Sechste Scene.

[155] Hugo. Valeros, den Degen an der Seite, einen zweiten hält er sorgfältig unter dem Mantel verborgen.


VALEROS noch im Hintergrunde, tief und gedehnt.

Otto!

HUGO fährt gewaltig zusammen und springt auf, seine Kniee zittern, als er sich nach der Thür wendet.

Ihr seid's?

VALEROS vorkommend.

Warum zitterst du?

HUGO.

Eure Stimme –! 's war beinah,[155]

Als ob – Karl – den Namen rufte.

VALEROS halb vor sich.

Hm! Wer weiß?

HUGO mit Unruhe.

Wollt ihr denn heut

Nicht zur Ruh? – Bewaffnet seid ihr –

Warum seid ihr denn bewaffnet?

VALEROS.

Nach den Waffen greift der Spanier

Ueberall, wo seinem Namen

Schande drohet.

HUGO.

Seid doch ruhig!

Ich hab' alles eingesehn.

VALEROS.

Was?

HUGO.

Daß ich um euretwillen,

Und um Jerta und Elviren,

Muß Verzicht thun auf den Trost,

Den gemeine Sünder haben:

Büßend vor dem Volk zu fallen[156]

Unter Priesters Segensspruch.

Nur der Fluch – so eben sprach es

Jerta aus – des Vaterfluches

Finstre Macht beherrschet mich,

Treibt mich rastlos an zum Bösen.

Könntet ihr den Fluch nur lösen!

VALEROS ohne Hitze, aber fest.

Rache löst ihn. Dazu such' ich

Ausgerüstet dich im Schlosse.

HUGO zurücktretend.

Wie? ihr wollt mich –

VALEROS wirft aus der Entfernung einiger Schritte den Degen, den er unter'm Mantel barg, ohne Heftigkeit zu Hugo's Füßen.

Wie es fällt.

Ficht mit mir!

HUGO.

Daß Gott mich wahre!

Mit dem Vater?

VALEROS.

Des Erschlagnen.[157]

HUGO.

Mit dem Greis?

VALEROS.

Nicht Ritterspeere

Gilt es ja zu schwingen; diese

Waffen fordern Kunst, nicht Stärke.

HUGO dringend.

Denkt ihr nicht –?

VALEROS.

Ich hab's beschlossen.

Weiber wissen das Geheimniß,

Und geheim nicht kann es bleiben,

Und nicht ungerächt Don Karl

Brudermord in meinem Stamme!

Diese Schmach, beim Himmel, wäscht

Blut nur ab. – Heut ist der Tag.

Wo er fiel, und heut noch fällt

Karlos Mörder, oder ich!

HUGO schaudernd.

Oder! – Wißt ihr, was ihr sprecht?

Fühlt ihr es in meine Seele?[158]

VALEROS.

Wohl mag vor dem Kampf dir grauen,

Doch ihn schuldig bist du mir.

Lieb' und Haß, Natur und Pflicht

Reißen an dem Vaterherzen;

Nur im Kampfe find' ich Frieden.

Darum nimm, und ficht mit mir!

HUGO.

Nimmermehr! der Augenblick

Ist der Thaten Herr. Es könnte,

Wenn die Spitze naht der Brust,

Mich die Lust zum Leben fassen,

Ich euch tödten –

VALEROS.

Desto besser!

HUGO.

Und wenn ihr den Sohn erlegt,

Ist ja euer Hals verfallen

An den Blutbann dieses Landes,

Welcher streng –

VALEROS stolz.

Wer sagt dir das?

[159] Einen Herrn nur hat auf Erden

Don Valeros und sein Haus.

Dieser herrscht im Süden zweier

Welten; hier im fremden Nord

Sind wir niemand unterthan.

Fällst du; hat dich Gott gerichtet

Durch das Oberhaupt des Stammes.

Zaudre nicht.

HUGO.

Eh' stoßt mich nieder!

VALEROS.

Meuchlings? – Ist mein Handwerk nicht.

HUGO getroffen.

Handwerk?


Mit Gemisch von Bitten und Warnen.


Vater!

VALEROS.

Mach', man könnt' uns

Stören. – Willst du?

HUGO gepreßt.

Nein!

VALEROS warm.

Du trägst[160]

Zweier Heldenstämme Namen,

Und bist feig?

HUGO sich vergessend.

Wer sagt das?

VALEROS

Feig,

Wie Banditen!

HUGO außer sich, hebt den Degen auf.

Tod und Hölle!

VALEROS stellt sich und reißt seinen Degen aus der Scheide.

Endlich! – Zieh, gereizter Tiger,

Und fall' aus auf meine Brust!

HUGO nach einer kurzen Pause der Erholung.

Nein; – Verflucht sei meine Hand,

Wenn sie diesen Stahl entblößet.


Er bricht dicht über der Scheide das Gefäß ab, und wirft beide Stücke hinter sich in den Saal.


Rost zerfreß' ihn in der Scheide.

VALEROS im Kampf mit ausbrechender Wuth.

Ha! – Wohlan denn, willst du nicht

Wagen, Bube; so verliere!


[161] Er faßt rasch den Degen mit verwendeter Hand wie einen Dolch.


Beide können wir nicht leben!


Er eilt auf Hugo zu, ihn zu durchstoßen. Hugo steht ruhig. Elvire, die schon eingetreten ist, fliegt herbei.


Quelle:
Adolph Müllner: Dramatische Werke. Band 2, Braunschweig 1828, S. 155-162.
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