313. Bestrafung böser Weiber.

[231] Wenn in Fulda bekannt wurde, daß ein Mann von seiner Frau mit Schlägen tractirt worden war, so nahm das fürstliche Hofmarschallamt die Sache vor, untersuchte dieselbe und erkannte,[231] wenn die That erwiesen wurde, Bestrafung. Diese aber bestand darin, daß die sämmtliche Hofdienerschaft1 sich zu dem Hause des Ehepaares verfügte und das Dach abdeckte. Eine solche Execution fand noch zur Zeit des siebenjährigen Krieges statt und ein Zuschauer erzählt dieselbe folgendermaßen: »Den Executionszug führte der Hoffourier, auf diesen folgte der jüngste Hoflakai mit einer Fahne, auf welcher die Hauptscene des Trauerspiels abgebildet war. Man sah nämlich, wie der Mann unter den Tisch zu kriechen bemüht war, während die Frau mit dem Bierkruge seinem Kopfe in rührigster Thätigkeit zusprach. Hinter dem Fahnenträger folgte dann die übrige Dienerschaft. Schon auf halbem Wege kam die Frau dem Zuge mit Wein und Branntwein entgegen, um sich damit von der Strafe zu lösen. Auch war dieses nicht ganz ohne Erfolg, indem es wenigstens eine Milderung bewirkte. Sobald der Zug bei dem Hause angelangt war, wurde sofort mit der Abnahme des Daches begonnen. Zahlreiche Hände waren in Thätigkeit, doch nur einige Hundert Ziegeln wurden zerbrochen, die übrigen aber auf den Boden niedergelegt. Während dieser Arbeit wurden Mann und Frau, welche beide wie arme Sünder flehend um Schonung baten, reichlich mit Hohn und Spott überschüttet. In fünf Minuten war die Execution vollendet und der Zug schritt in derselben Ordnung, wie er gekommen, wieder zum Schlosse des Bischofs zurück.

Ein ähnlicher Fall hatte sich im J. 1579 in Pohlgöns zugetragen. Die Bauern von Kirchgöns waren, um die Strafe zu vollziehen, mit Wagen und Eseln dorthin gezogen. Die Frau, welche ihren Mann mit einem Scheit Holz geschlagen, hatte sich versteckt und der Mann fand sich mit den Kirchgönsern ab, indem er ihnen eine Ohm Bier zusagte. Da er aber nachmals den[232] Vergleich nicht halten wollte, beschwerten sich jene bei den Beamten zu Gleiberg und wollten ihn angewiesen haben, die Ohm Bier und 9 fg. Unkosten zu bezahlen. In der Beschwerde heißt es: E.E.u.G. geben wir, die Gemeinde Kirchgöns im Hüttenberg, vnderthenig zu erkennen, wie das vor langen ohndencklichen Jahren hero bei vns (wie auch sonsten an anderen örtern mehr) ein vblicher vndencklicher vndt wolherbrachter Brauch gewesen, auch in Stätiger observantz gehalten worden, das wan ein Fraw ihren ehemann (den sie doch, Gottes Gebot nach, lieben, ehren vndt demselben allen gehorsam leisten vndt vnderwerffen, er der Mann aber ihr Herr sinn soll) mit feusten oder andern instrumenten schlügen, die nachbarn alsdann demselben Mann die forst von dem Dach abgebrochen vndt die Fraw landts gewonheit nach uff einen esel gesetzt, vndt mit denen zu diesem werck vndt Weiberstraff (damit Sie ihre Menner Hern bleiben undt die oberhandt behalten lassen) gehörigen Solemnitaeten herumb geführet haben, oder solche Personen sich mit vns abfinden müssen. Inmassen dan wir bei den Polginsern, und sie widderumb bei vns, solches lange Jare hero practiciret.« etc.

Hess. Volksblatt 1843, Nr. 22. – Justi, Vorzeit 1826, S. 265.

1

Unter ihr soll diese Strafe nur üblich gewesen sein.

Quelle:
Karl Lyncker: Deutsche Sagen und Sitten in hessischen Gauen. Kassel 1854, S. CCXXXI231-CCXXXIII233.
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