Maja

[233] Süße Täuschung, holder Trug,

Immer hast du mich begleitet,

Meinem Lebensweg genug

Freuden und Genuß bereitet.

Nicht der Andern plumpe Kost

Gabst du mir vom Glück der Dinge,

Nur den Duft, den Schaum, den Most

Und was eine Taubenpost

Tragen kann auf ihrer Schwinge.


Träume gabst du, hingehaucht

In das goldne Licht vom Morgen,

Hast in Strahlen dich getaucht

Und, was häßlich war, verborgen.

Ward ich manchmal irrgeführt,

Wo dein Schleier mich betrogen,

Dafür hat auch, kaum gespürt,

Sanfter mich der Schmerz berührt,

Wo dein Schleier mich umflogen.

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 233.
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