In Ewigkeit

[302] Laß uns hinauf zu jenen Bergen steigen,

Auf denen einst die Macht der Welt gestanden!

Du sollst mir ihre starken Burgen zeigen

Und was von ihnen heut noch ist vorhanden.

Sie legte ihre Faust in jede Wage,

Und was sie that, das machte sie zum Recht.

So wurde sie, die Welt, der Welt zur Plage;

Der Mensch war nur ihr Sklave, nur ihr – – Knecht.


Doch heut? Verschwunden sind die stolzen Vesten;

Nur Trümmer mahnen an vergangne Zeiten.

Bisweilen stöbert unter diesen Resten

Die Gegenwart nach Sehenswürdigkeiten.

Und was sie findet, immer ists das Eine,

Wovon der Himmel täglich zu uns spricht.

Hier sagt ers in der Sprache dieser Steine:

»Die Welt vergeht; sie kennt die Liebe nicht!«[302]


Laß uns hinauf zu jenen Bergen steigen,

Auf denen einst die Macht des Herrn gestanden!

Du sollst mir seiner Liebe Wunder zeigen

Und was von ihnen heut noch ist vorhanden.

Sie legte ihre Hand auf jedes Leben,

Um es zu segnen, gnadenreich und lind,

Und wer sich ihr zu Eigen wollte geben,

Den nahm sie freudig auf, der wahr ihr – – Kind.


Und heut? Noch rühmen ihn der Himmel Heere;

Noch wird auf jedem Stern sein Lob gesungen;

Noch preisen ihn die Berge und die Meere;

Noch ist der Dank für ihn nicht ausgeklungen.

Noch stehen seiner Kinder selge Schaaren

Vor seinem Angesichte, dankbereit

Und hören nimmer auf, zu offenbaren:

»Die Liebe Gottes bleibt in Ewigkeit!«[303]


Quelle:
Himmelsgedanken. Gedichte von Karl May. Freiburg i.Br. (1900), S. 302-304.
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