[91] Nach dem Kaffee erhoben sich die beyden Herren zu dem obgedachten Manne, und da sie auf dem Wege dahin vor dem Hause des mineralgrünen Philosophen mit der grünlichgelben Seele vorbey mußten, erbat sich dieser die Erlaubniß, seinen Anzug ändern zu dürfen. Er nöthigte das schwarze Genie um so viel zuversichtlicher hinein, da er wußte, daß seine strenge Hausehre nicht zu Hause sey. Das erste was der Schulmeister im Hause sah, waren ein Paar flachsköpfigte Buben, die der Herr Papa zu künftigen Genies erzog, und denen die Schelmerey schon[91] jetzt aus beyden Augen kuckte, wie denn der jüngere auch nicht ermangelte, dem Schulmeister, so bald er sich nur gesetzt hatte, einen Hasenschwanz vermittelst etlicher Kletten an die Perüke zu heften.
Der grüne Mann hatte sich auf einige Augenblicke entfernt, und erschien wieder in verändertem Pomp, an Beinen gestiefelt, mit seinem weißen atlasnen Bratenweste und seinem schönen rothen Kleide mit blanken weißen Knöpfen. Er zeigte und besah seine gestiefelten Extremitäten so viel und so lange, daß der Ludimagister nicht umhin konnte zu versichern, er habe nie so wohlsitzende Stiefel gesehen.
Das macht, ich habe sie selbst zugeschnitten, versetzte Meister Pfrieme etwas voreilig, indem er dadurch beynahe seine ehemalige Profeßion verrathen hätte, auf die er nicht sehr stolz war. Er faßte sich aber geschwind wieder, und fuhr fort: Denn ich muß Ihnen sagen, ich habe an manchen Dingen mein Plasir; unter andern mag ich auch gern meine Stiefel selbst zuschneiden.
»Ich gestehe, sie sind nach dem schönsten Schnitte von der Welt.«
Das macht, Herr Lekter, ich schneide sie nach der Philosophie zu. Den Ofen da hab ich auch selbst aufgesetzt. Ein Mann von Genie muß sich mit alles behelfen können.
Der schwarze Mann dachte dem grünen Manne ein Kernkompliment zu machen, und sagte, wenn er nur gleich zwey Felle kriegen könnte, so würde er ihn bitten, ihm zu seinem Andenken ein Paar Stiefel zuzuschneiden. Aber die Höflichkeit bekam ihm schier nicht wohl, denn der mineralgrüne Meister kuckte arglistig unter seinen krummen Augenbraunen hervor, erst dem Gelehrten ins Antlitz, ließ dann den Blick sehr signifikativ auf dessen unförmliche Beine hinabgleiten, und sprach gar langsam und vernehmlich: Mein Herr! der tapfre Schanderbecher sagteeinmal zum Kaiser von – Rußland: ich konnte Euro Kaiserliche Majestäten wohl meinen Sabel leihen, aber nicht meinen Arm. – Bey dem Worte: Arm, hob der Exschuster sein rechtes Bein, das wirklich nicht schlecht gemacht war, hoch empor, und der Ludimagister steckte den Hieb vorgängig trocken ein.
Meister Pfrieme wollte seinen Gast so herzlich gern mit allen seinen Vollkommenheiten regaliren, und hätte sie ihm gern mit Löffeln eingegeben, darum setzte er sich an einen alten baufälligen Flügel und hub an gar grimmiglich darauf los zu pauken, sang auch darneben in lieblichsten Schuhknechtsdiskant das wohlbekannte Lied: Sollen nun die grünen Jahre etc. rief darauf seine Köchinn herein, und duettirte mit ihr sehr herzbrechend die schöne Aria: Komm mit mir in grüne Schatten, komm geliebte Sylvia. etc.
