[28] Tartarus. Man sieht die Strafen des Tantalus, Sisiphus, des Ixion, und der Danaiden.
CHOR DER VERDAMMTEN einer den andern äffend.
Schleka bartl, schleka bartl
S' gschieht euch recht.
s' Weinverderben, s' Leutausziehn,
Das ist schlecht!
Und die Hascherln, unsre Götter
Sind gerecht.
Gehn an ihre Arbeiten.
Orpheus mit einer Harfe schüchtern hervor.
ORPHEUS.
Nur langsam Orpherl, du könnst leicht versinken,
Da geht ein Rauch auf, der wird doch stinken.
Man müßt keine Nasen haben, wenn mans nicht wüßt,
Daß man im Palais des Spadifankerl ist.
Herein wär' ich. Wie ich hinaus komm, steht zu erwarten,
Doch das wuchs schon viel größern Männern im Garten.
Wer heut zu Tag grad der Nase nach rennt,
Macht meistens sein Glück; doch sapperment –[28]
Die klugen Leute denken auf die Retirade voraus –
Justament nit, wer davon laufen will, der bleib z' Haus.
Bisher ist's glücklich gangen, durch gute Art und mit Geld,
Wer gut schmiert, der fährt gut, in der Hölle wie auf der Welt.
Hat auch ein Höllenhund hie und da den Rachen aufgerissen,
So hab ich ihm flugs ein Paar Zwanzger hinein gschmissen,
Und er zog den Schweif ein, und sagt nicht mehr mucks.
Was das verdammte Geld nicht thut? ey das ist ein Jucks.
Ich trau mich nit umzschaun. Es ist ein passabler Ritt,
Und manchem graust immer, wenn er rückwärts sieht.
Ich hör und seh keinen Teufel, es muß noch Alles schlafen.
Oder sie sitzen beym Fraß, die Schlaraffen.
Ich fang an auf der Harfen zu spielen und zu singen,
Sie werden sich schon rühren, wenn ihnen die Ohren zerspringen.
Singt unter Begleitung der Harfe.
Es hat ein verrufener Wiener Harfenist,
Sein'n Ehstandspartikel verloren.
Er hat sie aus Liebe, weil s' auch nichts nutz ist,
Zur Herensgesponsinn erkoren.
Damit mans leicht kennt, so beschreibt er sie jetzt:
Sie ist voller Runzeln und Falten,
Schnopft drey Loth Tabak alle Stund, ist zersetzt,
Kann s' Maul kein Augenblick halten.
Sie plaudert trotz Einer – richt't d' Nachbarsleut aus,
Macht überall, wo s' ist, Partiten,
Und bandelt zusammen die Leute im Haus,
Kriegt deßwegen oft ihre Schnitten,
Drum ist auch ihr Buckel beständig hübsch blau,
Voll blutiger Striemen und Ringen,[29]
Wer s' gfunden hat, kann die vortreffliche Frau,
Nur gleich in ein Branntweinhaus bringen!
CERBERUS als Portier.
Ist zu Anfang hervorgekommen, hat gehorcht, trocknet sich die Augen, sagt gerührt.
So was hab ich nie gehört – dem kann nicht einmahl ein Portier resistiren,
So ein Gesang kann auch einen Eckstein rühren.
Bist du ein Mensch – oder bist du Apollo selber?
ORPHEUS für sich.
Der erste, den ich seh, der gehört unter die Kälber.
Stolz laut.
Hats dem Herrn gfalln? Das ist sein Glück, jedenfalls –
Wer einen Künstler auch mit Grund tadelt hat den Teufel aufm Hals.
Sie sind gewiß, ich seh Ihnens an, ein Schweitzer oder Portier?
CERBERUS.
Ich bitt mir Respekt aus, ich bin Hausoffizier.
ORPHEUS.
Also auf jeden Fall ein Kenner?
CERBERUS.
Es hat mir gfallen.
Und wenns bey großen Herren Mod wär', ich könnt' dich bezahlen.
Kann ich dir sonst dienen, wenns nichts kostet, recht gern,
ORPHEUS.
