[90] Mit der Zauberei war es nunmehro eine Zeitlang geruhlig1 so man die Raupen nicht in Anrechnung zeucht, welche mir meinen Obstgarten gar jämmerlich geruiniret, und welches sicherlich ein seltsam Ding war. Denn die Bäumleins blüheten alle so lieblich und holdseelig, daß mein Töchterlein eines Tages sagte, als wir darunter umbher gingen, und die Allmacht des barmherzigen Gottes preiseten, »so uns der Herr weiter gesegnet, ist es diesen Winter bei uns alle Abend heiliger Christ!« Aber es sollte bald anders kommen. Denn es befanden sich im Umbsehen so viele Raupen (große und kleine, auch von allerhand Farb und Colör) auf den Bäumen, daß man sie fast mit Scheffeln messen mochte, und währete nit lange, als meine arme Bäumekens, allesammt wie die Besenreiser aussahen, und das liebe Obst, so angesetzet, abfiel, und kaumb vor meinem Schwein zu gebrauchen war. Will hierbei auf Niemand rathen, doch hatte gleich dabei meine eigenen Gedanken, und habe sie noch. Sonsten stand mein Gerstenkorn, so ich bei 3 Scheffeln in die Worth gestreuet sehr lieblich. Auf dem Felde aber hatte ich nichtes ausgeworfen, angesehen ich die Bosheit des leidigen Satans scheuete. Auch hatte die Gemeine heuer nit viel Seegen an Korn, inmassen sie zumb Theil aus großer Noth keine Wintersaat gestreuet, und die Sommersaat auch nit fort wollte. Sonsten an Fischen fungen sie in allen Dörfern durch die Gnade Gottes viel, insonderheit an Häring, welcher aber schlecht im Preise steht. Auch schlugen sie manchen Saalhund2[90] und habe ich selbsten um Pfingsten aus einen geschlagen, als ich mit meinem Töchterlein an der Sehe ging. Selbiger lag auf eim Stein dicht am Wasser und schnarchete wie ein Mensch. Zog mir also die Schuhe aus und ging heimblich hinzu, daß er nichts merkete, worauf ich ihme mit einem Stecken so über die Nasen schlug (denn an der Nasen kann er wenig vertragen) daß er gleich ins Wasser purzelte. Doch war ihm die Besinnung schon wegk, und mochte ich ihn nunmehro leichtlich ganz zu Tode schlagen. Es war ein feistes Beest, obwohl nit gar groß, und brieten wir doch aus seinem Spek an die 40 Pott Thran, so wir beschlossen zur Winternothdurft aufzuheben.
Hierzwischen aber begab es sich, daß dem alten Seden flugs etwas ankam, also daß er das heilige Sacrament begehrete. Ursache konnte er nit angeben, als ich zu ihm kam, hat es aber vielmehr wohl nit thun wöllen, aus Furcht für seiner alten Lisen, so mit ihren Gluderaugen sein immer hüthete, und nicht aus der Stuben ging. Sonsten wollte Zutern sein klein Mädchen, ein Kind bei 12 Jahren am Gartenzaum auf der Straßen, wo sie Kraut vor das Vieh gepflücket, gehört haben, daß Mann und Frau sich etzliche Tage zuvorab, wieder heftig gescholten, und der Kerl ihr fürgeschmissen, daß er nunmehro gewißlich in Erfahrung gebracht, daß sie einen Geist habe, und wölle er alsobald hingehen und es dem Priester verzählen. – Wiewohlen das nur Kinderreden seind, will es doch wohl wahr sein, anerwogen Kinder und Narren, wie man saget, die Wahrheit sprechen.
Doch laß ich das in seinen Würden. Summa: es wurde immer schlimmer mit meinem alten Fürsteher, und wenn ich ihne, wie ich den Brauch bei Kranken hab, alle Morgen und Abend heimbsuchte, umb mit ihm zu beten, und oftmalen wohl merkete, daß er etwas annoch auf seim[91] Herzen hatte, kunnte er doch nichtes herfürbringen, angesehen die alte Lise immer auf ihrem Posten stunde.
So verblieb es eine Zeitlang, als er eines Tags umb Mittag aus zur mir schickete: ich wölle ihme doch ein klein wenig Silbers von dem neuen Abendmahlkelch abschrapen3, weilen er den Rath gekriegt daß es besser mit ihm werden würd, wenn er es mit Hühnermist einnähm. Wollte lange Zeit nit daran gehen, maßen ich gleich vermuthete, daß darbei wieder Teufelsspök verborgen, aber er tribulirete so lange, bis ich ihme den Willen that.
