Straßenräuber.

[VB 7]


Kirchtürme, umgekehrte Trichter, das Gebet in den Himmel zu leiten.

[VB 8]


Königlicher Hofblitzableiter – ein Titel.

[VB 9]


Er war nicht sowohl Vater des Vaterlandes, als dessen Generalquartiermeister.

[VB 10]


Ein Mannsfriseur, der auch allenfalls mit Frauenzimmern fertig werden kann.

[VB 11]


Wenn man seinen Stammbaum und die hoffnungsvolle Jugend ansah, so mußte man gestehen, daß die Familie ein wahrhaftes perpetuum nobile wäre.

[VB 12]
[551]

Er saß zwischen seinen jungen Hündchen, und nannte sich Daniel in der Löwengrube.

[VB 16]


Das neue Testament, von neuem aus dem Griechischen übersetzt, vermehrt und verbessert usw.

[VB 25]
[552]

Er war der Ausrufer des Evangelii, denn Prediger konnte man ihn nicht nennen.

[VB 29]


Ich habe gehört, er soll zuweilen nüchtern sein.

[VB 30]


Er war der wahre Sekundenzeiger des Anstandes, der Vernunft und des guten Geschmacks.

[VB 31]


Der gute Ton steht dort um eine Oktave niedriger.

[VB 32]


Das Wort Halsgericht könnte zuweilen von einem concilio medico gebraucht werden.

[VB 33]


Er hatte eben einige lateinische Wörter apportieren gelernt.

[VB 34]


Man sagt: das Adlerauge der Kritik. In vielen Fällen wäre es besser, zu sagen: die Hundsnase der Kritik.

[VB 35]
[553]

Ich möchte wohl den Titel des letzten Buches wissen, das gedruckt wird, Original versteht sich, nicht Auflage.

[VB 39]


Was die Enthusiasten Beobachtung nennen ist gemeiniglich über die Hälfte Urteil.

[VB 41]


Was hilft aller Sonnenaufgang wenn wir nicht aufstehen.

[VB 44]


Die Fehler, die die Damen beim Sprechen machen sind oft unwiderstehlich.

[VB 45]


Fußnoten

1 Hieher gehört Bogatzky, Sen[ior]. Goeze pp.


2 Gunkel muß hinein. Das ewige was Shakespear und nicht Shakespear.


3 Robertson schreibt ihn Haimon.


4 Weber Malek S. den 3. Tag in den Persischen Märgen.


5 Man wird mich verstehen, ich sage nicht, daß man sie für Lügner hält, das ist Herr Lavater gewiß nicht, und niemand als der Teufel könnte so was Herrn Lavater schuld geben.


6 In seinem Leben, 2. T.S. 114.


7 Man muß sich vorstellen, das Lesen geschehe in einem öffentlichen Blatte, worin sowohl politische, als gelehrte Neuigkeiten, Avertissements von allerlei Art, usw. anzutreffen sind: der Druck jeder Seite sei in zwei oder mehrere Kolumnen geteilt, und man lese die Seiten quer durch, aus einer Kolumne in die andere.


Quelle:
Georg Christoph Lichtenberg: Schriften und Briefe. Band 2, München 1967 ff..
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
[Aus den »Sudelbüchern«]
Aus den »Sudelbüchern«

Buchempfehlung

Klopstock, Friedrich Gottlieb

Hermanns Schlacht. Ein Bardiet für die Schaubühne

Hermanns Schlacht. Ein Bardiet für die Schaubühne

Von einem Felsgipfel im Teutoburger Wald im Jahre 9 n.Chr. beobachten Barden die entscheidende Schlacht, in der Arminius der Cheruskerfürst das römische Heer vernichtet. Klopstock schrieb dieses - für ihn bezeichnende - vaterländische Weihespiel in den Jahren 1766 und 1767 in Kopenhagen, wo ihm der dänische König eine Pension gewährt hatte.

76 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon