Erster Auftritt.

[537] Montan. Corydon in Schäfertracht und einer langen schwarzen Peruque und großen Säbel.


CORYDON.

Wohin wirds nun noch gehn? ich bin des Laufens satt;

Ich wette, daß der Schelm mich gar zum Besten hat.

MONTAN.

Nein, nein, hier bleiben wir, hier wird uns niemand stören.

CORYDON.

Wie stehts? Ich möchte gern einmal was neues hören;

Ich bin, der Teufel hohls, rund um die Welt herum,

Zu Wasser und zu Land, und doch noch ochsendumm.

Was Teufel hilft michs nun, daß ich die Welt durchkrochen,

Und da gewesen bin, wohin kein Mensch gerochen?

Ich habe viel gesehn, allein, ich weiß nicht was.

Vor meinen Augen schwebt mir stets bald dieß bald das.

Von Nova Zembla an, bis zu den Hottentotten,

Bin ich zu Pferd und Fuß, mit Kriegs- und Kaufmannsflotten;

Durch Japan, Asien, Rom, Schweden, Afrika,

Von Fez und Surinam, bis nach Batavia;

Denn durch die neue Welt bis zu den Patagonen,

Wo lauter Riesen sind, bis, wo die Zwerge wohnen;[537]

Ins Land, wo Mensch und Vieh aus einer Pfütze säuft;

Da, wo ein wildes Volk mit Affenschwänzen läuft;

Dort, wo die Mohren sind, die splitternackend gehen;

An Orten, welche selbst der Teufel nicht gesehen,

Bin ich herumgetrollt, und komme nun hieher,

Und find ein schönes Land beynah von Menschen leer.

Ich glaub, es ist hier gar ein Nest voll Eremiten.

Der Himmel wolle mich vor dieser Brut behüten.

Nein, dazu taug ich nicht; ich bin ein Menschenfreund,

Ich suche sie, wo man sie nie zu finden meynt;

Doch sage, guter Freund! bist du hier stets gewesen?

Wie hast du ausserdem dir diesen Ort erlesen?

Wie heißt denn dieses Land?

MONTAN.

Arkadien.

CORYDON.

Ists wahr?

Arkadien! Ey, Ey! das ist ja schön, fürwahr!

Ich hätte nicht gedacht, daß ichs noch würde finden,

Ich hab es recht gesucht; doch kann ich nicht ergründen,

Wer dies berühmte Land an diesen Ort gesetzt,

Ich hab es für ein Theil von Asien geschätzt.

MONTAN.

Ganz recht, Arkadien, wo vor sehr langen Jahren,

Wenn man den Dichtern glaubt, die ersten Schäfer waren;

Dies schöne Land war zwar Asien ein Stück,

Doch dieses Land beut uns de alten Schäfer Glück;[538]

Und da wir gänzlich hier, wie jene Schäfer, leben,

So hab ich ihm dazu den Namen auch gegeben.

CORYDON.

Zum Henker! das ist dumm; ich hätt es gern geglaubt,

Wenn du des süssen Traums mich nicht so bald beraubt,

Es sey Arkadien. Was tändelst du, Montan!

Und hintergehst dich selbst nebst mir?

MONTAN.

Das geht wohl an.

Das man ein neues Land mit alten Namen nennet,

Wer nur Neu Spanien, Neu Holl- und England kennet,

Dem dünkt es gar nicht fremd.

CORYDON.

Die Länder kenn ich wohl,

Den will ich sehn, der mir das streitig machen soll;

Doch es mag immer seyn, ich kann den Namen leiden,

Ich war auch gleich bereit, als Schäfer mich zu kleiden,

So, wie du mich hier siehst.

MONTAN.

Doch dieser Haarbusch hier

Und dieses große Schwerd, was soll der Anputz dir

In deiner Schäfertracht?

CORYDON.

Wie? ist das hier nicht Mode?

MONTAN.

Wenn das die Schäfer sehn, sie fürchten sich zu tode.[539]

CORYDON.

Doch, weiß ich denn, ob man auch Schelmen trauen kann?

Mit diesem Säbel hier steh ich für zwanzig Mann.

MONTAN.

Trau uns nur, auf mein Wort, hier weiß man nichts von Morden,

In diesem Land ist noch kein Mensch erwürget worden.

CORYDON.

Zum Element! so werd ich nicht der erste seyn.

Ich ändre meinen Staat und geh dir alles ein;

Doch sage mit, wie du an diesen Ort gekommen.

MONTAN.

Ach!

CORYDON.

Nun, was ach? was giebts? was hast du vorgenommen?

Ey, Ey!

MONTAN.

Das Glück hat mich ins Elend hergejagt;

Das Glück, das bis hieher mir seine Treu versagt.