Und siehe, es half fast von Stund an, so daß er am Abend, als ich kommen war mit ihme zu beten, schon wieder auf der Bank saß, ein Topf zwischen den Beinen, aus welchem er seine Suppen kellete. Wollte aber nit beten (ein seltsam Ding, da er doch sonsten so gerne gebetet, und oftmals kaum die Zeit ausharren kunnte, ehe ich kam, so daß er wohl an die zween oder dreien Malen geschicket, wenn ich nit gleich zur Hand ware, oder sonst wo mein Wesen hatte), sondern sagete, er hätte schon gebetet, und wölle er mir vor meine Mühe den Hahnen zu einer Sonntagssuppen geben, wovon er den Mist eingenommen, maßen es ein großer schöner Hahnen sei, und er nichts Besseres hätte. Und, weilen das Hühnerwerk schon aufgeflogen, trat er auch zu dem Wiem4 so er in der Stuben hinter dem Ofen hatte, und langete den Hahnen herab, so er meiner Magd unter den Arm thät, so gekommen war mich wegkzurufen.
Hätte aber den Hahnen umb alles in der Welt nit essen wollen, besondern ließ ihn zur Zucht laufen. Wie ich nun ginge, fragte ihn noch, ob ich am Sonntage dem Herrn vor seine Besserung danken solle, worauf er aber zur Antwort gab, daß ich solches halten könne, wie mir geliebte. Verließ[92] also kopfschüttelnd sein Haus und nahm mir für, ihn alsogleich rufen zu lassen, wenn ich in Erfahrung gezogen, daß seine alte Lise nit heimisch sei (denn sie hohlete sich oft von dem Amtshaubtmann Flachs, umb solchen aufzuspinnen). Aber siehe, was geschah schon nach etzlichen Tagen? Es kam das Geschreie, der alte Seden wäre wegkgekommen, und Niemand wüßte nit, wo er geblieben. Sein Weib vermeinete, er wäre in den Streckelberg gangen, und kam dahero diese vermaledeyete Hexe auch mit großem Geheul bei mir vorgelaufen, und forschete von meinem Töchterlein, ob sie ihren Kerl nit wo hätte daselbsten laufen gesehen, dieweil sie ja alle Tage in den Berg ginge. Mein Töchterlein sagte nein; sollte aber, seis Gott geklagt, bald genugsamb von ihme erfahren. Denn als sie eines Morgens, ehe denn die Sonne aufgegangen gewest, von ihrer verbotenen Gräberei zurückkömmt, und in den Wald niedersteiget, höret sie flugs sich zur Seiten einen Grünspecht (so sicherlich die alte Lise selbsten gewest) so erbärmlich schreien, daß sie in das Gebüsche tritt, zu sehen, was er hätte. So sitzt nun dieser Specht auf der Erden vor einem Flusch Haaren, so roth und ganz so gewest seind, wie den alten Seden seine, burret aber mit einem Schnabel voll auf, wie er ihrer gewahr wird und verkreucht sich damit in ein Astloch. Wie mein Töchterlein noch stehet und diesen Teufelsspök betrachtet, kömmt der alte Paassch, so das Geschrei auch gehöret, und mit seinem Jungen sich Daukelschächte5 in den Berg gehauen, auch herbei und entsetzet sich gleicher Weiß, wie er die Haare an der Erden sieht. Und vermeinen sie erstlich, daß ihn ein Wulf gefressen, sehen dannenhero sich auch überall umb, aber finden kein einig Knöchelken. Wie sie aber in die Höhe schauen, kommt es ihnen für, als ob oben im Wipfel auch was Rothes glitzerte, und muß der Junge in den Baum steigen, wo er denn alsogleich ein groß Geschrei[93] anhebt, daß es hier auch auf eim Paar Blätter einen guten Flusch rother Haare hätte, so mit den Blättern zusammengeklebet wären, wie mit Pech. Aber es wäre kein Pech nit, sondern sähe roth und weißsprenglich aus, wie Fischküt6. Item wären die Blätter ringsumbher, wo auch keine Haare säßen, bunt und fleckicht, und voll unsauberen Stankes. Wirft also der Junge auf Geheiß seines Herren den Kletten herab, und judiciren sie beide gleich unten, daß dies den alten Seden sein Haar und Hirn sei, und ihn der Teufel bei lebendigen Leibe gehohlet, weil er nit hat beten wöllen und dem Herrn danken vor seine Besserung. Solches gläubete ich auch selbsten, und stellte es auch am Sonntag so der Gemeine für. Aber man wird weiters unten sehen, daß der Herr noch andere Ursachen gehabt ihn in die Hand des leidigen Satans zu geben, angesehen er sich auf Zureden seines bösen Weibes von seinem Schöpfer losgesagt, umb nur wieder besser zu werden. Vor jetzo aber thät auch diese Teufelshure, als wäre ihr das größete Herzeleid zugefüget, inmassen sie sich die rothen Haare bei ganzen Fluschen ausriße, wie sie von dem Grünspecht durch mein Töchterlein und den alten Paassch hörete und lamentirte, daß sie nunmehro auch eine arme Wittib sei, und wer sie in Zukunft verpflegen würd etc.
