[175] Ida hatte gute Zeit auf einer langen Reise Plane zu entwerfen, und sich mit Hoffnungen zu schmeicheln, welche gleich in den ersten Tagen ihres Aufenthalts im Kloster zu Sankt Annen, wohin sie gebracht ward, zu schwanken begunnten.
Das Kloster der heiligen Anna lag in einer von der Natur ganz vernachlässigten Gegend. Die hohen Gebürge, die dichten Tannenwälder, in welchen es sich versteckte, konnten keine andern Empfindungen als Gram und Schwermuth nähren. Das tiefe enge Thal, in welchem sich die Klostermauren erhuben, verwehrte jede freye die Seele erhebende Aussicht, das Herz schien sich zu verengen bey der traurigen Einförmigkeit der Gegenstände, die sich hier dem Auge darboten, Unmuth und Menschenhaß saß auf allen Gesichtern, die man hier erblickte, und auf allen Sälen, allen Gängen in der Kirche wie in den Gärten, in den Zellen wie in den Erholungszimmern schlich Aengstlichkeit und Langeweile.
Ida hatte, wie sie meynte, in wenig Tagen das ganze Kloster ausgelernt, und sich überzeugt, daß hier nicht die entfernteste Vermuthung von dem[175] sey, was sie suchte; eine Entdeckung, welche sie sehr schnell aus ihrem traurigen Aufenthalte getrieben haben würde, wenn sie es nicht dem Wohlstande gemäß gehalten hätte, wenigstens einige Wochen an einem Orte zu verweilen, wo man ihr mit ziemlicher Achtung begegnete, und ihr keine Ursach zu einer Klage gab, als diejenigen, welche alle Klosterfrauen mit ihr gemein hatten.
Die Zeit, welche sich die bescheidene Ida bestimmt hatte, vergieng, ohne daß ihr Herz sich an eines der Altagsgesichter, welche ihr hier überall begegneten, hätte fesseln, ohne daß sie eine einige Person hätte finden können, mit welcher es sich auf eine offene oder verdeckte Weise über die Dinge hätte sprechen lassen, welche ihr wichtig waren. Nicht einmahl von den umliegenden Klöstern konnte sie eine befriedigende Nachricht erhalten, nach welcher sie ihre Wahl hätte einrichten können, wenn sie, wie sie gesonnen war, ihren Entschloß, ein anderes Kloster zu beziehen, bekannt machte. –
Alles was man ihr sagte, war, daß sich in der Nachbarschaft ein Kloster der heiligen Nikola befände, welches auf gewisse Art dem Annenkloster unterworfen wär, daher auch die Schutzheilige desselben verbunden sey jährlich einen Besuch bey Sankt Annen ihrer Patroninn zu machen; ein Tag, dem man nächstens entgegen sähe und bey[176] welchem diesesmahl alle Jungfern jenes Klosters ihre Heilige begleiten würden, weil eine Art von Jubelfeyer sie verbänd, der Aebtissinn von Sankt Annen ihre Devotion zu bezeigen.
Diese Erzählung wurde der Gräfinn mit einer Art von Triumph gemacht, und sie vermochte nicht zu urtheilen, ob Freude über den Anschein einer Art von Herrschaft über andere, oder blos das Vergnügen endlich einmal einen Tag zu sehen, der sich durch irgend etwas von seinen langweiligen Brüdern auszeichnete, das Gesicht der Erzählerinn beseelte.
Gern hätte Ida diesen schwachen Sonnenschein, den ersten, den sie in den Augen einer dieser traurigen Jungfern erblickte, einer edlern Ursach zugeschrieben, gern hätte sie geglaubt, man sähe den Ankommenden als lang nicht gesehenen Freundinnen entgegen, aber sie hatte der Damen der heiligen Nikola schon so oft auf eine misbilligende Weise erwähnen hören, daß sie diese Vermuthung nicht fassen konnte.
