II.

Der Traum des Nebucadnezar mit dem von dem Stein bedrohten Bild (Dan. 2,31-35).
Der Traum des Nebucadnezar mit dem von dem Stein bedrohten Bild (Dan. 2,31-35).

1JM andern jar des Reichs NebucadNezar hatte NebucadNezar einen Traum dauon er erschrack / das er auffwacht. 2Vnd er hies alle Sternseher vnd Weisen / vnd Zeuberer vnd Chaldeer zusamen foddern /das sie dem König seinen Traum sagen solten. Vnd sie kamen vnd traten fur den König. 3Vnd der König sprach zu jnen / Jch hab einen Traum gehabt / der hat mich erschreckt / Vnd ich wolt gerne wissen / was fur ein Traum gewest sey.

4DA sprachen die Chaldeer zum König auff Chaldeisch / Herr König / Gott verleihe dir langes leben / Sage deinen Knechten den Traum / so wöllen wir jn deuten. 5Der König antwortet / vnd sprach zu den Chaldeern / Es ist mir entfallen / Werdet jr mir den Traum nicht anzeigen / vnd jn deuten / So werdet jr gar vmbkomen / vnd ewre Heuser schendlich verstöret werden. 6Werdet jr mir den Traum anzeigen vnd deuten / So solt jr Geschenck / Gaben / vnd grosse Ehre von mir haben / Darumb so sagt mir den Traum vnd seine deutung. 7Sie antworten widerumb /vnd sprachen / Der König sage seinen Knechten den Traum / so wöllen wir jn deuten.

8DER König antwortet / vnd sprach / Warlich ich mercks / das jr frist suchet / weil jr sehet / das mirs entfallen ist. 9Aber werdet jr mir nicht den Traum sagen / So gehet das Recht vber euch / als die jr lügen vnd geticht fur mir zu reden furgenomen habt / bis die zeit fur vbergehe / Darumb so sagt mir den Traum /so kan ich mercken / das jr auch die deutung trefft. 10Da antworten die Chaldeer fur dem Könige / vnd sprachen zu jm / Es ist kein Mensch auff Erden / der sagen könne / das der König foddert / So ist auch kein König / wie gros oder mechtig er sey / der solchs von jrgend einem Sternseher / Weisen / oder Chaldeer foddere. 11Denn das der König foddert / ist zu hoch /vnd ist auch sonst niemand / der es fur dem Könige sagen könne / ausgenomen / die Götter / die bey den Menschen nicht wonen.

12DA ward der König seer zornig / vnd befalh alle Weisen zu Babel vmb zu bringen. 13Vnd das Vrteil gieng aus / Das man die Weisen tödten solt / vnd Daniel sampt seinen Gesellen ward auch gesucht / das man sie tödtet.


14DA vernam Daniel solch vrteil vnd befelh von Arioch dem öbersten Richter des Königes, welcher auszoch zu tödten die Weisen zu Babel. 15Vnd [115a] er fieng an / vnd sprach zu des Königes vogt /Arioch / Warumb ist so ein strenge Vrteil vom Könige ausgegangen? Vnd Arioch zeigets dem Daniel an. 16Da gieng Daniel hin auff vnd bat1 den König / das er jm frist gebe / damit er die deutung dem Könige sagen möcht. 17Vnd Daniel gieng heim / vnd zeiget solchs an seinen Gesellen / Hanania / Misael vnd Asaria / 18das sie Gott vom Himel vmb gnade beten /solchs verborgen dings halben / Da mit Daniel vnd seine Gesellen nicht / sampt den andern Weisen zu Babel / vmbkemen.

19DA ward Daniel solch verborgen ding durch ein Gesicht des nachts offenbart2. 20Darüber lobte Daniel den Gott von Himel / fieng an / vnd sprach / Gelobet sey der name Gottes von ewigkeit / zu ewigkeit /Denn sein ist / beide weisheit vnd stercke / 21Er endert zeit vnd stunde3. Er setzt Könige abe / vnd setzt Könige ein / Er gibt den Weisen jre weisheit / vnd den Verstendigen jren verstand / 22Er offenbart was tieff vnd verborgen ist / Er weis was im finsternis ligt / Denn bey jm ist eitel Liecht. 23Jch dancke dir vnd lobe dich Gott meiner Veter / Das du mir weisheit vnd stercke verleihest / vnd jtzt offenbart hast /darumb wir dich gebeten haben / nemlich / Du hast vns des Königes sache offenbart.


24DA gieng Daniel hinauff zu Arioch der vom Könige befelh hatte / die Weisen zu Babel vmbzubringen / vnd sprach zu jm also / Du solt die Weisen zu Babel nicht vmbbringen / Sondern füre mich hinauff zum Könige / Jch wil dem Könige die deutung sagen.25Arioch bracht Daniel eilends hinauff fur den König / vnd sprach zu jm also / Es ist einer funden vnter den Gefangenen aus Juda / der dem Könige die deutung sagen kan. 26Der König antwortet / vnd sprach zu Daniel / den sie Beltsazer hiessen / Bistu der mir den Traum / den ich gesehen habe / vnd seine deutung zeigen kan?

27DAniel fieng an fur dem Könige / vnd sprach /Das verborgen ding / das der König foddert von den Weisen / Gelerten / Sternsehern vnd Warsagern / stehet in jrem vermügen nicht dem Könige zu sagen.28Sondern Gott von Himel / der kan verborgen ding offenbaren / Der hat dem Könige NebucadNezar angezeigt / was jn künfftigen zeiten geschehen sol.