Will dir die schöne Silfiges gesegnen! rief plötzlich eine kreischende Stimme halb auf der Straße, halb in der Hausthür, als Damöt gerade der geliebten Sylvia Heerde, Hund und Stab anbot, wenn sie einmal mit ihm im einsamen Schatten – die Nachtigallen wollte schlagen hören. Der grüne Mann erkannte gleich, daß diese Stimme seiner Hausehre, deren Heimkunft er nicht so früh erwartet hatte, zuständig sey, und da er nichts Gutes witterte, sprang er schnell zum Fenster hinaus, und überließ es seinem Gaste, sich zu retten, so gut er könnte. Dieser sah etwas betäubt dem Hausherrn nach, und wußte nicht, ob er ihm durch diesen ungewöhnlichen Weg folgen sollte oder nicht, als die Frau wie eine Furie in die Stube brach, roth um den Kamm und blind vor Eifersucht. Der erste Gegenstand, der in ihre Fäuste fiel, war die arme Köchinn. Wart, du schöne Silfiges! .... Weiter verstand der Ludimagister nichts, denn er hatte gerade die erfoderliche Gegenwart des Geistes, diesen Augenblick zu nutzen, und[94] hinter der Furie weg zur Thür hinaus zu huschen. In Einem Satze war er auf der Gasse, wo er den Exschuster in einer Entfernung von sechzig bis siebenzig Schritten vor sich hin laufen sah, so schnell die wohlgemachten Beine ihn nur tragen wollten. Und wahrhaftig, sie mußten sehr schnell seyn, um ihn in dem Nu – denn der ganze Auftritt war die Sache eines Nu – so weit vorwärts bringen zu können. Der schwarze Mann rannte und schrie hinter ihm drein zu großer Verwundrung der Vorübergehenden, die in Zweifel standen, ob das ein Wettlauf sey, oder ob einer dem andern den Beutel gemauset habe. Der mineralgrüne Mann, denn so werde ich ihn Trotz des rothen Kleides ferner nennen, stand nicht eher still, bis er um die Ecke war. Da erst wartete er des Schwarzen. Ey, ey! Herr Pfrieme, rief dieser, der tapfere Skanderbeg that sehr weislich, daß er seinen Arm nicht mit verlieh.
Still! antwortete Pfrieme, die Frau ist was schalluh. Und außer dem Hause, halt ich dafür, muß ein Mann nichts auf sich sitzen lassen, aber im Hause muß er fünfe gerade seyn lassen.
»So! – Nu, nu! ich denke, ein Mann muß allenthalben ein Mann seyn; und – mit Permißion! – heute Mittag, der Mann in dem dunkelbraunem Kleide schien eben so zu denken.«
Ah, das ist 'n dummer patziger Kerl, über den ich weit weg bin. Dem brauchts nur 'n halbes Wort, so ist er geraakt; und in öffentlichen Häusern, wissen Sie, mag man denn nicht gern Spektakel machen.
»Da haben Sie Recht, Herr Skanderbeg! vor allen wenn man just seinen Säbel verliehen hat.«
Unterdessen versammelten sich um die beyden Herren her ein paar dutzend Straßenbuben, die den närrischen Appendix bemerkten, der bey jedem Schritte den der Schulmeister that, zwischen seinen[95] Schulterblättern wackelte. Vermuthlich waren sie von Monsieur Ulrich Pfrieme, dem jüngsten Sohne des mineralgrünen Genies, dazu aufgewiegelt; wenigstens befand er sich in der Arrieregarde des Trupps, und half das Geschrey waidlich vermehren. Die beyden alten Genies dachten anfangs nicht, daß einer von Ihnen der Held in der Farce sey, bis einige Aepfel, die aber auf keinem Baume gewachsen waren, um ihre Ohren flogen. Da rochen die Herren Lunte, und machten durch ein Rechts um kehrt euch, Fronte gegen die jungen Genies. Durch dieses Manövre wäre aber der Exschuster beynahe um seine Faunennase gekommen, und zwar durch die Hand seines leiblichen Sohnes. Dieser, den wir nach seinem Jäckchen von striefigten Fünfkamm, das gestreifte Genie nennen wollen, zielte und warf eben nach dem Haupte des Ludimagisters; da aber die beyden alten Genies gerade in dem Augenblick ihre Wendung machten, so traf der Sohn den Papa dermaßen in das Centrum des Gesichtes, daß das Nasenbein samt dem ganzen Vordergebiß ohne alle Gnade zum Henker gewesen seyn würden, wenn nicht, wie jedermann weiß, eine Handgranate von obgedachter Art, zu allem Glücke von sehr weicher und nachgebender Materie wäre.
Die Herren, um dieß zu rächen, rückten tapfer auf die feindliche Armee los, und ein Treffen wäre unvermeidlich gewesen, wenn nicht ein ältlicher Herr in einem Ueberrocke und weissem Federhute den Ludimagister mit den Worten angeredet hätte: Sie würden besser thun, mein Herr, wenn Sie den Hasenschwanz weg thäten, als daß Sie sich mit der Grundsuppe des Pöbels einlassen.