Es mußt ein finstrer Thurm an mir die Neider rächen,

Und ich ergriff die Flucht.

CORYDON.

Was war denn dein Verbrechen?

MONTAN.

Der schönsten Liebe Glück; man brachte mich darum,

Und nahm mich in Verhaft.

CORYDON.

Verflucht! das heiß ich dumm.[540]

MONTAN.

Gleich drauf starb meine Frau.

CORYDON.

Wie hieß sie?

MONTAN.

Celimene

CORYDON.

Wie? Celimene? – – halt! – – Ich kannt einst eine Schöne,

Die hieß gerade so. Potzstern! wer war sie doch?

Still – – jetzo fällt mirs ein, ja, ja, ich weiß es noch:

Sie war von gutem Stand, reich, klug, schön vom Gesichte,

Jedoch erzehle mir doch ferner die Geschichte.

MONTAN.

Ich floh; es förderte Verzweiflung meinen Schritt.

Ich nahm nebst einem Knecht drey kleine Kinder mit.

Zwey waren nur von mir, eins war von meinem Freunde.

Ich floh, und kam hieher, hier leb ich ohne Feinde.

CORYDON.

Doch warum nahmst du denn des Freundes Kind mit dir?

MONTAN.

O! der zog in die Welt.

CORYDON.

Darinnen gleicht er mir.

Wir hätten uns recht gut zusammen schicken sollen,

Ich hätte recht mit ihm die Welt durchstreichen wollen,[541]

Ich reist, und überließ mich Wellen Sturm und Wind.

Befahl dem Himmel, Haus und Hof und Weib und Kind,

Und bin fast zwanzig Jahr die ganze Welt durchkrochen.

Nur bin ich nicht entflohn, und hab auch nichts verbrochen,

Doch meiner Kinder Glück empfahl mir die Natur.

MONTAN.

Wer waren sie?

CORYDON.

Ein Sohn und eine Tochter nur.

MONTAN.

Wie aber hieß dein Sohn?

CORYDON.

Leander.

MONTAN sieht ihn steif an.

Meinem Herzen

Sagt hier die Ahndung was mit Hoffnungsvollen Schmerzen.

Noch eins. Mein werther Freund! verzeih, wie nennst du dich?

CORYDON.

Ich? Orgon.

MONTAN.

Orgon?

CORYDON.

Ja, der Teufel hole mich!

Allein, wie heissest du?[542]

MONTAN.

Oronte.

CORYDON.

Wie? Oronte?

MONTAN.

O Zufall! der mich noch allein beglücken konnte!

Umarme mich, mein Freund,

CORYDON.

Zum Teufel, ists denn wahr?

Bist du mein Freund, Oront?

MONTAN.

Ich bin es, es ist klar.

CORYDON.

Ach liebster Herzensfreund! ich fresse dich für Freuden.

MONTAN.

O Himmel! welche Lust erweckt das Glück uns Beiden.


Umart ihn sehr hitzig.


Ach Organ!

CORYDON.

Ach Oront!

MONTAN.

Ach Corydon!

CORYDON.

Montan!

MONTAN.

Ach

CORYDON.

Ach[543]

MONTAN.

Ich

CORYDON.

Ich

MONTAN.

Bin

CORYDON.

Bin

MONTAN.

Entzückt

CORYDON.

Entzückt

MONTAN.

Ich kann,

CORYDON.

Ich kann

MONTAN.

Kann

CORYDON.

Kann


Corydon und Montan zugleich, sich umarmend.


Nicht mehr.


Corydon fällt um und reißt den Montan mit nieder. Schweigen eine Weile stille.


MONTAN.

O größtes Glück der Erden!

CORYDON.

Für Freuden möcht ich, ja – möcht ich des Teufels werden.[544]

MONTAN.

Ja, ja, du bists.

CORYDON einander steif ansehend.

Du auch.

MONTAN.

Doch noch ein größer Glück

Muß dir entdecket seyn, komm nur mit mir zurück.


Quelle:
Christlob Mylius: Vermischte Schriften. Berlin 1754, S. 537-545.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Bjørnson, Bjørnstjerne

Synnöve Solbakken. (Synnøve Solbakken)

Synnöve Solbakken. (Synnøve Solbakken)

Vor dem Hintergrund einer romantisch idyllischen Fabel zeichnet der Autor individuell realistische Figuren, die einerseits Bestandteil jahrhundertealter Tradition und andererseits feinfühlige Persönlichkeiten sind. Die 1857 erschienene Bauernerzählung um die schöne Synnöve und den hitzköpfigen Thorbjörn machte Bjørnson praktisch mit Erscheinen weltberühmt.

70 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon