Einundzwanzigste Szene

[60] 1.2.3.4.

(Bühne frei)Fad, dannTrüb (allein)(Bühne frei)

Schlankel,

dann Agnes,

dann Hutzibutz


Melancholisch.


TRÜB allein. Ha, so muß auch dieser Schlag mich treffen? Jeder Schlag trifft mich, nur der wahre nicht, der dem Leben auf einmal ein Ende macht.


Phlegmatisch.


SCHLANKEL zur Mitte eintretend. Euer Gnaden!

FAD. Was will der Herr Schlankel?

SCHLANKEL. Euer Gnaden frisieren!

FAD. Lassen wir das auf morgen!

SCHLANKEL. Auf morgen? Wer weiß, ob morgen noch etwas zu frisieren is an Euer Gnaden?

FAD. Ich versteh' Ihn nicht, Herr Schlankel.

SCHLANKEL. Wenn sich Euer Gnaden heut' noch alle Haar' ausreißen, was soll ich denn morgen frisieren an Ihnen?


[60] Melancholisch.


TRÜB nimmt den Brief aus der Rocktasche und entfaltet ihn; liest. »Geliebte Irene! Heut' noch vor mittag hole ich dich ab« – Schrecklich!


Phlegmatisch.


FAD. Ich werd' mir aber in keinem Fall die Haar' ausreißen.

SCHLANKEL. Auch nicht, wenn die Fräul'n Tochter mit dem jungen Herrn von Braus heut' echappiert?

FAD. Echappiert? Mit dem jungen Herrn von Braus? Hm, hm – hm, hm!

SCHLANKEL. Was sagen Euer Gnaden dazu?

FAD. Ich sag' gar nichts dazu.

SCHLANKEL. Na, dann glückliche Reis'!

FAD. Es wird nicht gereist.

SCHLANKEL. Ja, wie wollen's Euer Gnaden verhindern? Das is eine schwere Sach'.

FAD. Wenn die Sach' schwer is, so lass' ich's jemand andern tun, denn ich tu' gar nichts Schweres.


Melancholisch.


TRÜB liest. »Du mußt eine kleine Fahrt machen mit dem, der gerne bis ans Ende der Welt mit dir führe.«


Phlegmatisch.


AGNES aus der Seitentüre kommend. Papa, wird der Edmund zum Speisen nach Haus kommen?

FAD. Ja, oder vielleicht auch nein.

SCHLANKEL. Darnach soll sich die Köchin richten!


Melancholisch.


TRÜB liest. »Die Liebe bestimmt unsere Schritte, Glück, Freude und Jubel winken am Ziel.« Geht mit der Hand vor der Stirne auf und nieder.


[61] Phlegmatisch.


HUTZIBUTZ zur Mitte eintretend. Da bring' ich die Stiefeln.

FAD. Ich geh' nicht aus heut', ich bin zu müd.

HUTZIBUTZ. Sie sind aufs glänzendste geputzt.

SCHLANKEL leise zu Fad. Ich werd' jetzt tun, als ob ich Euer Gnaden frisieret, werden gleich sehn hernach. Nimmt den Kamm und richtet Fad, der in der Mitte sitzt, das Haar zurecht. Agnes steht rechts, Hutzibutz links.

HUTZIBUTZ für sich. Sie schaut nicht her auf mich, ich muß was vom Heiraten reden, da sein d' Madln gleich wie elektrisiert. Laut. Die Stiefeln sein so schön, daß man auf einer Hochzeit tanzen könnt' damit. Für sich. Aha! Schaut schon herüber! Zeigt ihr heimlich den Brief.

SCHLANKEL leise zu Fad. Sehn Euer Gnaden, jetzt zeigt er ihr einen Brief.

FAD. Hm, hm!

HUTZIBUTZ legt, nachdem er sich pantomimisch mit Agnes verständigte, den Brief in Fads Tabakbeutel, welcher offen auf dem Tische liegt.

SCHLANKEL leise zu Fad. Jetzt hat er 'n in Tabakbeutel g'legt.

FAD. Hm, hm!

HUTZIBUTZ. Ich küss' die Hand, Euer Gnaden. Für sich. Triumph Numero zwei! Zur Mitte ab.

AGNES um zum Briefe zu gelangen. Soll ich Ihnen nicht eine Pfeife stopfen, Papa?

FAD. Nein, ich hab' die noch nicht ausg'raukt.

AGNES. Ich glaub', Sie haben keinen Tobak mehr da. Will zum Tabakbeutel.

FAD. Ob du gehst oder nicht? In dein Zimmer, marsch!

AGNES. Aber der Papa is heut' sekkant!

FAD. In meine Tobakangelegenheiten hat sich kein Mensch zu mischen![62]

AGNES für sich. Wenn der Brief in seine Händ' kommt – was is zu tun? Ich muß es ruhig abwarten. In die Seitentüre ab.

SCHLANKEL. Der Tobakbeutel enthält jetzt alles, stopfen Sie sich Überzeugung in den Kopf der Ungewißheit und zünden Sie die G'schicht' an an den Flammen Ihres natürlichen Zornes. Ich küss' die Hand, Euer Gnaden! Zur Mitte ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 3, Wien 1962, S. 60-63.
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