Wie? wa wa was? stotterte der bestürzte Schulmeister.
Friedrich, sagte der Herr zu einem Bedienten der ihm folgte, nehmt dem Manne die Narrenpossen[96] ab. Und wenn ich wüßte, Meister Pfrieme, daß das einer von seinen Coups de genie wäre, wie ich sehr geneigt bin zu glauben – –
Euro Excellenz wollen verzeihen, sagte Pfrieme, ich bin so unschuldig als ein Kind in Mutterleibe. Die Jungen haben mir selbst bald die Augen ausgeworfen.
Dergleichen sieht ihm sonst ähnlich genug, sagte der alte Herr.
Es war der General, von dessen Regiment ein Bataillon die Garnison des Ortes ausmachte. Seine Gegenwart machte, daß der Pöbel sich ohne weiter Umstände zerstreuete. Der Bediente nahm das Hasenschwänzlein weg. Der Ludimagister machte tiefe Bücklinge, und der Exschuster schnitt ein Gesicht als wenn er die Strangurie hatte. Als der General ein paar Schritte entfernt war, reinigten die beyden Genies einander wechselsweise von den Ueberbleibseln der Kanonade, bey der es in dieser Straßenaffäre sein Bewenden gehabt hatte, und setzten ihren Stab weiter, nicht ohne heimlichen Groll von Seiten des Schulmeisters, der das Amulet nicht wohl der Freygebigkeit eines andern als seines Gefährten zuschreiben konnte.
Der Mann, dem sie ihren Besuch zugedacht hatten, stand eben am Fenster und fabricirte ein Dutzend oder so Nägel von Kupferblech, wie die Kesselflicker zu brauchen pflegen, weil er gleich im Begriff war, mit ökonomischen Händen ein Loch in seinem Theekessel zu flicken, als die beyden Genies um die Ecke der Straße traten, wo er wohnte. Er bemerkte sie, warf geschwind seinen Kram auf die Seite, und rief einen von seinen Leuten: Helf er mir doch mal geschwind das Kleid an. Da kömmt die skandalöse Chronik und ein Schornsteinfeger oder so was. Pfrieme kömmt gewiß hierher. – Er war kaum in den Rock gefahren, so traten die beyden[97] Genies ins Haus, und der Ludimagister fand an dem Herrn Peter Fix einen langen Mann in einem Kleide dessen Zeug er nicht zu nennen wußte, aber die Farbe war changeant, und goldgesponnene Knöpfe saßen drauf. Die Beinkleider waren von schwarzen Bockleder mit hörnernen Knöpfen, und auf den Knien schon etwas blank. Schwarze wollene gerade Strümpfe bekleideten ein Paar etwas krumme Beine, und den Anzug nach unten vollendeten ein Paar Schuhe von gewichstem Kalbleder. So fand der Schulmeister den Tausendkünstler beym ersten Anblick. Weil es aber dem Leser nicht zuwider seyn mögte, von diesem Manne etwas mehr zu wissen, als ein Mutterkind dem andern beym ersten flüchtigen Anblick an der Nase anzusehen vermag: so wollen wir trachten, ihm so viel an uns ist, Gnüge zu leisten.
