5.

[36] Hier gibt der Liebende Bescheid,

Was dieser Reigen wohl bedeut',

Und wie die Adlichkeit er sieht,

Die ihn aus Freundschaft zu sich zieht,

Und die die Weise ganz ihm zeigt,

In welcher sich der Reigen neigt.


Den Reigen dort nun, wie er war,

Beschaut' ich mir, so lang' bis gar

Ein Fräulein, schön und wohl gemeit,

Mich aufgeweckt – die Adlichkeit –

Die stark und zierlich auch. Bewahr'

Dich Gott vor Schaden immerdar! –

Sprach Adlichkeit, wie sie mich sah:

»Nun, guter Freund, was macht Ihr da?«

Spricht Adlichkeit – »so kommt doch näh'r

Und in den Reigen mit hierher,

Hier neben uns, wenn's Euch gefällt.«

Und ohne Zaudern unverstellt[37]

Trat in den Reigen ich nun ein,

Und thät mich dessen sehr erfreun.

Doch wißt, wie ich mich sehr ergetzt,

Daß Adlichkeit mir zugesetzt,

Auffordernd mich zum Tanz mit ihr;

Doch trug zum Tanz ich nicht Begier,

Um keinen Preis nur wagt' ich mich;

Doch macht' ich flugs an's Ansehn mich

Der Reigen, Runde, Gäng' und Kreis',

Des ganzen Tanzes Art und Weis'.


Und aller dieser Tänzer Schaaren,

Die nenn' ich jetzt Euch, wer sie waren:

Herr Wohlgemuth war schön und werth,

Nie möcht' ich schau'n mehr auf der Erd' –

Und nirgends fändet Schöner'n Ihr:

Das Antlitz war wie'n Apfel schier,

So roth und weiß in schönem Bund',

Gar zierlich war es, schön und rund.

Die Augen licht – Mund süß – davon

Stieg hoch und frei die Nas' empor. –

Blond war das Haar und lockig viel

Von Schultern auf die Knie' es fiel,

Und um den Gurt geringelt mild,

Es schien das Ganz' als wie ein Bild;

So war er schön und wohl gefügt,

An allen Gliedern wohl geschmiegt,[38]

Sie waren schwellend, leicht und schnell,

Es lebt kein schönerer Gesell.

Er hat nicht Schnauz- – noch Backenbart,

Kein Zwickelbärtchen keiner Art

Wie's wohl so jungem Burschen ließe,

Mit Stickerei in Sammetfrieße,

Mit Vöglein drauf in Gold gemalt

Sein ganz Gewand gar köstlich stralt.

Es war sein Umrock, wohl umhüllt,

Mit reichlichem Besatz' erfüllt;

Mit Schmuck besetzet drüberhin –

Die Schuh' von einer Meisterin,

Sie war'n mit Schnüren wohl verseh'n,

Aus Gunst und Freundschaft war's gescheh'n,

Daß eine Traut' ihm wand zum Glanz

Von Rosen einen schönen Kranz.


Mißt Ihr, von welcher Traut' es kam?

Frau Heiter, die ihm gar nicht gram –

Sie tanzte heut so froh gerad,

Wie sie vor sieben Jahren that,

Als ihre Lieb' sie ihm gewährt –

Die Hand hält er ihr, lieb und werth

Die liebreich sie im Tanz ihm beut;

Sie liebten sehr sich wechselseit.

Ein Schöner war's und eine Schön',

Der jungen Rose gleich zu sehn[39]

Und all' so zart war ihre Haut,

Daß ich sie leicht zu ritzen traut'

Mit einem ganz, ganz kleinen Dorn' –

Glatt, weiß und rein die Stirne vorn,

Gewölbt und braun die Augenbrau'n,

Die Augen groß, und so zu schaun,

Daß stets sie lachten, ehe noch

Der Mund es that – der's wollte doch.

Und von der Nas', was sag ich jetzt,

Daß sie kein Wachs so fein ersetzt!

Ganz, ganz klein war ihr Mund, es scheint,

Zum Kuss' gemacht für ihren Freund.

Das Haupt stieg blond und licht empor.

Was schwatz' ich Euch noch lange vor?

Sie war gar schön und wohl geschmückt,

Die Kleider reich mit Gold gestickt. –

Sie hat 'nen Hut, 'nen schönen neu'n,1

Ich sähe zwanzig wohl und neun,2

Doch niemals hab' ich noch gesehn,

Ein'n Hut so schön von Seide stehn.

Und eine Kante, gülden ganz,

Erhöh'te ihres Kleides Glanz,

Vom selben Stoff' wie Sein's, jedoch

War's wohl viel malen schöner noch!

1

Nuef, neu und nuef, neun.

2

Nuef, neu und nuef, neun.

Quelle:
Guillaume de Lorris: Das Gedicht von der Rose. Berlin 1839, S. 36-40.
Lizenz:

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