[22] Arete, Themis, Alethea, Melpomene, Thalia, Sedulius, Tharsus.
ALETHEA.
Was sagst du nun darzu? Wilst du dich weiter qvälen?
Kanst du nun nicht vergnügt und wohl zufrieden seyn?
Du bist so wohl beschützt, und was du hast, bleibt dein.
MELPOMENE.
Nun krieg ich Luft, die Noth, die fast mein Herz durchschnitten,
Ganz frey und ohne Furcht aus meiner Brust zu schütten.
Ich weis nicht, wem ich nun am ersten danken soll.
Der eingepreßte Schmerz, der reißt sich Freudenvoll
Aus meinem Herzen los. Die Freuden-Thränen rinnen
So heftig, als zuvor ein klägliches Beginnen
Sie aus den Augen zwang. Die Freude hemmet mich
So sehr, als wie der Schmerz.
THALIA.
Es ist ein Glück für dich,
Daß Themis dich gehört und selbst für dich gesprochen:
Sonst wäre dir der Stab wahrhaftig schon gebrochen.
Nur das verdreußt mich itzt, daß ich so viele Zeit
Vergebens angewandt, und die Gerechtigkeit,
Darbey vergessen hab.[22]
MELPOMENE.
Du ungerathne Muse!
Geh, fall der Themis hier aus Schuldigkeit zu Fusse,
Und beßre dich durch sie! Du bist selbst schuld daran.
Ich Arme habe dir gar nichts zu Leid gethan.
Ich hatte Noth genug, daß ich mich schützen konnte.
Dein Neid, der mir die Luft niemalen rein vergonnte,
Hat, dir zur Schande, mir zwar Müh genung gemacht.
SEDULIUS zur Thalia.
Ach hättest du dafür an deine Kunst gedacht,
Und dieses neidische, verlogne, böse Wesen,
Zu unserm Schaden nicht, zu deiner Lust erlesen.
MELPOMENE.
Du hättest Brod genug für dich, auch neben mir.
Denn das was dir gehört, gewiß das gönn ich dir.
Ich will dich noch darzu mit vielen Freuden lehren,
Wie du dich rühmlich, wohl und redlich solst ernähren.
Alleine, wenn du blind in deiner Bosheit bist,
Und aller Menschen Pflicht aus Hochmuth nur vergißt;
So kan ich nichts dafür. Ich suche dir zu rathen,
Und du verfolgest mich durch lauter Frevel-Thaten.
SEDULIUS zur Thalia.
Du bist als wie der Wolf, der an der Qvelle stund
Und reines Wasser trank. Ein Lamm hat seinen Mund
Am Ende aus dem Fluß zur Nothdurft kühlen wollen.
Jedoch der Wolf wollt nicht: Drum hat das Lamm nicht sollen.
Er fuhr es ganz ergrimmt im vollen Eifer an:
Du machst das Wasser trüb! Das hab ich nicht gethan:
Der Fluß der läuft ja nicht zurück in deine Quelle.
Ja, sprach der Wolf, du bist ein rechter Diebs-Geselle;
Vor einem Viertheil Jahr da redtst du schlimm von mir.
Ach allerliebster Wolf! da war ich noch nicht hier,
Auf dieser Welt zu sehn, sprach dieses Lamm dargegen.[23]
Du willst dich, hies es drauf, nun gar aufs leugnen legen:
Und wenn auch du von mir schon still geschwiegen hast;
So wars dein Vater doch. Ich hab dir aufgepaßt,
Und hab noch alte Schuld von deiner lieben Mutter
Und Grosse-Mutter her. Vorietzt bist du mein Futter.
Es half kein Bitten nicht: der Wolf zerriß das Lamm.
MELPOMENE.
Der Apfel fällt nicht weit von seinem alten Stamm.
Die Wölfe haben nichts als Wölfe noch gezeuget,
Und Menschen böser Art die bleiben bös geneiget.
THARSUS.
Du hast uns zwar wohl matt, doch nicht verzagt gemacht.
SEDULIUS.
Ach hättest du dafür an deine Pflicht gedacht!
MELPOMENE zu Thalia.
Die hat das böse Kind mit Willen ganz vergessen.
Wie oftmals hab ich nicht besorgt bey dir gesessen?
Wie hab ich dir den Neid, die Hoffart vorgestellt,
Als wie den stärksten Gift, das Unkraut dieser Welt?
Wie hab ich dich gelehrt, warum wir Menschen leben;
Und daß uns unsre Kraft von oben nicht gegeben,
Daß man sie nur allein zum Schaden brauchen soll?
Du selber warest oft betrübt und thränenvoll:
Wenn ich dich von der Bahn der stärksten Laster zoge,
Und dich zu Tugenden aufs zärtlichste bewoge.
Du schienest dazumal ein Kind von guter Art;
So daß ich selbst dadurch so stark bewogen ward,
Dich aus besonderm Trieb recht mütterlich zu lieben.
Doch sagte mirs mein Herz: Du würdest mich betrüben;
Wie aber? wußt ich nicht. Erinnre dich der Zeit!
Ich sagt es dazumal ganz in Gelassenheit,
Und mehr besorgt für dich, daß dich es rühren sollte:
Wenn deine Schwachheit sich an mir vergehen wollte.[24]
Mein Kind, ich sinne nach, was deine Eigenschaft
Besonders in sich hat, daß sie mit solcher Kraft
Mich dich zu lieben zwingt. Ich will dich doch betrachten.
Du aber hör mir zu! Ich will dich nicht verachten.
Denn daß du erstlich nicht gar wohl erzogen bist,
Das ist nicht deine Schuld. Dein Wesen aber ist
Gleichwohl von böser Art. Mehr will ich itzt nicht sagen:
Daß dich es nicht betrübt, und daß du nicht darfst klagen.
