Zehnter Auftritt

[122] Vorige. Steigerl. Frau Steigerl.


FRAU STEIGERL. Lieber Fritz! Was geschieht dir denn? Warum läßt du dir den Rock herabziehen?

FRITZ. Mir ist zu warm gewesen.

SCHNEIDER. Ja, wir haben ihm eingeheizt – wir wollen ihn nur ein wenig pfänden.

STEIGERL. Das verbiet ich mir – ich hab das erste Recht auf seine Kleider; denn die hab ich ihm geschafft.

FRAU STEIGERL. Das ist ein impertinentes Volk.

ALLE. Was, Volk?

SCHUSTER. Wenn wir ein Volk sind, so seid ihr ein Völkl – sind wir impertinent, so seid ihr insolent! Idiot ist immer besser als bankrott – und unhöfliche Sachen sind immer gescheiter als Schuldenmachen.

JEAN. Der Schuster ist ein Poet!

FRITZ. Das ist nichts Ungewöhnliches; pappen tun die meisten unserer heutigen Poeten.

FRAU STEIGERL zu ihrem Manne. Jetzt bezahlst du gleich die Schulden, und hernach wirfst du das ganze Gesindel zum Haus hinaus.

STEIGERL. Aber Frau! Alle die Leute da mögen ein schön's Geld zu fordern haben, und vom Hinauswerfen sei still – wenn die zusammengreifen, werfen s' uns aus unserm eigenen Haus hinaus!

FRITZ. Der Papa will nit zahlen – ich bekomm die nämlichen Fraisen, die ich g'habt hab, wie mir die Stockzähn eing'schossen sind!

FRAU STEIGERL. Fritzerl! Hirschhorngeist, Kamillentee – Barbar von einem Vater, ist dir das Geld lieber als dein einziger Sohn?

STEIGERL. Ich zahle schon; kommt's mit mir, liebe Leute! Ich bin zum Bezahlen auf der Welt, meine Frau und mein einziger Sohn haben mich zu ihrem Zahlmeister gemacht.

SCHNEIDER. A la bonheur! Jetzt sind wir stante pede höflich.

ALLE. Euer Gnaden, es hat ja Zeit.

STEIGERL. Seit die zauberischen Talismane aus der Welt verschwunden sind, ist das Geld an ihre Stelle getreten – das zaubert alle Augenblicke, als wenn wir in einem Feenreich lebten.


Steigerl mit den Schuldnern ab.


Quelle:
Das Wiener Volkstheater in seinen schönsten Stücken. Leipzig 1960, S. 122-123.
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