O freylich, ich suche hier meine Herzenslatern.
Mein Weib ist mir gstorben – nach kurzen 50 Jahren,
Sie ist gewiß in d' Höll heruntergfahren,
Denn ihre Qualitäten müssen ihr da einen Platz verschaffen:[30]
Ich kann nicht leben ohne dem lieben Affen.
Laß mich der Herr nur ein einzigs Mahl sie noch sehn,
Wenn wir z' reden anfangen, so bleiben wir gleich ewig da stehn.
CERBERUS.
Ich erinnere mich, sie ist beym Pluto im Haus.
ORPHEUS.
Das liebe Weib kennt sogar in der Höll sich aus.
CERBERUS.
Für mich kann ichs nicht thun – aber ich wills probiren,
Ich will beym Höllengott mich interponiren.
Man hat seinen Einfluß.
ORPHEUS.
O schweigen S' nur still!
Durch Portier und Kammerjungfern kommt mancher an's Ziel.
Thun S' das! ich will gewiß erkenntlich seyn,
Sinds ledig oder verheirathet?
CERBERUS.
Nein.
ORPHEUS.
Wenn ich wieder auf d'Welt komm, so geb ich mein Wort,
Schick ich einen ganzen Transport Weibsbilder fort.
Alle zu ihnen, da können Sie Sich Eine nach Gusto wählen.
Was Eine nicht hat, wird der andern schon fehlen.
Um einen Mann zu bekommen lassen sie sich nicht bitten,
Sie fahren sogar in d' Hölt herunter im Schlitten.
CERBERUS.
Indessen kannst du hier die Merkwürdigkeiten ansehn,
Du wirst viel Sachen finden, kurios und schön.
Du siehst, wir sind gastfrey, doch laß es hübsch bleiben[31]
Aus Dankbarkeit etwa dann spöttisch über uns zu schreiben.
Es ist den Wienern öfters so gangen, wir wissens recht gut,
Erst frißt sie sich aus, dann schimpft sie, die Ausländerbrut.
ORPHEUS.
Was sind denn das für närrische Geschichten?
CERBERUS.
Das ist das höllische Zuchthaus, muß ich dir berichten.
ORPHEUS.
Die schöpfen in ein bodenloses Faß, das wird freylich nicht voll,
Das ist just so, wie der Kasten eines Wucherers hohl.
Der dreht sich beständig am Rad – der wälzt einen Stein munter
Bergauf, und wenn er oben ist, fällt er wieder herunter.
Dem frißt ein Geyer die Leber, und sie wächst wieder nach,
Da hat der Geyer beständig sein Futter – und jener am Bach
Der dumme Teufel – d' bratenen Vögel fliegen ihm ins Maul dort,
Und wenn er darnach schnappen will, husch sind sie fort.
CERBERUS.
Sie sollen dir selbst ihre Geschichten beleuchten.
He Danaiden, kommt her, und thuts beichten!
DANAIDEN.
Parlez-vouz français – o la parla italiano.
ORPHEUS.
Ich bin ein Musikant.
DANAIDEN.
Auch ich spiel 's Fortepiano.
ORPHEUS.
Das Mädel hat eine gute Erziehung – Wer war denn ihr Vater?[32]
CERBERUS.
Später war er Hausherr, vorher ein Bratelbrater.
ORPHEUS.
Ja so, jetzt wundre ich mich freylich nimmer,
Er hat mit Freßartikeln gehandelt, da thuts es immer.
Sie können gewiß auch zeichnen und mahlen,
Wer vom Vater die Braten hat' kauft – hat müssen die Meister bezahlen.
DANAIDEN.
Wir waren fünfzig Schwestern, schön wie die Nacht,
Uns beysammen zu sehn, das war schon eine Pracht.
Da haben sich denn viele Liebhaber eingfunden,
Um uns zu vertreiben die müssigen Stunden.
Wir haben in unsrer Unschuld Präsenten angenommen,
Mit guter Art haben wir nach und nach Alles von ihnen bekommen.
Bald hat einer Krida gemacht, bald ist einer eschappirt –
Ein paar sind ins Wasser gesprungen, ein paar sind so crepirt.
