Das Siebend Gebot.
Du solt nit stelen.

[270] Disz gebot hat auch einn werck, wilchs gar viel gutte werck in sich begreyfft unnd vielen lastern widder ist, und heyst auff deutsch Mildickeit, wilchs ist ein werck, das von seinem gut yderman willig ist zuhelffen unnd dienen, und streytet nit allein widder den diebstal und rauberey, szondern widder alle vorkurtzung, szo ym zeitlichen gut eines gegen dem andern mag ubenn, als da sein geytz, wucher, ubertheuren, ubirschlahen, falsche ware, falsch masz, falsch gewicht brauchen, unnd wer mochts alles ertzelen, die behenden newen spitzigen fundlin, die sich teglich mehren in aller hanthierung, in wilchen yderman sein vorteyl sucht mit des andern nachteyl, und vorgisset des gesetzes, das do sagt [Rand: Matth. 7, 12.] ›Was du wilt, das dir andere thunn, das thu dw yhnn auch‹. Wer disse[270] regel fur augen hilte, ein iglicher in seynem handtwerck, gescheffte und handel gegen seynem nehsten, wurd wol finden, wie er solt kauffen und vorkauffen, nehmen und geben, leyhen und umb sonst geben, zusagen und halten, und des gleichen, und szo wir ansehen die welt in yhrem wesen, wie der geitz in allem handel das regiment hat, wurdenn wir nit allein zuschaffen gnug gewinnen, solten wir uns mit got unnd ehren erneren, sondern auch einen grawen und schrecken empfahen fur disem ferlichen, elenden leben, das mit sorgen zeitlicher narunge und unredlichem gesuch der selben szo gar ubirladen, bestrickt und gefangen ist.

Czum andern, Drumb nit umb sonst der weysze man sagt ›Selig ist der [Rand: Sir. 31, 8 f.] reiche man, der erfunden ist an mackel, der nit ist dem golt nachlauffen, unnd hat seyn zuvorsicht nit gestelt in die schetz des gelts. wer ist der? wir wollen yhn loben, das er hab wunderthat gethan in seinem leben‹, als solt er sagen ›man findet keinen odder gar wenig‹. Ja yhr ist gar wenig, die solch goltsucht in yhn selbs mercken unnd erkennen, dan der geytz hat alhie gar einenn hubschen, feynen schandt deckel, der do heyst Leybs narung und naturlich nodturfft, darunder ehr handelt an masz unnd unsettiglich, das, wer sich hyrinne sol reyn halten, musz furwar, wie ehr sagt, wundertzeychen odder wunderthat in seynem lebenn thunn.

Nu sich, wer nit allein wil gute werck, sondern auch wundertzeichen thun, die got lobe unnd yhm gefallen lasse, was darff er viel anderszwo hyn gedencken? Er hab acht auff sich selb und sehe zu, das er dem golt nit nah lauff, und setze sein zuvorsicht nicht auffs gelt, szondern lasz das golt yhm nachlauffen und das gelt seiner gnade warten, und lasz yhm der keins lieben, noch sein hertz dran kleben, szo ist ehr der recht milde, wunderthetiger, seliger mann, wie Job xxxi. sagt: Ich hab noch nie auffs golt mich vorlassen, unnd [Rand: Hiob 31, 24.] das gelt noch nie lassen mein trost und zuvorsicht sein. Unnd psalmo lxij. [Rand: Ps. 62, 11.] Szo euch reychtumb zufliessenn, solt yhr yhe ewr hertz nit dran hafften. Szo leret auch Christus Mat. vi. wir sollen nit sorgfeltig sein, was wir essen, [Rand: Matth. 6, 31 f.] trincken, unnd wie wir uns kleyden, seyntemal got dafur sorgt und weysz, das wir desselben durffen.

Aber etlich sagen ›Ja vorlasz dich drauff, sorge nit, unnd sihe, ab dir ein bratensz hun ynsz maul fliege‹. Ich sag nit, das niemant erbeyten und narung suchen sol, sondern nit sorgen, nit geytzig sein, nit vortzagen, ehr werd gnug habenn, dan wir sein in Adam alle tzur erbeit vorurteylt, da got sagt Gen. iij. In dem schweysz deines angesichtes soltu essen dein brot, und Job v. [Rand: 1. Mos. 3, 19. / Hiob 5, 7.] wie der fogel zum fliegen, szo ist der mensch geborn zur erbeyt. Nu fliegen[271] die fogel on sorge und geytz, szo sollen wir auch erbeyten on sorge unnd geytz Szo dw aber sorgest unnd geytzig bist, auff das dir das bratenn hun ynsz maul fliege, szo sorge und sey geytzig, und sich, ob du gottis gebot erfullen und selig werdest.