Herr Peter Fick, oder das changeante Genie war ein Junggeselle, und ein gutes Endchen über die Jugendjahre hinaus, so etwa reichlich in die vierzig, sehr großer Statur, krausköpfig von Haar und Sinn, blau von Augen, spitz von Nase, häßlich von Zähnen, nicht zu klein von Munde, grünlichgelb von Farbe, kurz von Halse, schmächtig von Leibe, zart von Händen, und vorgedachter maßen ein klein wenig sprenkelbeinigt. Aus den Augen, aus den Falten der Stirn, aus den Falten der Nase den Fußtapfen eines gewohnten Naserümpfens, aus jedem Zuge stralte hoher Genius. Hoher Genius dampfte aus seinen Nasenlöchern, schäumte ihm vom Munde, und kitzelte ihn hinter den Ohren. Alles das mit einem Worte: er war ein abscheulich grosses Genie, das größte das je vom Weibe gebohren ist; und das wollt er auch wissen. Vom Adler bis zur Fledermaus, vom Lindwurm bis zur Käsemade, von der Ceder auf Libanon bis zum Isoppen im Thal, was kein Auge sah und kein Ohr vernahm,[98] das alles kannte er von innen und aussen. Von der Goldmacherkunst die kein Mensch in seinem ganzen Leben lernet, bis zur Glaserprofeßion die in zwey Stunden gelernet ist, war er in jeder ein Meister. – Doch weiß ich nicht, ob er nicht selbst die edle Fechtkunst ausnahm. Sonst hatte er in jede Brühe sein Brodt getunkt, und wußte was von jedem Dinge die Elle gelte. Er konnte in allen deutschen Büchern lesen, er konnte Schweine kapaunen und Hähne verschneiden, er konnte Gänse nudeln und Schusterpflöcke schnitzen, er wußte mit dem Hobel und mit der Feile umzugehen, er konnte einen Floh durch ein Mikroskopium sehen, und einen Ochsen mit ungewaffnetem Auge, er wußte daß der Schnee kalt, und das Eis gefrornes Wasser sey, und hatte viele Versuche gemacht, etliche von den großen Hagelkörnern die Anno drey und sechzig fielen, zum ewigen Denkmaal in Weingeist zu konserviren, die aber nicht geglückt waren. Er konnte ein Prisma über die Nase halten. Er verstand Handlung und Manufakturen und las Kollegia drüber; er kritisirte Bücher und machte Verse; er sah in die Kabinete und in die Rüellen; er machte den Patrioten in der Tabagie und den Hannswurst auf dem Theater gleich fertig. Kurz, er war überzeugt, daß er alles kannte, wußte, und konnte, besser als irgend ein Mutterkind.
Daß er in dieses leidige Unwesen gerathen war, davon haben wir die Ursache schon angegeben: er war ein entsetzliches Genie, und hatte – das wahre Kennzeichen des Genies! – zu allem in der Welt Lust und Trieb, nur zu seinem eigentlichen Gewerbe nicht. Und dieses Gewerbe bestand darinn, daß er Brillanten und edle Steine, auch wenn man es verlangte, unedle Steine und geschliffen Glas, in Gold, Silber, oder Bley, trefflich oder schlecht, wie man es haben wollte, zu fassen[99] verstand, wiewohl seine schlechteste Arbeit vom Kenner immer wohl so gut geachtet wurde, als die Meisterstücke manches andern Juwelierers.
Mir, (der ich alles am liebsten von der komischen Seite ansehe, um wider manches Accidens das sich nicht radikaliter heilen läßt, wenigstens ein Palliativ zu finden,) scheinen die Absprünge des changanten Genies so lustig, daß ich der Versuchung unterliege, meinen Lesern zur Ergötzung, und andern aufkeimenden Genies, deren jedem ich seinen eignen Biographen wünsche, zur wohlgemeinten Warnung, einige derselben anzuführen. Sollte dieser oder jener von unsern Lesern hier, oder bey andern Stellen unsers Buches anders urtheilen, so thut uns das um unserntwillen zwar leid – denn wir mögten gern Allen gefallen, wenn das möglich wäre – aber wir bitten ihn zu bedenken, daß es ihm weniger Mühe kostet, hier und da eine Stelle zu überhüpfen, als es uns kostete, sie niederzuschreiben; und wir sehen uns dermalen gemüßiget, alles mit eigner Hand niederzuschreiben, weil unser Amanuensis das Chiragra hat.
Herr Peter Fix hatte schon lange bey sich selbst bedacht, daß er zu seiner Arbeit Gold, Silber, Arsenik, Antimonium, Borrax, Farben zum Schmelzwerk, und viele andere Zuthaten, samt Grabsticheln und einer Menge andrer Geräthschaft brauche. Wenn ich das alles kaufe, sprach er, so muß ich viel baares Geld hingeben. Könnt ich das alles selbst machen, so hätt ich viel weniger Auslage, und zehnfachen Gewinn. – Rasch wurden Oefen gebauet, Tiegel und Retorten, nebst Vorstößen und Recipienten gekauft, und mit der höhern Chemie viele mühsam erworbne Friedrichd'or durch den Schorstein gejagt, wobey er zwar seinen Zweck so eigentlich nicht erreichte, aber doch einige recht hübsche Fratzen herausbrachte, in die er sich herzlich[100] sich verliebte; wie er denn auch so weit kam, daß er verschiedene seiner wohlfeileren Zuthaten selbst machen konnte. Grabstichel aber, und andre kleine Geräthe lernte er sehr bald zurecht feilen, und prahlte mächtig damit. So weit gieng alles noch wohl an; aber als er eines Tages auf seine selbstgemachte Kleinigkeiten einen Blick voll triumphirenden Selbstgefühls warf, rief er aus: Das ist die große Babel die du erbauet hast! Alles das kannst du nun selbst machen und sparst das baare Geld ...
