Herrn Hofrat Dr. Krauß

[820] Bad Mergentheim, Sommer 1847


Der jüngsten in dem weitgepriesnen Schwesternchor

Heilkräftger Nymphen unsres lieben Vaterlands,

Die wundertätig im bescheidnen Tempel wohnt,

Sich selber still weissagend einen herrlichern;

In deren schon verlorne Gunst du leise mich[820]

An deiner priesterlichen Hand zurückgeführt:

Heut in der frühsten Morgenstunde goß ich ihr

Die Opfermilch, die reine, an der Schwelle aus,

Und schenkte dankbar ein kristallen Weihgefäß.

Sie aber, rauschend in der Tiefe, sprach dies Wort:

»Bring meinem Diener, deinem Freunde, den Pokal,

Mit jenes Gottes Feuergabe voll gefüllt,

Der meinen Berg mit seinen heiligen Ranken schmückt,

Obwohl er meine Lippen zu berühren scheut.«


Quelle:
Eduard Mörike: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 1, München 1967, S. 820-821.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1867)
Gedichte
Der Nacht ins Ohr. Gedichte von Eduard Mörike.Vertonungen von Hugo Wolf. Ein Lesebuch von Dietrich Fischer-Dieskau
Sämtliche Gedichte in einem Band
Die schönsten Gedichte (insel taschenbuch)
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)