Hierzwischen feierten wir auch an dieser öden Küsten, so gut wir kunnten und mochten mit der ganzen protestantischen Kirchen den 25sten Tag mensis Junii, wo für nunmehro 100 Jahren die Stände des heil. Römischen Reichs dem großmächtigsten Kaiser Carolo V ihre Confession zu Augsburg fürgeleget, und hielte ich die Predigt über Matth. 10, 32. von der rechten Bekenntnüß unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi, worauf die ganze Gemeine zum Nachtmahl ging. Doch gegen den Abend desselbigen Tages, als ich mit meinem Töchterlein zur Sehe gespatziret war, sahen wir umb den Ruden viele hundert Masten[94] von großen und kleinen Schiffen, höreten auch ein merklich Schießen und judicirten alsbald daß es der großmächtigste König Gustavus Adolphus sein möchte, so nunmehro, wie er versprochen, der armen bedrängeten Christenheit zur Hülf käme. Im währenden Judiciren aber segelte ein Boot von der Oie7 heran, worinnen Käthe Berowsche ihr Sohn saß, so dorten ein Bauer ist und seine alte Mutter heimbsuchen wollte. Selbiger verzählete, daß es würklich der König wär, so diesen Morgen von Rügen mit seiner Flotten den Ruden angelaufen, allwo ein Paar Oier Leut gefischet und gesehen, daß er alsofort mit seinen Officirers an das Land gestiegen, und alldort mit geblössetem Haupt auf seine Knie gefallen sei.8
Ach du gerechter Gott, da hatte ich unwürdiger Knecht am lieben Abend noch eine größere Jubelfreude, denn am lieben Morgen, und kann man leichtlich bei sich selbsten abnehmen daß ich nicht angestanden, mit meim Töchterlein alsofort auch auf meine Kniee zu fallen, und es dem König nachzuthun. Und weiß Gott, ich hab in meinem Leben nicht so brünstig gebetet denn diesen Abend wo der Herr uns ein sollich Wunderzeichen fürstellete, daß der Retter seiner armen Christenheit gerade anlagen mußte an dem Tag, wo sie ihn aller Orten umb seine Gnad und Hülfe für des Pabstes und Teufels Mord und List auf ihren Knien angeschrieen hatte. Konnte auch die Nacht darauf für Freuden nicht schlafen, besondern ging schon zur frühen Morgenzeit nach der Damerow, wo Vithen seinem Jungen etwas angekommen war. Gläubete schon es würd auch Zauberei sein, aber es war dieses Mal keine Zauberei, angesehen der Junge in der Heiden etwas Schlimmes gefressen hatte. Was es für Beeren gewest, kunnte er nit mehr sagen, doch zog das Malum so ihm das Fell ganz roth wie Scharlach gemachet, alsbald fürüber. Als ich darumb[95] bald hernacher den Heimweg antrate, begegnete ich einem Boten von Peenemünde so Ihro Majestät der großmächtigste König Gustavus Adolphus an den Amtshaubtmann gesendet, daß er ihme am 29 Juny um 10 Uhren Morgens sölle drei Wegweiser bei Coserow gestellen, um Sr. Majestät durch die Wälder nach der Swine zu geleiten, allwo die Kaiserlichen sich verschanzet hatten. Item verzählete er, daß Ihro Majestät schon gestern die Schanze zu Peenemünde eingenommen (was wohl das Schießen bedeutet, so wir den Abend zuvor gehöret) und hätten die Kaiserlichen gleich Allens verlaufen, und die rechten Buschreuter gespielet. Denn nachdeme sie ihr Lager in Brand gestecket, wären sie zu Busch gesprungen umb zum Theil nacher Wolgast, zum Theil nach der Swine zu entkommen.