– Denn, daß seine mehrsten Geschöpfe ihm, die Versäumniß ungerechnet, wohl so theuer zu stehen kamen, und oft theurer als wenn er sie gekauft hätte, das predigte ihm kein Mensch ein, weil, was er auch sagen mogte, die edle Regula de Tri nebst Zubehör, sein Haupt und Grundstudium nicht war. –
Wie, wenn du auch versuchtest, fuhr er fort, die Edelgesteine selbst zu machen, dann würdest du recht Geld wie Heu verdienen! – Gesagt, gethan. Er, der nur mit seiner Zeit hätte geizen dürfen, um Geld wie Heu zu erwerben, arbeitete nun drauf los, daß es puffte; und, wie denn doch immer Spähne fallen, wo Holz geschlagen wird, so brachte er mit großen Kosten rothes, weisses, blaues, gelbes, und grünes Glas, und einen schönen Pfad heraus, der gerade der Nase nach über die Grenze von Seiner Königlichen Majestät Gebiete zu führen pflegt. Das war eine Herrlichkeit wie er die schönen bunten Steine hatte! Unächt waren sie freylich, aber sie flimmerten doch bey Lichte Trotz ächten Steinen. Er verkaufte sie auch keinem Menschen für ächt, denn er war ein ehrlicher Mann, aber besonders wars, daß er mit Leib und Seele dafür stritt, es sey ein großes Verdienst, unächte Steine zu machen; und ein schäbiges Gewerbe, Steine zu fassen. Dieser Punkt war auch[101] auch der, dem er am längsten mit Ausübung und Vertheidigung getreu blieb; denn, so wie der Mann ein Quecksilbernes Genie hatte, das ihn keine fünf Minuten in Ruhe ließ, sondern immer von einem aufs andre trieb: so hatte er auch kaum ein Ding gekostet, als ers schon wieder müde war.
Ein andermal wollte er ein Roßkamm werden; als ihm aber die Pferde Nase und Ohren fast abgefressen hatten, gab er das wieder auf, ungeachtet er behauptete, kein Mensch verstünde das Gewerbe besser als er.
Hierauf unterrichtete er im Tanzen, aber als die Leute sich an seinen verbogenen Beinen zu stoßen schienen, ward er unwillig und schwur hoch und theuer, das Lumpenvolk sey es nicht werth, daß ein Mann von Genie sich ihrer Bildung annehme.
Ferner wollte er eine Spiegelfabrik anlegen, es blieb aber bey dem Wollen und zwey oder dreyhundert verschleuderten Thalern.
Hierauf hielt er um ein Privilegium an, das ganze Land einzig und allein mit Schwefelfaden versehen zu dürfen, die er nach einer unerhörten Erfindung fabriciren wollte. Das wurde ihm abgeschlagen, und aus Verdruß wollte er in ferne Lande ziehen, und seinem undankbaren Vaterlande auf ewig Valet geben. Es bleibt aber bey dem Wollen, ob er gleich schon eine herzbrechende Abschiedsarie gedichtet hatte, die sich anfieng: Ade du falsches Pommerland.