Der Tag der feyerlichen Prozession erschien, der, wie Ida beschlossen hatte, einer ihrer letzten in diesem Kloster seyn sollte, und die ganze Schwesterschaft rüstete sich, die Kommenden zu empfangen. Die Zurüstungen, welche man machte, bestanden nicht in Hervorsuchung der besten Bewirthung,[177] nicht in Aufheiterung dieser finstern nie lächelnden Besichter, nicht in Ausschmückung der traurigen Zellen, im Gegentheil bemerkte Ida, daß heute die Schleyer noch fürchterlicher aufgethürmt, die Stirnen noch tiefer in Falten gelegt wurden, und daß, um das Ansehen der heiligen Anna gegen ihre Vasallinn noch besser zu behaupten, der Tag ihres Besuchs einer der strengsten Fasttage des Jahrs sey.
Die Gräfinn wunderte sich sehr über diese neumodische Art Freundinnen zu bewirthen, und spannte ihre ganze Aufmerksamkeit, um nichts von dem, was weiter erfolgen würde, zu verlieren.
Die besuchende Heilige erschien in Begleitung ihrer Jungfrauen; freundliche, weißwangigte, wohlgenährte Geschöpfe, ganz das Gegenbild von den ernsten Damen denen sie Cour machen mußten; auch ihre Patroninn hatte ein etwas weniger antikes Ansehn, als Sankt Annen Bild, zu welchem sie auf den Altar gestellt wurde, und das die schönere Schwester mit einem düstern neidischen Blick über die Schulter anzuschielen schien.
Nach gehaltenem Gottesdienste begaben sich die beyden Oberinnen mit ihren vornehmsten Jungfern auf den Versammlungssaal, die Angelegenheiten des Klosters zu berichtigen, und die andern zerstreuten sich in die Kreuzgänge und in den Garten, um zu versuchen, ob sich hier eine Art von Unterhaltung finden ließ. Ida bemerkte, daß die[178] kleinen Gesellschaften, die sich hier bildeten, nur selten aus Nonnen beyder Klöster bestanden, daß meistens die Fremden bey einander blieben, und der größte Theil der Einheimischen ungesittet genug war, die Ankommenden ihrer eignen Unterhaltung zu überlassen. Doch waren die Gespräche beyder Theile eifrig und die Züge der Sprechenden ließen den Inhalt ihrer Reden errathen. Auf den Gesichtern der Dienerinnen der heiligen Anna saß Schmähsucht und hämischer Neid, dahingegen aus den Augen der Nikolaitinnen muthwilliger Spott leuchtete, und ihr Mund sich zum heimlichen Lachen verzog. Diese Erscheinungen mußten etwas gewöhnliches seyn, denn niemand schien sich darüber zu wundern, oder es dem andern übel aufzunehmen, jedes gieng seinen gewohnten Weg und ahndete nichts von den Bemerkungen der beobachtenden Ida.
Ida war eine Fremde im Sankt Annenkloster, und hielt es also für gut, sich nach der hier angenommenen Sitte auch zu den Fremden zu gesellen. Die Jungfern der heiligen Nikola gefielen ihr überdieses tausendmahl besser als ihre Wirthinnen, und fast war es beschlossen, ihr Kloster für die Zukunft zu ihrem Aufenthalte zu wählen. Sie fand den Ton der Gefährtinnen, die sie sich gewählt hatte, leicht und fröhlich, ihre Bemerkungen[179] über Idas Wirthinnen waren ein wenig beissend aber unterhaltend für die Zuhörerinn und ihrem eigenen Urtheile angemessen.
Die Gräfinn fragte nach den umliegenden Klöstern, es wurden ihr eine Menge genannt und mit treffenden Zügen geschildert. Ida sah wenigstens, daß sie in dem Kloster der heiligen Nikola nicht das Ungeheuer, Langeweile, welches ihr hier aus allen Winkeln entgegen gähnte, zu befürchten haben würde, auch war sie nicht ohne Hoffnung, hier zu finden was sie suchte. Die Nonnen, welche ihre Absicht merken und ihre Person für keine unbedeutende Acquisition halten mochten, rühmten, daß ihr Kloster von jeher der Zufluchtsort erlauchter Damen gewesen war, daß noch jetzt eine Fürstinn Gara, ehemahlige Oberhofmeisterinn der Königinn Elisabeth von Ungarn, bey ihnen lebte, und daß die junge Elisabeth, die Enkelinn dieser Königinn, in den ersten Jahren ihres Lebens bey ihnen erzogen worden sey.
