22. Kalid und Vala

[21] Eine Mohrenballade.


Ueber Strom und über Welle,

Setzt das Herz in kühner Eil',[21]

Liebe hält nicht Joch und Zügel,

Nichts beschränket ihren Flügel,

Leichter schwebt sie wie ein Pfeil,

Rascher wie des Kaimans Schnelle,

Wie vom Fels' herab die Quelle

Treibt sie ohne Rast und Weil.


Noch kein Laut aus sichrer Laube,

Vala! kein gewohnter Ton?

Sieh', das Meer, die Sterne trinken,

Und die Nacht verlischt im Sinken

Ihre Silberfackel schon!

Bangem Harm bin ich zum Raube,

Meine schöne, holde Taube

Ist sie mir vielleicht entflohn?


Vor Medina auf der Haide

Sank vor meinem Speer Oron;

Zwey verlarvte Ritter kamen,

Fodernd in des Helden Namen

Rach und Blut mit wildem Ton.

Ich gewährt's, es fielen Beide;

Aber der, im Purpurkleide,

War Zenith, des Sultans Sohn.


Abbadul, der Vater, sandte

Wüthend dreißig Mörder aus,

Meinen Kopf hoch aufzupfhalen,

Doch nur eitel war sein Prahlen,

Sie verstoben in dem Strauß.

Zwanzig, dem Tyrann zur Schande,

Warf ich von der schnöden Bande

Geyern hin zum Leckerschmauß.
[22]

Aber aus Cairo's Thoren,

Stürmten drei mal dreißig her,

Sicher-stolz auf das gewandte

Roß, hält Kali, der Verbannte,

Noch getrost im Sclavenheer.

Da erschallt vor meinen Ohren

Deine Flucht, ich war verlohren,

Meiner Faust entglitt der Speer.


Dennoch schwurst du mir noch immer,

Vala! Treue auf das Schwert;

Mag der Stahl die Brust zerspalten,

Eh die Flamme soll erkalten,

Die allein mein Leben nährt.

Traue keinem falschen Schimmer,

Edler Freund! sonst wäre nimmer

Vala deiner Liebe werth.


Ha! es tagt, schon kehrt mit Beute

Löw' und Tiger heim; kein Blick!

Muß ich ohne Trostes Zeichen

Heut zum Fünftenmale weichen,

Ueber mir hängt Beil und Strick!

Zweifel, die mich wild erfüllen,

Bange mir die Seel' umhüllen!

Wissen will ich mein Geschick.


Außer sich, gepreßt von bittern

Sorgen, bäumt sich hoch der Mohr,

Wie ein Drach' sich aufwärts drehet,

Schwingt er sich am Speer, und stehet

Auf dem Erker über'm Thor;

Sieh da tritt mit frohem Zittern,[23]

Wie die Sonne nach Gewittern,

Vala voller Huld hervor.


Und gleich Tamarindensprossen,

Aufgehaucht vom lauen Merz,

Thauen Küsse, unverlohren

Bleibt der letzte auf des Mohren

Heißen Mund und glühend Herz.

Die Geliebte hält umschlossen

Kali, wie aus Erz gegossen,

Lange stumm in frohem Schmerz.


Schlag auf Schlag, o süßes Beben!

Sterne berget euer Licht!

Alles ist mir unverlohren,

Und ich werde neu gebohren,

Da mein Herz in Wonne bricht.

Laß, o Vala, laß mein Leben

Auf der Lippe dir verschweben,

Sterben kann die Liebe nicht.

Quelle:
Friedrich Müller (Maler Müller): Gedichte. Jena 1873, S. 21-24.
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