Hierauf folgten zehntausend andre Anschläge, die nicht um ein Haar klüger oder einträglicher waren. Denn, wo nur ein Fratz aufduckte, gleich war er bey der Hand, um sich keinen Rang ablaufen zu lassen, und zeigte, er sey noch ein viel größerer Fratz. Er ließ Berge abtragen und Bäche ableiten, um zwey Metzen Kartoffeln bauen zu können. Er ließ ein[102] Paar Centner Weidenrinde aus Dännemark kommen, um zu versuchen, ob er in Pommern Randersches Handschuhleder machen könne? Seine Kosten standen nie mit den zu erwartenden Vortheilen in Verhältniß. Las er von einem Juventiönchen in der Zeitung, flugs mußte es verschrieben werden. So fand er einmal in einem Zeitungsavertissement, daß bey Buchenröder und Ritter in civilen Preisen zu haben sey: Eine neuerfundne Taschenbuchdruckerey von diverser Größe. Er hätte gar zu gern so eine Tändeley gehabt, aber seine Kasse mit der er Rücksprache gehalten, sagte nein. Er that also, was er immer zu thun pflegte, wenn ihm sein Genie den Beutel gefeget hatte; das ist: er juwelierte so lange, bis er sich reich genug fand, eine Taschenbuchdruckerey die zu einem Quartblatte groß genug war, kommen zu lassen. Wie sie aber anlangte, ergab sichs, daß die Verkäufer vergessen hatten, die gedruckte Gebrauchsinstrucktion beyzulegen, und Herr Peter Fix fühlte sich viel zu sehr Genie, als daß er um einer solchen Kleinigkeit willen die Feder hätte ansetzen sollen. Dafür künstelte er so lange, bis er den Gebrauch und Nutzen eines jeden Dinges herausbrachte. Dieser glückliche Erfolg machte ihn so stolz, daß er sich von der Stunde an öffentlich rühmte: es sey eben so viel als wenn er die ganze Buchdruckerkunst selbst erfunden hätte, weil er drucken könne, ohne von einer Christenseele Anweisung gehabt zu haben. – Sollte dieser einzige Zug nicht fast hinreichen, das ganze Genie des changeanten Mannes zu schildern?
Nun noch wenige Worte von seinem Charakter. Er war dienstfertig und gastfrey in einem hohen Grade; sehr freundschaftlich so lange es währte, – es währte aber gemeiniglich nicht recht lange, weil er mit der unschuldigsten Miene zu beleidigen war, und nicht den mindesten Widerspruch,[103] sonderlich auch die allerkleinste Einwendung gegen irgend einen seiner närrischen Anschläge nicht anhören konnte, ohne in Wuth zu gerathen; dieses kam daher, weil er von sich eingenommen war, und aus einem wunderlichen Mißtrauen, selbst denen Leuten, die es am besten mit ihm meynten, Neid beymaß. Er war aufbrausend und heftig ohne Ansehen der Person, weil es ihm an Erziehung mangelte. Er schmollte sehr lange, aber sein Haß, wiewohl er seines gleichen an Heftigkeit nicht hatte, so lange er währte, war gemeiniglich von kurzer Dauer, denn sein Herz war gut, und er pflegte bald einzusehen, daß er ohne Ursache haßte, doch liebte er den nie wieder von Herzen, von dem er sich einmal beleidigt geglaubt hatte. Er sprach selten oder nie von jemand schlecht, selbst von denen nicht, die er haßte. Alles Böse was er von ihnen zu sagen pflegte, bestand in einer pathetischen Erzählung der Beleidigungen, die er von ihnen erlitten zu haben glaubte. Er schwieg aber still und duldete es, wenn sie von andern verläumdet wurden. Sein größter Fehler war eine häßliche Art von Neid gegen jedermann, der eins von seinen zehntausend Gewerben trieb. Das schöne Geschlecht liebte er nicht, und war Willens als Junggeselle zu sterben. Die Schwätzer gaben davon einen fatalen Grund an; er aber versicherte, seine Abneigung gegen das Frauenzimmer stütze sich auf die Ueberzeugung, daß nichts in der Welt das Genie so sehr schwäche, als der genauere Umgang mit diesem Geschlecht. Um sein Bild zu vollenden: er besaß viele Tugenden eines guten Naturells, alle Fehler einer schlechten Erziehung, und alle Thorheiten eines sich dünkenden Genies. Hätte der Mann Grundsätze gehabt, so würde er vortreflich gewesen seyn.
Herr Fix empfieng die beyden Herren mit aller seiner Höflichkeit, und der grüne Mann stellte ihm[104] den Schwarzen vor, als einen fremden Gelehrten, der sich in einer wichtigen Angelegenheit seines Rathes bedienen wollte. Das changeante Genie versicherte, die Herren wären ihm sehr willkommen, und wenn er dem fremden Herrn dienen könne, sollts ihm recht lieb seyn: Er ließ Pfeifen und Thee bringen, die Herren setzten sich, die Tassen wurden vollgegossen. Nehmen Sie an, ich bitte nun sehr! und die Herren nahmen an.