Elisabeth? wiederholte Ida, kennt ihr König Siegmunds Tochter? – wir kannten sie, war die Antwort, die Abwesenheit von mehreren Jahren möchte sie uns jetzt wohl unkenntlich gemacht haben, doch lebt sie noch in einiger Verbindung mit unserm Kloster; die Fürstinn Gara hat zuweilen Bothschaft von ihr, auch hat sie sie einst zu Klausenburg besucht. –[180]
Ida wußte, daß Herzog Albrechts Braut zu Klausenburg lebte, sie freute sich hier Bekanntinnen von ihr zu finden, und drückte der gesprächigen Nonne, von welcher sie in einer Viertelstunde mehr wichtiges erfahren hatte, als von ihren schweigenden Wirthinnen in einem Monate, freundlich die Hand. – Sie mußte sich von ihr trennen, denn eben wurden die Gäste zur Mahlzeit gefordert, welche in weichgesottenen Eiern und einer dünnen Suppe von Hafermehl bestand.
Die Gräfinn hatte keine Gelegenheit, ihre Gespräche mit den Fremden von neuem anzufangen, denn man begunnte zu merken, daß sie Wohlgefallen an ihnen fand, und der Neid fieng an, jeden ihrer Blicke, die sie auf dieselben warf, ängstlich zu bewachen.
Die Nikolaitinnen reisten mit ihrer Heiligen ab, und Ida verschob die Erklärung, daß sie gesonnen sey, sich nach jenem Kloster zu wenden, nur wenige Tage. – Man erstaunte, als sie mit derselben hervortrat; man fragte, was ihr hier misfiel, gab Winke von der Ueppigkeit und Weltlichkeit der Nonnen, zu welchen sie gedachte, versicherte, daß es ihr dort noch weniger gefallen würde als hier, und als die Gräfinn mit vieler Bescheidenheit antwortete, daß nicht eben Misfallen an dem Kloster zu Sankt Annen, sondern ihr Charakter,[181] der sie zur Veränderung geneigt machte, und die Erlaubnis des Erzbischoffes sie zu diesem Schritte bewegte, so zuckte man die Achseln, glaubte die Vergünstigung zu einem so herumschweifenden Leben als sie im Sinne zu haben schien, müsse sich auf ein Misverständniß gründen, und das äußerste was man hierbey thun könne, sey eine Bothschaft nach Prag zu schicken, und sich nach der Willensmeynung des heiligen Subinko zu erkundigen.
Ida fand, daß die Plane, welche sie sich gemacht hatte, nicht so leicht auszuführen wären, als sie meynte. Sie mußte sich den langweiligen Aufschub gefallen lassen; was hätte sie thun wollen, wenn ihr ihre Forderung ohne Umschweif abgeschlagen worden wär? doch ermangelte sie nicht, die Schwester Schaffnerinn, auf welcher die Abschickung der Briefe beruhte, und welche überdieses das Herz der Aebtissinn in Händen hatte, sich durch einige kleine Geschenke günstig zu machen, die wenigstens so viel bewirkten, daß es mit der Bothschaft nach Prag ehrlich und ohne Gefährde zuging.
Sehr lang dauerte der ungeduldigen Ida die Zeit bis zu Ankunft der erzbischöfflichen Briefe. Sie erschienen, und brachten alles mit, was sie vor der Hand wünschte, die Erlaubnis nach Sankt Nikola zu ziehen, und daselbst so lang zu verweilen, als sie selbst wollte.[182]
Die Trennung von ihren bisherigen Wirthinnen war so kalt wie alles was in diesem Kloster vorging, aber der Empfang zu Sankt Nikola war desto herzlicher. Innig freuten sich die Nonnen, sich nicht in ihrer Hoffnung auf die Zukunft der Gräfinn geirrt zu haben.
