Der Berghirt

[124] Wenn auf dem höchsten Fels ich steh',

In's tiefe Thal hernieder seh'

Und singe,


Fern aus dem tiefen dunkeln Thal

Schwingt sich empor der Wiederhall

Der Klüfte.


Je weiter meine Stimme dringt,

Je heller sie mir wiederklingt

Von unten.


Mein Liebchen wohnt so fern von mir,

Drum sehn' ich mich so heiß nach ihr

Hinüber!


Viel steile Berge vor mir stehn,

Die Flüsse schäumend sich ergehn

Im Thale.


Der Aar sich in die Wolken schwingt,

Die Gemse durch die Klüfte springt

Hinüber!


Die Wolken ruhen auf der Höh',

Und durch die Nebel glänzt der Schnee

Der Gipfel.
[124]

Je stolzer mir mein Mädchen thut,

Je höher steigt empor mein Muth

In Liebe.


Ein Glöckchen klingt im stillen Thal,

Die Essen rauchen überall

Im Dorfe.


Ach, Mädchen, Mädchen, nimm mich bald!

Es ist so öd', es ist so kalt

Hier oben.

Quelle:
Wilhelm Müller: Gedichte. Berlin 1906, S. 124-125.
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