Legende

[5] Ev. Matthäi 26, 36-45.


Als der Herr in Gethsemane

Auf Knieen lag im schwersten Weh,

Als er sich hob, nach den Jüngern zu schauen,

Ließ er die Thränen niedertauen:

Er fand sie schlafend, und mit den Genossen

Hatte selbst Petrus die Augen geschlossen.

Zum zweiten Mal sucht er die Seinen dann,

Die liegen noch immer in Traumes Bann.

Und zum Dritten, allein im Schmerz,

Zeigt er Gott das kämpfende Herz.

Die heilige Stirn wird ihm feucht und naß,

»Mein Vater, ist es möglich, daß ...«

Und durch ein Gartenmauerloch

Schlüpft ein zottig Hündchen und kroch

Dem Heiland zu Füßen und schmiegt sich ihm an,

Als ob es ihm helfen will und kann.

Und der Herr hat mild lächelnd den Trost gespürt,

Und er nimmt's und drängt's an die Brust gerührt

Und muß es mit seiner Liebe umfassen,

Die Menschen hatten ihn verlassen.


Quelle:
Detlev von Liliencron: Der Haidegänger und andere Gedichte, Leipzig 1890, S. 5-6.
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