Das Kloster lag in einer freyern lachenden Gegend als das zu Sankt Annen, die Regel, nach welcher man lebte, war zwar die nämliche, aber man wußte sie sich zu erleichtern, fand Auswege, doppelte Deutungen, hatte häufige Dispensationen, und ging bey dem allen doch behutsam genug zu Werke, um keine Ahndung befürchten zu dürfen; auch waren die Nonnen hier alle jünger und schöner, als jene, oder blieben es länger, weil Neid und Mismuth, Alter und Häßlichkeit nicht so früh herbeyriefen, und die reine wohlthätige Luft des Gebirges Gesundheit und frohen Muth einflößte.
Ida ließ sich in den ersten Tagen ihres Aufenthalts der Fürstinn Gara vorstellen, und sie brauchte nur ihren Namen zu nennen, um bey ihr günstig aufgenommen zu werden. Idas Mutter war eine Jugendfreundinn dieser Dame gewesen, als sie noch Rosa Hervott und jene Ida von Dortmund hieß. Tausend angenehme Erinnerungen boten sich der Fürstinn bey ihrem Anblick dar. Idas Name, ihre Gestalt, rief ihr das Bild ihrer Mutter lebendig zurück, sie drückte die junge[183] Gräfinn an ihre Brust und der Anfang zu einer festen Freundschaft war gemacht, wenn anders dieser Gleichheit fördernde Name bey dem Bündniß einer bejahrten Dame und eines jungen Mädchens statt haben kann!
Die Fürstinn war ein lebendiger Schatz alter Geschichten, sie machte Ida mit mancher Anekdote aus der Geschichte ihrer Mutter und Stiefmutter bekannt, welche ihr die Münsterinn nicht hatte mittheilen können, und die uns, wenn sie uns früher bekannt gewesen wäre, sehr zur Aufklärung von Idas Jugendgeschichte gedient haben würde. Auch sprach sie gern von den frühern Schicksalen der jetzt regierenden Fürsten, welche sie fast alle persönlich gekannt hatte. Nur über die einige Geschichte, welche der jungen Gräfinn jetzt am Herzen lag, über die Geschichte der Königinn von Ungarn, um derentwillen Ida vornemlich ihre Bekanntschaft gewünscht hatte, nur über diese, erklärte sie sich nie so deutlich, als diese wünschte, und doch mußte sie, die in den Diensten Mariens und ihrer Elisabeth gelebt hatte, mehr hievon zu sagen wissen, als irgend eine andere Person.
Ida versuchte auf tausenderley Art, die Fürstinn über diesen Punkt zum Sprechen zu bringen, aber wahrscheinlich würde es ihr nie geglückt seyn, wenn nicht ein Zufall sie endlich vertraulicher gemacht hätte.[184]
Man sagt mit Recht: Vertraulichkeit ziehe Offenherzigkeit, Zurückhaltung Argwohn nach sich. Ida strebte von der Fürstinn Gara alles zu erfahren was sie wünschte, und sie selbst hatte ihr noch bey weitem nicht die ganze Beschaffenheit ihrer Lage entdeckt; sie hatte bey den mancherley Zufällen, die sie schon in ihrem kurzen Leben erfahren hatte, Vorsichtigkeit gelernt, hatte sie lernen müssen. Am behutsamsten war sie in Dingen, die sie nicht allein angiengen, in welchen auch andere mit verwickelt waren. Daher kam es, daß sie nie gegen ihre neue Freundinn etwas von Herzog Albrechten oder von seinen Aufträgen, die er ihr gegeben hatte, gedachte. Die Fürstinn hatte Elisabeths Namen zuweilen genannt, Ida hatte merken lassen, daß sie derselbe interessirte, aber dieses war es auch alles gewesen; so gar von der Verbindung, welche zwischen Siegmunds Tochter und dem Herzog von Oesterreich vor war, hatte weder die eine noch die andere der beyden Damen ein Wort verloren. – Die Fürstinn Gara hatte so viel vom Hofton, daß Ida nicht recht wußte, ob ihr Herzog Albrechts Aufträge zu enthüllen wären, ob sie noch ganz auf Mariens Seite, oder vielleicht halb zu ihrer Nachfolgeirnn Barbara übergegangen wär.
