[202] Mir sitzt zu Hause, jung gezähmt
Und leicht gelähmt,
Ein Steinaar im Verließe,
Der martert sich den Hals zu drehn,
Ins Blau zu sehn,
Aus dem er gerne stieße.
So streck ich Landgraf ebenfalls
Den Kopf und Hals
Wohl durch das Kerkergitter,
Ob etwas auf der Straße zieht
Für mein Gemüt,
Ein Schüler oder Ritter.
Der Kaiser, der vergichtet ist,
Drum gerne mißt
Die Kost der harschen Lüfte,
Vergaß, wie schwer ein ganzer Mann
Entraten kann
Das Jagdhorn an der Hüfte.
Ich wurde hinterrücks gefällt,
Ein Netz gestellt
Ward mir mit falschen Schriften!
Wer mir mit lächelndem Gesicht
Die Treue bricht,
Der kann mich auch vergiften!
Wär ich ein römisch blöder Mann,
Ich wähnte dann:
Damit hätt ich's verbrochen,
Daß triumphierend ich hinaus
Zum Gotteshaus
Schmiß Mühmchen Lisbeths Knochen!1
Jüngst warf ich auf den Festungsrain
Ein Stüberlein[203]
Dem Bettler hin, dem lahmen:
Den schlug der Spanier bis aufs Blut –
Mich fraß die Wut –
Der Teufel hol ihn! Amen!
Wohl läg ich besser auf dem Feld –
Ade, du Welt! –
Gewundet und erstochen!
Wie Meister Ulrich Zwingli lag
Am grünen Hag,
Den hellen Blick gebrochen!
Nur tröstet mich das eine doch:
Das päpstlich Joch
Ist in den Dreck getreten!
Wir dürfen ohne Klerisei
Und Heuchelei
Getrost zum Herrgott beten!
1 | Die Reliquien der heiligen Elisabeth. |
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1892)
|
Buchempfehlung
»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.
162 Seiten, 8.80 Euro