Czum dritten, Disses werck leret von yhm selb der glaub, dan so das hertz sich gotlicher huld vorsiht und sich drauff vorlessit, wie ists muglich, das der selb solt geytzig unnd sorgfeltig sein? Er musz on zweyffel gewisz seinn, das sich got sein annehme: darumb klebet ehr ann keynem gelt, ehr praucht seinn auch mit frolicher mildickeyt dem nehstenn tzu nutz, weysz wol, das er werd gnug haben, wie viel er vorgibt, dan sein got, dem er trawet, wirt yhm [Rand: Ps. 37, 25.] nit liegen noch yhn vorlassen, wie psal. xxxvi. stet: Ich bin jung gewesenn und alt worden, hab noch nie gesehen, das ein gleubiger mensch, der got trawet (das ist ein gerechter), vorlassen odder sehn kind nach brot gangen sey. Darumb [Rand: Col. 3, 5.] heyst der Apostel kein andere sund abgoterey, dan den geytz, wilcher auffs aller grobst sich mercken lesset, das er got nichts trawet, mehr gutis zu seinem gelt, dan zu got sich vorsicht, durch wilch zuvorsicht got warhafftig wirt geehret odder vorunehret, wie gesagt ist.

Und furwar, in dissem gebot mag man klerlichen mercken, wie alle gutte werck mussen im glauben gehen und geschehen, dan hie empfindet ein iglicher fast gewisz, das des geytzs ursach ist misztraw, der mildickeit aber ursach ist der glaub. Dan darumb, das er got trawet, ist er mild und zweiffelt nit, er habe ymer gnug. Widerumb, darumb ist er geitzig und sorgfeltig, das er got nit trawet. Wie nu in dissem gebot der glaub der werckmeyster und treyber ist des guten wercks der mildickeit, alszo ist ers auch in allen andern gebotten, unnd on sulchem glauben ist die Mildickeit nichts nutz, szondern mehr ein unachtsam vorschuttung des geltis.

Czum vierden, Hie bey ist auch zuwissen, das disse mildickeit sol sich erstrecken bisz zu den feyndenn und widderparten. Dan was ist das fur ein [Rand: Luc. 6, 32 ff.] gutthat, so wir allein den freunden milde sein, wie Christus Luce vi. leret? Thut doch das auch ein boszer mennsch dem andern, seinem freund. Dartzu auch die unvornunfftige thier yhres gleichen gutthetig und mild sein. Drumb musz ein Christen mensch hoher farenn, seine mildickeit auch den unvordientenn, ubeltethern, feynden, undanckbarn lassen dienen, und wie sein hymelischer vater [Rand: Matth. 5, 45.] seine sunne auch lassen auffgahn uber frum und bosze, und regen uber die danckbaren und undanckbaren.

Hie wirt sich aber finden, wie schwere gutte werck sein zuthun nach gottis gebot, wie sich die natur da gegen rumpfet, krummet und windet, die doch yhre eygen gutte, erlesene werck leichtlich unnd gerne thut. Alszo nym[272] fur dich deyne feynnd, die undanckbarn, thu yhn wol, so wirstu finden, wie nah odder ferne du vonn dissem gebot seyest, unnd wie du dein lebenlang wirst ymmer zuschaffen haben mit ubunge disses werckis. Dan szo dein feynd dein bedarff, und du yhm nit hilffest, szo du magist, szo ists gleich szo vil, du hettest yhm das seyne gestolen, dan du bist yhm schuldig gewesen zuhelffen. Szo sagt sanct Ambrosius: Speysze den hungerigen, spehsestu yhn nit, szo hastu yhn erwurget, szo vil an dir ist. Unnd in dissem gebot gehnn die werck der barmhertzickeit, die Christus am jungisten tag foddern wirt. Doch solten die [Rand: Matth. 25, / 35 f.] herschafften unnd stete drob sehnn, das die landleuffer, Jacobs bruder, und was frembd betteler weren, vorboten wurden, odder yhe mit einer masse unnd ordenung zugelassen, das nit den buffen unter bettelns namenn yrre zu lauffen und yhre buberey, der itzt vil ist, gestattet wurd. Weytter von disses gebottis wercken hab ich ym Sermon von dem wucher gesagt.

Quelle:
Martin Luther: Werke. 120 Bände, Band 6, Weimar 1888 ff., S. 270-273.
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