Vierzehnter Auftritt

[127] Vorige. Steigerl. Frau Steigerl. Fritz.


SPECK. Mir ist der Atem ausgegangen.

MAGIER. Spazieren Sie nur herein, meine Wohnung steht jedem offen, der Hülfe bedarf.

STEIGERL. Da schaut's kurios aus!

FRAU STEIGERL. Wenn sich der Fritzel nur nicht schreckt, er hat gar schwache Nerven!

FRITZ. Wo sind wir denn eigentlich?

MAGIER. Bei Ihrem Freunde, bei dem Zauberer Poros, dem die Zukunft enthüllt ist.

FRITZ. Sie machen also Künste? Das ist schön, das ist eine Lieblingsunterhaltung von mir. Können S' Flachs essen und Bandeln dafür herausziehen? Das muß einträglich sein, so eine Bandfabrik möcht ich haben.

FRAU STEIGERL. Herr von Poros! Ihnen ist unser Anliegen bekannt?

MAGIER. Ich weiß alles – wenn der Herr Sohn sich auf diesen Stuhl setzen und sich mir anvertrauen wollen, so soll er seine künftige Braut und sein künftiges Glück sehen.

FRAU STEIGERL. Setz dich, Fritzel!

FRITZ. Ich mag mich nicht setzen! Der Papa und die Mama haben mich angeführt, sonst wär ich gewiß nicht in das Teufelsschloß gegangen, riechen S' denn 'n Schwefel nicht? Sehen S' die Bockfüße und die Hörner; ich will fort!

FRAU STEIGERL. Fritzerl, tu mir's zu Gefallen, deiner zärtlichen Mutter!

STEIGERL. Es muß sein – und damit Punktum!

MAGIER. Hier nützt kein Widerstand. Er klingelt, vier abenteuerlich gekleidete Diener erscheinen, die Fritz mit Gewalt zum Sitzen nötigen.

CHOR DER VIER DIENER.

Prenez place, Monsieur!

Prenez place –

Machen Sie sich's kommod,

Sitzen Sie, sapperlot!

Sonst gibt es schwere Not! –

Prenez place, Monsieur,

Prenez place![128]

FRITZ. Das ist eine kuriose Höflichkeit; ich sitz, nein, ich will nicht sitzen, schau! na ja, ich sitz; aber wer sitzt, kann auch wieder aufstehen, das sag ich gleich, wenn mir was g'schieht, was mir nicht recht ist, so schrei ich Feuer!

FRAU STEIGERL. Der arme Fritzel! Mir bricht das Mutterherz!

MAGIER. Leeren Sie diesen Becher ohne Umstände!

FRITZ. Man will mich vergiften! Nach dem Geruche zu urteilen, ist das ein Sechsunddreißiger, der mit allen Wässern gewaschen ist.

MAGIER. Soll ich meine dienstbaren Geister rufen?

FRITZ. So drück ich denn die Augen zu und mach die Gurgel auf, adieu, Papa, adieu, Mama! Über meine Geschichte wird man einmal das schönste Trauerspiel schreiben. Er trinkt, und es entfällt der Becher seiner Hand, er entschlummert unter komischen Gebärden.

MAGIER. Er entschlummert bereits, denn augenblicklich wirkt dieser Trank, ich bitte Sie, sich allerseits stille zu verhalten, er wird gleich zu plaudern anfangen.

FRAU STEIGERL. Aber wenn er schlaft –

STEIGERL. Es schlafen nit alle Leut, die die Augen zumachen!

MAGIER. Was fehlt Ihnen denn, mein Freund? Wo liegt denn Ihr Übel?

FRITZ. In der goldenen Ader, das heißt, es fehlt mir an Geld.

MAGIER. Gibt Ihnen denn Ihr Vater nicht genug?

FRITZ. Das ist der wahre, der laßt nichts aus!

MAGIER. Was tun Sie denn mit Ihrem Geld?

FRITZ. Tardeln, Billardspielen, Reiten, Fahren, nichtsnutzige Kameraden unterstützen, und die Maderln, die Maderln kosten mich viel Geld!

MAGIER. Da kann es freilich nicht auslangen; wie helfen Sie sich denn?

FRITZ. Die Mama steckt mir's heimlich zu; o mit der Mama kann ich machen, was ich will; wenn ich gar nichts mehr richt, darf ich nur vom Sterben reden, da versetzt s' Federn und Schal.

STEIGERL. Vaterfreuden und kein End!

FRAU STEIGERL. Na, freu dich, wann du munter wirst!

MAGIER. St! – Durch was sind Sie denn auf den rechten Weg zurückzubringen?[129]

FRITZ. Durch Elend und Not – wer in der Jugend verhätschelt worden ist, muß im Alter weich werden.

MAGIER ernsthaft. Du hast dir selbst dein Urteil gesprochen! Träume dich in diese Lage, damit du zur Erkenntnis erwachst! Eine Orgel ertönt. Dienstbare Geister, legt ihn auf das Ruhebett, damit er ungestört schlafen und träumen möge!


Sie tragen ihn auf ein im Hintergrunde sichtbar werdendes Ruhebette. Genien umgeben dasselbe und erheben sich mit ihm in einer ausgedehnten Gruppe. Die Anwesenden singen dabei den bekannten Chor ohne Musikbegleitung: ›Silentio faciasi‹ usw., der in das Wiegenlied ›Eja popaja‹ übergeht.

Ende des ersten Aufzuges.


Quelle:
Das Wiener Volkstheater in seinen schönsten Stücken. Leipzig 1960, S. 127-130.
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