Im Spätherbst

[75] Es fallen von den Bäumen

Die welken Blätter ab,

Ich wandle still in Träumen

Den Felsenpfad hinab.


Die Wolken, wie sie jagen,

Im Abendgolde blühn,

Von Stürmen fortgetragen,

Und in die Nacht verglühn!
[75]

In Schwärmen kommt gezogen

Der Wandervögel Schar

Dem Süden zugeflogen:

Zu Ende geht das Jahr.


Die Blumen an dem Bache,

Vom letzten Tau gestärkt,

Verblühn in stillem Ache

Allmählich, unvermerkt.


Vergangne Jahre schweben

Mit Wind und Wolken fort,

Vergangen Leid und Leben,

Verklungen Lied und Wort.


Der Wind entlaubt die Bäume –

Mir ist es einerlei!

Die Tage werden Träume,

Die Freuden sind vorbei.

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 75-76.
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