Folgende Begebenheit enthüllte ihre Zweifel, und ward der Grund zu neuen Verwickelungen[185] ihres Schicksals. Eines Tages, als Ida sich bey der Fürstinn befand, erhielt sie einen Brief, den sie mit einer vergnügten Miene öfnete, und dabey zu ihrer Gesellschafterinn sagte: Er kommt von Klausenburg, ich habe ihm längst entgegen gesehen.
Was ist das? rief sie, nachdem sie einige Zeilen gelesen hatte, Herzog Albrecht? entsetzlich! –
Was ist Herzog Albrechten begegnet, fragte die bleich werdende Ida.
Ida! sagte die Fürstinn, ihr kennt Herzog Albrechten, und habt dessen nie gegen mich gedacht?
Ida erröthete –
He! schrie die Dame, dein Stillschweigen ist mir Beweis dessen was ich hier lese. Gehe mir aus den Augen, Verrätherinn! – doch nein – vielleicht – du weißt vielleicht nicht. – Bleibet Gräfinn, saget mir; leugnet ihr eure Bekanntschaft mit dem Herzoge?
Sie ist mir Ehre! rief Ida mit einem stolzen Ton, ich werde sie nie leugnen!
Und wißt ihr seine frühern Verbindungen mit einer Andern?
Ich weis sie! – Ich sehe nicht, was für Hindernisse sie unserer Freundschaft bringen können![186]
Freundschaft? – Immer besser! Erst Bekanntschaft, dann Freundschaft! endlich Liebe!
Fürstinn, rief Ida, indem sie aufstand, ich weis nicht, wie ich diese Begegnung verdiene. Nichts von Liebe zwischen mir und Albrechten, ihr habt Herrmanns Namen oft in meiner Geschichte gehört! –
Aber des Herzogs Namen nie? – Ida! Ida! hier liegt ein Geheimniß verborgen!
Thränen des Unwillens flossen aus Idas Augen, sie wollte und konnte nicht antworten! sie eilte nach der Thür das Zimmer zu verlassen.
Bleibet, Gräfinn, sagte die Fürstinn, welche Ida nachfolgte und ihre Hand ergriff, sie zurück zu führen. Wir müssen uns über diese Dinge erklären, sie sind zu wichtig, als daß sie unentschieden bleiben dürften.
Wahrhaftig, schrie Ida, ich wünsche Erklärung, ich fordere sie, man macht mir Herzog Albrechts Freundschaft zum Verbrechen, und ich begreife nicht warum.
Leset diesen Brief, sagte die Fürstinn, und urtheilet dann, wer von uns beyden Ursach habe, Erklärung zu fordern.
Ida las.
»Theure Fürstinn, das Gerüchte von meines Albrechts Untreue bestätigt sich. – O wie hattet ihr Ursach mich zu warnen, mich an das[187] Schicksal meiner unglücklichen Mutter zu erinnern, die, so wie ich als Kind schon an einem Fürsten verbunden, der sie nur aus Staatsabsichten wählte, die Schrecknisse der Eifersucht ehe als die Freuden der Liebe erfuhr!
Daß Albrecht seit vielen Monaten nicht mehr an mich zu denken schien, daß eine schöne Schlange sich um sein Herz gewunden und mich daraus vertrieben hatte, das wißt ihr, hört nun auch ihren Namen. Es ist Ida, die berufene Ida von Würtemberg, die unter dem Bann des heimlichen Gerichts liegt, von Albrechten zu Nürnberg geschützt wurde und jetzt mit einer ansehnlichen Begleitung von ihm nach Ungarn geschickt wird, Gott weis welche Aenderung des Schicksals daselbst zu erwarten.
Diese Entdeckung habe ich eben derjenigen zu danken, welche mir die erste Warnung gab, meiner Busenfreundinn der Prinzessin von Ratibor. Die Unglückliche hat einst auch durch die schöne Verführerinn einen Geliebten verlohren, Gram und Verzweiflung trieben sie in dieses Kloster und ich vermuthe, daß dieses auch meine letzte Zuflucht bleiben wird.