Alsobald beschloß nun in meiner Freud Sr. Majestät so ich mit des Allmächtigen Gotts Hülf sehen sollte ein Carmen gratulatorium9 zu fabriciren, welches mein Töchterlein ihme überreichen könnte.
Thät ihr alsogleich nach meiner Heimbkunft den Fürschlag, und fiele sie für Freuden mir davor umb den Hals, und fing alsdann an in der Stuben umbherzutanzen. Doch als sie sich ein wenig besunnen, meinete sie, daß ihr Kleid nicht gut genug wäre, umb Sr. Majestät darinnen aufzuwarten und möchte ich ihr noch ein blau seidin Kleid mit gelbem Schurzfleck kaufen, da dieses die schwedische Colör sei, und Sr. Majestät ohne Zweifel baß gefallen würd. Wollte aber lange nicht daran, anerwogen ich solch hoffärtig Wesen haßete, aber sie tribulirete so lange mit ihren guten Worten und Küßleins, daß ich alter Narre ja sagete und meinem Ackersknecht befahl, noch heute mit ihr nach Wolgast zu fahren umb sich den Zeug zu kauffen. Achte darumb, daß der gerechte Gott, so den Hoffärtigen widerstehet, und den Demüthigen Gnade giebt, mich von[96] wegen solcher Hoffart mit Recht gestrafet. Denn ich hatte selbsten eine sündliche Freude, als sie mit zwo Weibern, so ihr sollten nähen helfen, zurücke kam, und mir den Zeug fürlegete. Des andern Tages hub auch alsogleich das Nähen mit der Sonnen an, in Währendem ich mein Carmen fabricirete. War aber noch nit weit gelanget, als der junge Edelmann Rüdiger von Nienkerken vorgeritten kam, umb sich zu erkundigen, wie er sagte, ob Se. Majestät in Wahrheit über Coserow marschiren würd. Und als ich ihm hievon gesaget, was ich wußte, item unser Fürhaben mitgetheilet, lobete er solches gar sehr, und instruirete mein Töchterlein (die ihn heute freundlicher ansah, als mir recht war.) wie die Schweden das lateinisch sprächen als ratscho pro ratio, üt pro ut, schis, pro scis, etc. damit sie Sr. Majestät nit die Antwort schuldig blieb. Und hätte er sowohl in Wittenberge als in Griepswalde viel mit Schweden conversiret, wöllten dahero, so es ihr geliebte ein klein colloquium anstellen, und wölle er den König machen.
Hierauf setzte er sich vor sie auf die Bank, und hatten sie beide alsogleich ihr Geschwätze, was mich fast heftig verdroß, insonderheit als ich sahe, daß sie die Nadel wenig rührete, aber sage, Lieber, was kunnte ich dabei thun? – Ging also meiner Straßen und ließ sie schwätzen bis gegen den Mittag, wo der Junker endlich sich wieder aufmachete. Doch versprach eram Dienstag, wenn der König käm, sich auch einzustellen, gläube auch, daß die ganze Insel alsdann wohl bei Coserow zusammen laufen würde. Als er fort war, und mir die vena poetica10 wie leicht zu erachten, noch verstopfet war, ließ ich meinen Wagen anspannen und fuhre im ganzen Kapsel umbher, in allen Dörfern das Volk vermahnende, daß sie am Dienstag umb 9 Uhren an dem Hühnenstein vor Coserow wären, und sollten sie alle niederfallen auf ihre Kniee, wenn sie sähen, daß der König käm, und ich auf meine Knie fallen würd, item[97] gleich einstimmen, wenn die Glocken anhüben zu läuten und ich den ambrosianischen Lobgesang intonirete. Solches versprachen sie auch alle zu thun, und nachdeme ich am Sonntag in der Kirchen sie noch einmahl hiezu vermahnt und vor Se. Majestät von ganzem Herzen, zu dem Herrn gebetet, kunten wir kaum den lieben Dienstag vor großen Freuden erharren.
1 | ruhig. |
2 | Seehund. |
3 | plattdeutsch: für abschaben. |
4 | plattdeutsch: Gerüst, auf welchem die Hühner sitzen. |
5 | Dachschächte. |
6 | Eingeweide der Fische. |
7 | Rüden und Oie, zwei kleine Inseln zwischen Usedom und Rügen. |
8 | Man sehe auch das Theatrum Europaeum J. 226 fl. |
9 | Glückwünschungs-Gedicht. |
10 | poetische Ader. |
Ausgewählte Ausgaben von
Die Bernsteinhexe
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