Du selber aber bist voll Hochmuth und voll Neid,
Unwissend, faul und stolz; und die Geschicklichkeit,
Die du von oben hast, willst du nicht recht gebrauchen.
Das gute lässest du ganz ohne Frucht verrauchen.
Und zieht der stolze Trieb dich etwas nachzuthun;
Fehlt doch der rechte Grund. Mein Kind! was sagst du nun?
Du mustest selbst gestehn: daß alle diese Gaben
Wahrhaftig schlechte Kraft, ein herz zu rühren haben.
Und dessen ungeacht gieng meine Liebe fort.
Ich sagte dir zuletzt noch ein bedenklich Wort:
Entweder wird durch dich mein Glücke höher steigen:
Wo nicht; So wirst du mich gewiß zur Erden beugen
Durch vieles Ungemach, Was mir itzt Kummer macht,
Hat dich allein zum Grund. Wer hätte das gedacht?
THALIA.
Da sagst du nun das Ding so her vor allen Leuten.
Das sind ja Sachen noch von alten langen Zeiten.
Da war ich noch ein Kind, und ehrte dich zu sehr,
Mehr, als du würdig bist. Itzt aber fällt mirs schwer,
Die Lection von dir, als wie ein Kind, zu hören.
MELPOMENE.
Nun gut! Ich will dich nicht durch mein Ermahnen stören.
Das soll das letzte seyn. Jedoch damit du dich
Erst besser kennen lernst, und dann hernach auch mich;
Uns beyde aber auch die kluge Welt kan richten,
Und unsern Unterscheid mit Wahrheit weislich schlichten;[25]
So red ich dich nicht mehr in dem Verstande an,
Als hättest du mir was damit zu leid gethan.
Ich ändre itzt den Thon, und kan dich nun beschämen.
Dein frevelhaftes Thun, dein kühnes Unternehmen
Hat mehr Apollens Reich, als mich, dadurch verletzt,
Und seiner Herrlichkeit vermessen zugesetzt;
Um nur für dich von ihm Genade zu erzwingen,
Und mich indessen nur gewaltsam drum zu bringen.
Du hast dich wie ein Thier nach einem Raub bezeigt,
Das gar nicht eher ruht und auch nicht eher schweigt,
Als bis es voller Wuth das alles hat erjaget,
Was ihm Gesetz und Pflicht, ja die Natur versaget.
THEMIS zur Thalia.
Meynst du, Verstockte, denn die ganze Welt sey blind,
Daß sie die Wahrheit nicht in deinen Thaten find?
Ihr Schweigen darf dich nicht zu Hochmuth ferner treiben.
Sie schätzt dich gar nichts werth und läst dich willig bleiben
So dumm, als wie du bist. Man fragt gar nichts nach dir,
Und deiner Raserey.
MELPOMENE.
Und auch nicht viel nach mir.
Es kan uns beyde noch die Welt gar wohl entrathen;
Doch den am meisten, der sich durch viel Laster-Thaten
Verhaßt und strafbar macht. Was bildest du dir ein?
Mit wem hast du zu thun? Weist du wer diese seyn,
Die vor Apollens Reich behutsam wachen müssen,
Und auch nach Recht und Pflicht, nach redlichem Gewissen,
In allem ihre Pflicht gerecht und willig thun?
Die hast du angeklagt. Was sagst du? rede nun!
THALIA.
Ich denke: Mags doch seyn! Wenn ich nur das kan haben,
Was ich für mich verlang. Ich brauch so hohe Gaben,[26]
So grosse Einsicht, nicht. Mein Nutzen ist mein Recht.
Auf diesen dring ich nur gerade zu und schlecht.
Ich brauche weder dich, noch jemand sonst, zu schonen.
Was gehet ihr mich an? Ihr müsset mich belohnen,
Daß ich nichts ärgers noch für euch ersonnen hab.
Es stund ja auch bey mir. Und sprechet ihr mir ab,
Was ich von euch verlangt; So könnt ihrs doch nicht wehren,
Daß ich darüber schrey.
ALETHEA.
Du läst dich nicht belehren?
Ey nun so fahre hin! der Schaden bleibt auch dein.
Zur Melpomene.
Du must ihr aber doch dafür noch dankbar seyn.
Ihr Drohen wird dir nun in Zukunft nicht mehr schaden.
Geh! setze dich durch Fleiß in vorige Genaden!
Bleib immer ohne falsch, gehorsam, redlich, treu,
Und halt dich schlecht und recht, und ordentlich darbey!
Vergiß dein Unglück nur, und danke recht mit Freuden,
Und sey hinfort getrost auf dein gehabtes Leiden!
SEDULIUS.
Und hierdurch hab ich nun auch neue Kraft gekriegt.
THARSUS.
Und mein beherzter Muth hat diesen Schmerz besiegt.
MELPOMENE.
Nun will ich alle Pflicht nach Möglichkeit bezeigen,
Und meine Dankbarkeit soll Lebenslang nicht schweigen.
Itzunder bin ich matt, und kan nichts weiter thun,
Als einen treuen Wunsch. Mein Herze wünschet nun:[27]
GOtt geb dem König Sieg, und beßre seine Feinde,
Erhalte Stadt und Land, und segne meine Freunde!
Versuch Schweitzerischer Gedichte.
Kein Reitz sey stark genung, der deine Pflicht verhindert,
Kein Nutzen groß genung, der den des Staates mindert;
Such in des Landes Wohl und nicht beym Pöbel Ehr,
Sey jedem Bürger hold, dem Vaterland noch mehr.
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