29DEin Traum vnd deine Gesicht / da du schlief fest / kam da her / Du König dachtest auff deinem Bette / Wie es doch hernach gehen würde / Vnd der so verborgen ding offenbart / hat dir angezeigt / wie es gehen werde4. 30So ist mir solch verborgen ding offenbart / Nicht durch meine weisheit / als were sie grösser denn aller / die da leben / Sondern darumb /das dem Könige die deutung angezeigt würde / vnd du deines hertzen gedancken erfürest.

31DV König sahest / vnd sihe / Ein seer gros vnd hoch Bilde stund gegen dir / das war schrecklich an zusehen. 32Des selben bildes Heubt war von feinem golde / Seine Brust vnd Arm waren von silber / Sein Bauch vnd Lenden waren von ertz. 33Seine Schenckel waren eisen / Seine Füsse waren eins teils eisen / vnd eins teils thon. 34Solches sahestu / Bis das ein Stein herab gerissen ward / on hende / Der schlug das Bilde an seine Füsse / die eisen vnd thon waren / vnd zumalmet sie. 35Da wurden mit einander zumalmet /das Eisen / Thon / Ertz / Silber vnd Gold / vnd wurden wie Sprew auff der Sommertennen / vnd der Wind verwebt sie / das man sie nirgend mehr finden kundte. Der Stein aber / der das Bilde schlug / ward ein grosser Berg / das er die gantze Welt füllete. 36Das ist der Traum / Nu wöllen wir die deutunge fur dem Könige sagen.


37DV König bist ein König aller Könige / dem Gott von Himel Königreich / macht / stercke vnd ehre gegeben hat / 38vnd alles da Leute wonen / Da zu die Thier auff dem felde / vnd die Vogel vnter dem Himel in deine hende gegeben / vnd dir vber alles gewalt verlihen hat / Du bist das gülden Heubt. 39Nach dir wird ein ander Königreich auffkomen / geringer denn deines. Darnach [115b] das dritte Königreich / das Ehern ist / welchs wird vber alle Land herrschen. 40Das vierde wird hart sein / wie eisen / Denn gleich wie Eisen alles zumalmet vnd zuschlegt / ja wie eisen alles zubricht / Also wird es auch alles zumalmen vnd zubrechen.

41DAS du aber gesehen hast / die Füsse / vnd Zee eins teils thon / vnd eins teils eisen / Das wird ein zerteilet Königreich sein / Doch wird von des Eisens pflantze5 drinnen bleiben / wie du denn gesehen hast eisen mit thon vermengt. 42Vnd das die Zee an seinen Füssen / eins teils eisen / vnd eins teils thon sind /Wirds zum teil ein starck / vnd zum teil ein schwach Reich sein. 43Vnd das du gesehen hast Eisen mit Thon vermengt / Werden sie sich wol nach Menschengeblüt vnternander mengen / Aber sie werden doch nicht an einander halten / Gleich wie sich eisen mit thon nicht mengen lesst.


44ABer zur zeit solcher Königreiche / wird Gott von Himel ein Königreich auffrichten / das nimer mehr zustöret wird / Vnd sein Königreich wird auff kein ander Volck komen. Es wird alle diese König reiche zumalmen vnd verstören / Aber es wird ewiglich bleiben. 45Wie du denn gesehen hast einen stein / on Hende vom Berge herabgerissen / der das Eisen / Ertz / Thon / Silber vnd Gold zumalmet. Also hat der grosse Gott dem Könige gezeigt / wie es hernach gehen werde / Vnd das ist gewis der Traum /vnd Deutung ist recht.


46DA fiel der könig NebucadNezar auff sein angesicht vnd betet an6 / fur dem Daniel / Vnd befalh /man solte jm Speisopffer vnd Reuchopffer thun. 47Vnd der König antwortet Daniel / vnd sprach / Es ist kein zweiuel / ewr Gott ist ein Gott vber alle Götter / vnd ein HErr vber alle Könige / Der da kan verborgen ding offenbaren / weil du dis verborgen ding hast können offenbaren. 48Vnd der König erhöhet Daniel / vnd gab jm gros vnd viel Geschencke / vnd macht jn zum Fürsten vber das gantze Land zu Babel / vnd setzt jn zum Obersten vber alle Weisen zu Babel7. 49Vnd Daniel bat vom Könige / das er vber die Landschafften zu Babel setzen möchte / Sadrach / Mesach / AbedNego / vnd er / Daniel / bleib bey dem Könige zu Hofe. [116a]


1 Gebet ist vnser endlicher trost vnd zuflucht / vnd lesst vns auch nicht feilen.

2 Wie gern vnd gnediglich höret Gott der Gleubigen gebet.

3 Er setzt zeit / wie lang ein jglich Reich stehen / Ja wie lang ein jglich Mensch leben / vnd ein jglich ding weren / sol.

4 Das mag ja ein Demut heissen.

5 Etliche sagen von des eisens stercke etc. Er wil aber sagen / Das das Römische Reich / zur zeit / wenn es zertrennet sein wird / versetzt / vnd gleich wie eine Pflantze oder Wurtzel anderswo hin komet. Vnd sol doch desselben eisens oder Reichs Pflantze / vnd nicht ein new ander Reich sein. Dis ist alles geschehen / da das Römisch Reich von den Griechen auff die Deudschen komen ist / durch den Bapst / vnd Carolum Magnum.

6 Er betet an / nicht Daniel / Sondern Gott in Daniel / sonst hette es Daniel nicht gelidden.

7 Weisheit regiert vber Gewalt.


Quelle:
Martin Luther: Die gantze Heilige Schrifft Deudsch. 2 Bände, München 1972.
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