Abschied vom Leben

[139] Ins halb schon tote Herz, ins alte, grüßen

Noch einmal Vogelsang und Sommerranken.

Wie blau der Himmel; welch ein lustig Schwanken

Der grünen Blätter, die sich neckend küssen.
[139]

Und nun das herbe Abschiednehmenmüssen.

Vorbei, wie zögernd, gleiten in Gedanken

Die wenigen Stunden, die ins Herz mir sanken

Mit reinen Seligkeiten und Genüssen.


Gönnt mir den letzten Trunk aus diesen Schalen,

eh ich hinab muß in die grauen Gründe;

O gönnt ihn mir als letzte meiner Qualen!


Lebt wohl! Klagt euerm Gott all meine Sünde!

Ihr kennt die Schmerzen nicht, die in mein Leben

Sich gruben; sonst – ihr würdet mir vergeben.


Quelle:
Detlev von Liliencron: Gute Nacht. Berlin 1909, S. 139-140.
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