Nach verschiednen Gesprächen, worinn Herr Peter Fix sich zeigte, fand auch der schwarze Mann Gelegenheit, seinem Anliegen näher zu rücken, und entdeckte, er wolle gern Etwas im Druck ausgehen lassen, es sey aber traurig, daß hier zu Lande eine Druckerey unter die Aues rariores gehöre. Und nachdem er ein Langes und Breites von seinem großen Ansehen bey des Herrn von Lindenberg Hochwohlgebohrnen Gnaden geschwatzt, welches alles wir schon im Gasthofe im kürzerem Auszuge gehöret haben, bat er das changeante Genie, nicht ungütig zu vermerken, daß er sich die Dreistigkeit nehme, ihn in dieser Sache um seine Meynung und Rath zu bitten.
Sagen Sie da nicht von, lieber Herr Lekter, sprach Herr Fix; ich diene gern mit meiner geringen Meynung und Rath, so viel ich kann. Was das also betrifft, daß Sie ein Buch wollen ausgehen lassen, so haben sie dreyerley Wege vor sich: Entweder müssen Sie sich einen Verleger wählen, der gut bezahlt, oder wenn Sie den Profit selbst geniessen wollen, müssen Sie sich nach einem billigen Drucker umsehen, wiewohl die Blutigel alle von Billigkeit nichts wissen. Juden und Heiden sinds! da kann ich ein Liedchen von singen. – Oder drittens ...
»Mit Permißion, Herr Fix! der zweyte Weg wäre gerade der, den ich einzuschlagen wünschte. Ich suche nichts weiter als eine Druckerey ohne es mit ihrer Billigkeit so genau zu nehmen. Es kömmt hierauf ein paar Mandel Thaler nicht an, wenn ich nur in der Nähe eine Druckerei finden könnte.«
Ganz nahe finden Sie keine die was taugt, mein lieber Herr Lekter, das kann ich Sie sagen.
»Ach, Herr Fix! ich habe auch schon allerwegen hier herum nachgefragt. Meine einzige Hoffnung ist noch diese, einen Rothgießer zu finden, der eine gießen kann, denn der gnädige Herr wäre wohl geneigt, eine Schloßbuchdruckerey anzulegen. Und hätte man die nur erst, so fände sich auch wohl jemand, der das verstünde zu traktiren.«
Schnell wie ein Blitzstral fühlte Herr Fix den Drang des Genie. Weil er aber Bedenken trug, sich in Gegenwart der skandalösen Chronik zu erklären, so faßte er sich, unterdrückte so gut er konnte jede Spur von Freude in seinem Gesichte, legte den Zeigefinger seiner rechten Hand an die Nase, dergestalt daß die Spitze desselben genau auf die Stelle kam, die der geheime Rath Darjes uns für den Sitz der Seele zu geben geneigt ist, und stellte sich tief nachdenkend. Herr Lekter, fieng er an, wenn das so ist, so kann ich Sie vielleicht Anleitung geben ....
»Ey mein lieber Herr Fix, das wäre ja schön!«
Sagt ich das nicht? rief das mineralgrüne Genie.
Jetzt kann ich noch nicht viel Gewisses davon sagen, fuhr das changeante Genie fort; ich muß das alles erst durchdenken wie das anzufangen ist, denn dazu gehöret sehr viel. Und das ist auch nicht andem, Ihr Wort in Ehren, daß der Rothgießer eine Druckerey machen kann, der gießt nur das Fundament und den Tiegel. Ach zu so was gehört sehr viel, als das Tenakel, und Ballennägel, und Ahlspitzen, und Setzbrett, und – –
Er machte ein langes Verzeichniß aller der Nebendinge, die zu der Sache zwar gehören, aber allenfalls durch andre ersetzt werden können; so tritt eine Spicknadel, die man in jeder Küche findet, sehr leicht[107] an die Stelle der Ahlspitze, und Ballennägel sind nicht mehr und nicht weniger im Grunde als – gute ehrliche Schusterzwecken. Aber das changeante Genie war sehr groß in Kleinigkeiten. Und erst am Ende der Litaney dachte er gelegentlich an Presse, Schriften und Setzkasten. Sie sehen, sagte er dann, daß ich Ihnen über alles Auskunft geben kann. Denn was das betrifft, so verstehe ich jede Profeßion so gut als einer. Und wenn Sie das alles wollen machen lassen, kann ich Ihnen die Risse dazu nach dem verjüngten Maaßstab aufreißen. Aber wie sagt der Lateiner? Seriös in Christina! Morgen ist auch ein Tag. Ich will das durchdenken. Wie lange bleiben Sie hier?
»Ich dachte morgen mit dem frühesten abzureisen, aber nun, sehe ich wohl, muß ich noch einen Tag zugeben.«
So will ich mir morgen die Ehre geben, bey Sie fürzusprechen. Wo losiren Sie, daß ich fragen darf?