Drey sind im Tollhaus, vier auf der Schanz,
Ausgezogen waren aber alle, das kann ich schwören, ganz.
Das haben uns die Götter vor übel ghalten, das Bagatell,
Und haben uns verdammt, wie du siehst, auf dieser Stell
Ewig zu füllen den bodenlosen Schlauch,
Was nützt unser Nachgießen? es ist wie ein Hausherrn Bauch.
Geht zur Arbeit.
ORPHEUS.
Siehst es, siehst es, die armen Mamsellen,
Wegen einem solchen Bagatell so zu quälen?
Aber machen Sie Sich nichts draus, ich versichre Sie,
Sie bekommen bald eine große Schwesternkompagnie.[33]
CERBERUS.
Erzähle du arme Tantalus, der im reichen Überfluß,
Immer Hunger leiden muß.
TANTALUS.
Schauns mich an, ich schau aus, wie ein Todtenzettel,
Und was hab ich verbrochen? Das ist doch ein Bettel!
Ich hab schmarozt – der Mensch muß ja essen,
Ich hab freylich ein paar Familien aufn Bettelstab gfressen.
Für ein guts Mittagmahl hab ich mich zu Allem brauchen lassen,
Wer gern umsonst frißt, der kann mich fassen.
Ich hab freylich wegen ein' Soupée ein Dutzend Leuten die Ehr abgeschnitten,
Was thut man nit, wenn man Hunger hat? da muß i bitten,
Und für so n' Klenkas, muß ich so erschrecklich büssen,
O ich könnt eine ganze Donau von Thränen vergießen.
Die bratnen Vögel fliegen mir zum Maul, ich hab sie erst gwittert,
Seit 3000 Jahren werd ich mit dem Bratelgeruch gfüttert.
ORPHEUS.
Wenn der Herr auf der Welt wär heut zu Tag, und in dem Fall,
So wär das keine Straf, das wär ein Kapital.
Einmahl ja konnt man nach Speiserln d' Hand ausstrecken,
Aber jetzt, lieber Freund, darf man höchstens dran schmecken.
TANTALUS.
Und der ganze Bach ist voller Wein ausm großen Faß,
Sie schenkten auf der Welt um 20 fl. die Maß.[34]
Wenn ich ein Glas schöpf, und brings zum Mund hin,
Und glaub schon ich trink, flugs ist nix drin.
ORPHEUS.
Geht auf der Welt auch vielen so, setzt man ihnen ganze Eimer her,
Eh man sich umsieht – sinds wieder leer.
Übrigens ist dem guten Menschen zu viel geschehn,
Die Götter sollten unsre heutigen Schmarozer sehn:
Die haben's weit bracht, man muß noch bitten und laufen,
Daß s' einem d' Ehr anthun, und ihm den Wein aussaufen.
Sie stecken ein' Grobheit ein, und theilen dafür zehn aus,
So ein Schmarozer ist unentbehrlich in manchem Haus.
Die reichen Leut wollen oft lachen, und sich einen Hausnarrn ersparen,
Ja angepumpft, sie sind der Schmarozer ihre Narren.
CERBERUS.
Sisiphus, komm her und bekenn deine Schulden,
Der Herr ist so gut, und verspricht dir einen Gulden.
SISIPHUS.
Ich war ein junger Herr beständig auf der Gassen,
Ich habs Pflaster ausgetreten in allen Strassen.
Kein eigentlich Gschäft hatt' ich, aber ich war immer okkupirt,
Hab den Weibern ein' Haspel gmacht, hab über alls kritisirt.
Überall hab ich den Schnabel ghabt, war ein Tänzer und ein Sänger,
Und doch haben mich d' Götter angschaut für ein gschäftgen Müßiggänger.
Sie haben behaupt, ich hätt' ihnen den Tag abgstohlen,
Da muß ich jetzt den Stein den Berg auf und unter rollen.[35]
ORPHEUS.
Courage mon Ami! Sie werden bald Ghülfen kommen,
Die Leut Ihres Gleichen haben wie d' Königlhasen zugenommen.
Kommen alle gschäftgen Müßiggänger zum Steinrollen hierher,
So triffts jeden alle 100 Jahr einmahl nur mehr.
CERBERUS.
Der Ixion dort am Rad, das ist ein langweiliger Pinsel,
Er zerreiß mir die Ohren mit seinem Gewinsel.
Ich will dir lieber selbst expliziren, warum
Er sich dort dreht, wie ein Haas am Spies herum.
Das war so ein Kerl, ein Pfiffikus, ein vertrakter,
Ein Mensch, wie eine Bratwurst – ohne Charakter.
Heut sagt er das und morgen sagt er jenes,
Heut sprach er Schlechtes, und morgen viel Schönes.
Den Mantel hat er stets nach dem Winde gedreht,
Er war, wie ich ghört hab, so wie mancher Poet.
Darum –
ORPHEUS.
Capisco, mein Freund; doch es bringt mich
zum Lachen,
Laßts Räder in der Höll viel tausende machen.
Von Leuten seines Gleichen ist die Welt noch voll,
Alle auf Rädern zu sehen – na, das wär zu toll.
CERBERUS.
Jetzt ist noch der Prometheus dort, komm her,
Erzähl deine Trübsal, und du nimm dir eine Lehr.
PROMETHEUS.
Ich war ein Wirth, und hab mich drauf verstanden,
Dem Wein eine Kraft zu geben, ihn so gwiß zu gwanden,[36]
Daß er eine Farb kriegt; denn 's Farberl ist d' Hauptsach.
Und eine gwisse Schneid; denn sonst ist er gar schwach.
Damit er eine Süssigkeit kriegt, hab ich Bleyzucker drein gmischt,
Und das liebe Getränk ganz ordentlich aufgfrischt.
Na, und da haben die schlechten Leut ausgsprengt,
Mein Wein hätt' ein ganzes Stadtviertel ausgtränkt.
Es wäre Gift und kein Wein haben s' gsagt, um mich z'pressen,
Er hätt' d' Leber angriffen, und 's Beischel aufgfressen.
Und weil ich aus lauter Besorgniß fürs Beste,
Und für die Gesundheit meiner Herrn Gäste,
Mich, sobald ich das ghört hab, hab entschlossen,
Und hab in einem Eimer Wein drey Eimer Wasser gossen –
So haben die Götter gsagt, sie werden mir was pfeifen,
Ich soll ihnen nicht ins Handwerk eingreifen,
Und selber Wein machen, und haben den Sentenz publizirt,
Daß, weil mein Wein so viele Gebern hat ruinirt,
Soll mir ein Geyer meine ausfressen bis auf d' Flaxen,
Und so oft er s' gfressen hat, solls wieder wachsen.
ORPHEUS.
Er ist besser dran als seine Gäst, das sind Faxen
Denen ist gwiß kein' andre Leber mehr gwachsen.
Das muß ich der Welt kund machen durch Schriften,
Vielleicht hören's einmahl auf, d' Leut mit Wein zu vergiften.
Es schlägt 3/4.
Die Verdammten springen auf und schreyen.
Die Raststund ist da, jetzt schaun wir um Futter für den Magen!
Gehn ab.
CERBERUS.
Es hat ja erst 3/4 auf zwölf geschlagen.[37]
ORPHEUS.
So machend auch die Zimmerleut auf der Welt, wie bekannt,
Wie 's 3/4 schlägt, so werfens die Hacken aus der Hand.
Statt um ein Uhr, kommen s' um 3/4 auf zwey,
Und statt um sechs Uhr ist's um 1/4 nach fünf Uhr vorbey.
Partout comme chez nouz – wie ichs deutlich jetzt seh.
Man hört Gwehr aus rufen.
Was ist das?
CERBERUS.
Der Höllengott ist in der Näh.
Es werden die acht und vierzig Pfündner präsentirt,
Und die höllische große Trommel gerührt.
ORPHEUS.
Jetzt Courage, verlaß mich nit, sapperdipi,
Es ist kein Spas, wenn man dem Teufel stehn muß vis à vis.
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