Der Feuerreiter

[707] Sehet ihr am Fensterlein

Dort die rote Mütze wieder?

Nicht geheuer muß es sein,

Denn er geht schon auf und nieder.

Und auf einmal welch Gewühle

Bei der Brücke, nach dem Feld!

Horch! das Feuerglöcklein gellt:


Hinterm Berg,

Hinterm Berg


Brennt es in der Mühle!


Schaut! da sprengt er wütend schier

Durch das Tor, der Feuerreiter,

Auf dem rippendürren Tier,

Als auf einer Feuerleiter![707]

Querfeldein! Durch Qualm und Schwüle

Rennt er schon, und ist am Ort!

Drüben schallt es fort und fort:


Hinterm Berg,

Hinterm Berg


Brennt es in der Mühle!


Der so oft den roten Hahn

Meilenweit von fern gerochen,

Mit des heilgen Kreuzes Span

Freventlich die Glut besprochen –

Weh! dir grinst vom Dachgestühle

Dort der Feind im Höllenschein.

Gnade Gott der Seele dein!


Hinterm Berg,

Hinterm Berg


Rast er in der Mühle!


Keine Stunde hielt es an,

Bis die Mühle borst in Trümmer;

Doch den kecken Reitersmann

Sah man von der Stunde nimmer.

Volk und Wagen im Gewühle

Kehren heim von all dem Graus;

Auch das Glöcklein klinget aus:


Hinterm Berg,

Hinterm Berg


Brennt's! –


Nach der Zeit ein Müller fand

Ein Gerippe samt der Mützen

Aufrecht an der Kellerwand

Auf der beinern Mähre sitzen:

Feuerreiter, wie so kühle

Reitest du in deinem Grab!

Husch! da fällt's in Asche ab.


Ruhe wohl,

Ruhe wohl


Drunten in der Mühle!
[708]

Quelle:
Eduard Mörike: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1967, S. 707-709.
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