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Horch! klingt das nicht wie ferner Schwerterklang?
Die Marsch bebt unter dampfenden Schwadronen
Es jagt der Tod den weiten Plan entlang
Und erntet unter brüllenden Kanonen.
Bei Düppel ist's; des Dänen trotz'ger Sinn
Will deutsches Recht in deutschen Landen beugen;
Drum ziehen alle kampfbegierig hin,
Ihm deutsche Kraft und deutschen Muth zu zeigen.
Nun gilt's ein Ringen um den höchsten Preis,
Ein heißes Wogen und ein heißes Wagen.
Wohl schwitzt gar manch ein Herz purpurnen Schweiß
Und schlägt nur, um zum letzten Mal zu schlagen.
Doch mitten unter Leichen blüht der Sieg;
Nicht darf der Lorbeer Thränen uns erpressen:
Wer feindlich Bollwerk sterbend noch erstieg,
Der lebt und wär' er tausend Mal vergessen.
Denn die Geschichte schreibt mit gold'nem Stift
Und mißt Triumphe nicht nach kurzen Jahren.
Drum glänzt es fort in heller Flammenschrift:
»Der Löwe Sachsens ist's mit seinen Schaaren!«
Horch! klingt das nicht wie ferner Donnerschall?
Es blitzt wie Wetterleuchten um die Höhen,
Und unten fluthet es wie Wogenschwall,
Wie wirbelndes Gewölk bei Sturmeswehen.
Durch Böhmens Wälder wälzt sich wild die Fluth.
Ein Einziger steht ohne Furcht und Grauen;
In seinen Händen treu die Waffe ruht,
Und tausend Männerherzen ihm vertrauen.
»Laßt laufen, Kinder, was nur laufen kann!
Wir wollen ihnen freie Bahn erringen.
Zu kämpfen, nicht zu laufen ziemt dem Mann,
Will er sich Ehren um die Schläfe schlingen.«
Hell klingt das Wort, hell leuchtet auch der Stahl,
Um blitzend in des Feindes Brust zu fahren.
Wer naht, den trifft des Todes bleicher Strahl:
Der Löwe Sachsens ist's mit seinen Schaaren!
Horch! klingt das nicht wie ferner Trommelschlag?
Schon will der Abend blutig roth sich neigen;
In Pulverdampf hüllt scheidend sich der Tag,
Um trauernd in das Thal hinab zu steigen.
Bei Sanct Privat, bei Sedan und bei Brie
Ist Mancher in's zerstampfte Feld gesunken
Und hat, ermattet von des Kampfes Müh',
Aus schwarzem Schlunde ew'gen Schlaf getrunken.
Hell glänzen rings die Feuer der Bivouaks;
Da zieh'n mit festem, mannessich'rem Schritte
Kühntrotzige Gestalten durch die Nacht,
Den sieggewohnten Führer in der Mitte.
»Wer sind die Helden, die mit Eisenarm
Die fränkischen Cohorten niederschlugen
Und in der Feinde dichtgedrängten Schwarm
Mit starker Faust die Fahnen Deutschlands trugen?«
Dem Frager naht ein bärtiger Sergeant,
Des Tages Spur in den zerzausten Haaren.
»Die Leute, Herr, sind uns gar wohl bekannt:
Der Löwe Sachsens ist's mit seinen Schaaren!«
Horch! klingt das nicht wie ferner Glockenton?
Wohl muß des Erzes Stimme heut' erschallen,
Da um des Helden ruhmbekränzten Thron
Des Volkes Wünsche im Gebete wallen.
Ruht auch der Leu von großer, kühner That,
Ist doch nicht minder groß das schlichte Walten,
In dessen Sonne sich des Kampfes Saat
Zu segensreicher Ernte darf entfalten.
Die Faust, die einst das grimme Schwerdt gezückt,
Führt jetzt die Sichel durch die goldnen Halme.
Die Hand, die einst den Feind ins Feld gedrückt,
Pflegt liebevoll des Friedens schlanke Palme.
Laßt hoch die Flagge, stolz die Fahne weh'n;
Laut möge des Geschützes Gruß erklingen.
Laßt brausend heut' den Strom des Liedes geh'n
Und vollen Chor sich in die Lüfte schwingen.
Nehmt den Pokal, das volle Glas zur Hand,
Erhebt den Blick zum freien deutschen Aaren,
Und hell und jubelnd schall' es durch das Land:
»Der Löwe Sachsens hoch mit seinen Schaaren!«
Karl May[134]
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