Schon bevor der Vorhang sich hebt, hört man arabische Instrumente, die wie zu einem Tusch zusammenklingen, und es ertönen die gebräuchlichen Beifallsrufe wie »Brāwo!« »Āferīm!« »Āfak!« »Māschallāh« und »Tamām!« Dieser Beifall gilt dem Scheik, der neben dem Throne steht, die eine Hand auf dessen Lehne gestützt, in der andern Hand die zusammengelegte Kurbātsch. Er hat soeben die Dschemmāh eröffnet und ihr mitgeteilt, daß es sich um einen kühnen Streich gegen die Erzfeinde der Ān'allāh handle. Daher der stürmische Beifall.
Wenn der Vorhang aufgeht, sieht man die Aeltesten des Stammes im Kreise sitzen, auf untergelegten Matten, bequem, mit eingeschlagenen Beinen. Bei ihnen der Kādi, der Imām und der alte Hākawāti, der Typus des hochwürdigsten Greisenalters. Babel sitzt für sich an seinem Tischchen und beschäftigt sich während seiner Sprechpausen mit ausgegrabenen Altertümern, über die er sich Notizen macht. Die Anwesenden rauchen fast alle, und sie trinken auch alle Kaffee. Schēfakā hat ununterbrochen zu tun, die leeren Täßchen wieder zu füllen und neuen Tabak und glühende Holzkohlen zum Anschmauchen zu reichen.
Außerhalb dieses Kreises stehen, sitzen, liegen und hocken überall die bevorzugten Krieger, welche der Dschemmāh beiwohnen[19] dürfen, ohne zu ihr zu gehören. Sie sind mit Säbeln, Schildern und Spießen bewaffnet, einige außerdem noch mit arabischen Flinten und Pistolen, wie es sich selbst in der friedlichsten Zeit bei jeder derartigen Beratung schickt und gehört. Zu ihnen haben sich die Musiker gesellt, mit ihren Instrumenten ausgerüstet, deren Zweck ein außerordentlich lärmender ist. Schēfakā geht natürlich unverschleiert. Sie hat sich fast unausgesetzt zu bewegen und muß dies in so dezenter Weise tun, daß sie die Aufmerksamkeit trotzdem nicht auf sich zieht.
Sobald der Vorhang sich erhoben hat, gibt der Scheik der Versammlung das Zeichen, zu schweigen, doch tritt die Ruhe nicht sofort ein. Während dieser Augenblicke kommt Mārah Dūrimēh von ganz vorn links und setzt sich unter den Tamari 3kenstrauch. Man kann sie auf der Bühne nicht sehen, aber die Zuschauer müssen sie bemerken, weil es sich um die Allgegenwart der »Menschheitsseele« handelt. Sie hat sich, um an ihr Vorhandensein zu erinnern, zuweilen zu bewegen, doch ohne die Aufmerksamkeit des Publikums von der Handlung abzulenken. Obwohl sie den Ān'allāh ihre langen, weißen Haarzöpfe jetzt noch zu verbergen hat, muß sie dieselben ein- oder einige mal nach dem Zuschauerraum hin sehen lassen, damit man ahne, daß sie Mārah Dūrimēh sei, von der so viel gesprochen wird.
Ist die Ruhe eingetreten, so beginnt der Scheik seine Rede, bei der er, wie überhaupt stets, sehr lebhaft mit der Peitsche gestikuliert. Er spricht dabei von seinem altbabylonischen Throne aus, während jeder Andere, der mehr als nur einige Worte sagen will, gehalten ist, seinen Sitz zu verlassen und sich auf den »Teppich der Rede« zu stellen, damit man ihn besser sehe und höre. Dieser »Teppich der Rede« liegt auf einer erhöhten Stelle, deren Wahl dem Regisseur überlassen bleibt.[20]
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Babel und Bibel
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