Mein Elysium

Jeder Mensch, ob reich, ob arm,

Muß ein Plätzchen haben,

Wo er sich bei Freud' und Harm

Traulich kann vergraben.

Meines ist ein Kämmerlein,

Niedrig zwar und enge:

Tief wird's kaum vier Ellen sein,

Sieben in der Länge.

Wände hat es ihrer vier,

Aber keine Decke;

Denn statt dieser zeigt sich Dir

Eine lange Ecke.

Fast den allerkleinsten Raum

Füllt des Fensters Zierde,

Und vom Himmel seh ich kaum

Fünf Zoll in's Gevierte.

Was die Möbel anbelangt,

Sind's meist Invaliden;

Denn was Andre abgedankt

Wohnt bei mir in Frieden.

An den Wänden ringsherum

Siehst Du große Geister,

Im Repositorium

Werke dieser Meister.

Noch ein Liebchen sei erwähnt,

Das ich oft ergreife,

Das dort traulich winkend lehnt:

Meine lange Pfeife.

Also schaut mein Plätzchen aus,

's liebste mir auf Erden.

Wär' ich nicht ein lustig Haus,

Möcht ich Klausner werden.


Cl. May[67]


Quelle:
Mein Elysium. Jeder Mensch, ob reich, ob arm, […] Cl. May. In: Neuer Deutscher Reichsbote. Jg. 1878. S. [67]. – Stolpen (1877), S. 67-68.
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