Ich bin begierig mehr von meiner Freundinn zu erfahren. Die Mutter meiner Imago hat mir die genauesten Nachrichten, selbst den Namen des Orts versprechen lassen, wo Ida hingebracht[188] wird. Die Fürstinn von Ratibor ist eine Dame von grosser Bekanntschaft, und erstaunlichen Einfluß, sie weis fast alles was im teutschen Reiche vorgeht, und man kann ihren Nachrichten trauen!
Boshafte, boshafte Ida! was hatte ich dir gethan mir Albrechts Herz zu rauben! – Noch dazu ist sie eine Ketzerinn! – die weise Fürstinn sucht sie von ihrer Königinn zu entfernen, bey der sie sich jetzt insgeheim zu Prag aufhält, sie will den Erzbischoff aufmerksam machen, und wir wollen sehen was sie ausrichten wird, oder, wollte Gott, nunmehr ausgerichtet hat. Meine Nachrichten aus Prag sind alt, und ich ward nur bisher durch Krankheit und Kummer verhindert sie euch mitzutheilen.
Elisabeth von Ungarn.«
Man erlaube mir den ersten Eindruck zu übergehen, den dieser Brief auf Ida machte. Idas Empfindungen waren stark und feurig, die Art, mit welcher sie dieselben äußerte, heftig, es wär möglich gewesen, daß ihr Betragen bey dieser überraschenden Beschuldigung den Verdacht, den sie zu tilgen wünschte, bey einer weniger verständigen Person als die Fürstinn Gara, bestätigt hätte, aber diese war gelassen genug, den Sturm vorübergehen zu lassen, und dann mit der kalten Stimme der Unpartheilichkeit[189] Fragen zu thun, Beantwortungen anzuhören und denn zu richten.
Ida erzählte ihr ganzes Verhältniß mit dem Herzog einfältig und ohne Ausschmückung, sie sprach von seiner Freundschaft zu ihr, von seinen Aufträgen, von seinen Wünschen, mit der Stimme der Wahrheit. Sie eilte endlich in ihr Zimmer, den Brief zu holen, den ihr Albrecht an seine Braut mitgegeben, und den sie glücklicher Weise am Tage ihrer Entführung bey sich getragen hatte.
Die Fürstinn las. Ida hätte keine gründlichere Vertheidigung finden können als dieses Blatt. Jede Zeile athmete Liebe gegen die, an welche es gerichtet war, und bloße kalte Freundschaft gegen die Ueberbringerinn. Es enthielt eine umständliche Erzählung von dem, was Albrecht in Ungarn durch Idas Hülfe auszurichten hofte, enthielt Nachricht von dem Leben der Königinn Marie, Plane zu ihrer Entdeckung, und am Ende die Bitte, seine und ihre gemeinschaftliche Freundinn, die Gräfinn von Würtemberg zu schützen, sie keinem andern ausfolgen zu lassen, als ihrem Bräutigam, dem Ritter Herrmann von Unna.
Die Fürstinn Gara ward überzeugt, sie umarmte Ida, bat sie um Verzeihung, bat um Herzog Albrechts Brief, den sie der Prinzessinn Elisabeth schicken wollte, um sie zu trösten, und sie von[190] der Unschuld ihrer eingebildeten Nebenbuhlerinn zu überzeugen.
Die Gräfinn überließ ihr das Blatt sehr gern, welches selbst an die Behörde zu überliefern, ihr durch das was sie gehört und gelesen hatte, alle Lust vergangen war. Diese sanfte, unschuldige, engelreine Seele, sagte sie zu sich selbst, ist gleichwohl sehr zur Eifersucht und Ungerechtigkeit geneigt, dieser glänzende Verstand ist sehr lenkbar zum Irrthum, sehr empfänglich für das Einhauchen der Bosheit! Armer Albrecht! Gott gebe Glück zu deiner Verbindung mit Elisabeth!
Ida hatte Unrecht; Elisabeth war wirklich eine gute liebenswürdige Dame, die Fehler, die sie beging, waren im Grunde keine andern, als deren auch Ida fähig war; hatte nicht auch sie einst Freundschaft für diese Schlange diese Imago gefühlt, welche jetzt das Herz der unschuldigen Prinzessinn vergiftete?
Ausgewählte Ausgaben von
Herrmann von Unna
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