»Im offnen Helm, bey einem Manne, der mich schärfer examiniret hat, als der Unterofficier im Thore.«
Ja, das macht Herr Bunke nicht anders. Nu, wie gesagt. Morgen früh sollen Sie Bescheid haben.
Der schwarze Mann wollte hierauf Abschied nehmen, aber das changeante Genie ließ ihn nicht weg, sondern die beyden Herren mußten den Abend mit seiner Junggesellenwirthschaft, wie ers nannte, fürlieb nehmen.
Ob es Sympathey und Antipathey giebt oder nicht, das mögen unsere Weisen unter sich ausmachen. Mir liegt nichts daran. Ich erkläre mich auch weder für noch wider die Sache, ob ich gleich die Nachricht gebe, daß der schwarze und der changeante Mann ein herzliches Behagen an einander fanden, und ohne die Hoffnung, sich am nächsten Morgen wieder zu[108] sehen, sehr ungern von einander geschieden seyn würden.
Der folgende Tag kam, und Herr Fix mit ihm. Einen schönen guten Morgen, lieber Herr Lekter! Wünsche wohl geruhet zu haben! Lieb wohlzusehn! Nehmen nicht übel, Sie zu inkumodiren. Haben Sie gut geschlafen, so soll mirs lieb seyn.
Der schwarze Mann bewillkommte seinen Gast gar herzlich, und rückte ihm den Lehnsessel zurechte. Sie nahmen stracks ihre Leibmaterie vor, schlichen aber beyde um den Punkt, der, ohne daß einer es von dem andern muthmaßte, jedem gleich nahe am Herzen lag, lange herum, wie die Katze um den heißen Brey. Der changeante Mann wollte gern Schloßbuchdrucker werden, und der schwarze Mann wollte ihn gern zum Schloßbuchdrucker haben. Keiner aber wagte sich mit der Sprache heraus. Endlich gab doch ein Wort so lange das andre, daß der Ludimagister seinem Freunde eröffnete, jedoch sub Rosa, es sey eigentlich des gnädigen Herrn Absicht, eine eigne Schloßavise drucken zu lassen; er habe das nur gestern um des Herrn Pfrieme willen nicht so gerade heraus sagen mögen, weil der Mann so was Koboltmäßiges im Gesicht habe, das kein Zutrauen erwecke.
Werde gleich wieder bey Ihnen seyn, sprach Peter Fix, lief fort, und kam in kurzer Zeit wieder, zog ein Kästlein hervor, und kramte die Taschenbuchdruckerey aus, erklärte anbey, es gienge ganz füglich an, mit derselben einstweilen, bis eine ordentliche Preße zu Stande käme, die Zeitungen zu drucken. Wenn Sie nur jemand hätten, sagte er, der mit das Dingschen umzugehen wüßte. – Und so gab wiederum ein Wort das andre, bis endlich die Herren dahin einig wurden, – obgleich nach einigen Einwendungen von Seiten des Herrn Fix, der sich nicht zu wohlfeil geben wollte, sobald er sah, wie sehr dem Ludimagister die Sache angelegen war – daß das changeante[109] Genie den Gelehrten nach dem Schlosse begleiten sollte, um selbst mit Seiner Gnaden zu reden. Da sie beyde gleich eilfertig waren, beliebten sie den folgenden Morgen zu ihrer Abreise, und sie würden den Augenblick gegangen seyn, wenn Herr Fix nicht zuvor sein Haus hätte bestellen müssen.
Ausgewählte Ausgaben von
Siegfried von Lindenberg
|
Buchempfehlung
Diese Blätter, welche ich unter den geheimen Papieren meiner Frau, Jukunde Haller, gefunden habe, lege ich der Welt vor Augen; nichts davon als die Ueberschriften der Kapitel ist mein Werk, das übrige alles ist aus der Feder meiner Schwiegermutter, der Himmel tröste sie, geflossen. – Wozu doch den Weibern die Kunst zu schreiben nutzen mag? Ihre Thorheiten und die Fehler ihrer Männer zu verewigen? – Ich bedaure meinen seligen Schwiegervater, er mag in guten Händen gewesen seyn! – Mir möchte meine Jukunde mit solchen Dingen kommen. Ein jeder nehme sich das Beste aus diesem Geschreibsel, so wie auch ich gethan habe.
270 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro